Tanzen bis zum Ende (Reisebericht Triest)

  • Montag früh. Wir sitzen in Harry's Bistro, dem Restaurant des altehrwürdigen, etwas angestaubten Grand Hotel Duchi d'Aosta in Triest. Viel dunkles Holz, verspiegelte Decken, Lüster aus Muranoglas. „One more Cappuccino, Sir?“ Thomas, der Frühstückskellner, schlägt dabei die Hacken zusammen. Er bemüht sich, den Glanz vergangener Tage aufrechtzuerhalten. Trotz Maskenpflicht und Desinfektionsmittel, trotz der Tatsache, dass nur das Personal das Buffet anrühren darf, trotz der nur vereinzelt gekommenen Gäste. Irgendwie fühlt man sich ein wenig wie auf der Titanic, wir tanzen bis zum bitteren Ende.


    Denn ab heute heißt es im ganzen Land "Sperrstunde 18 Uhr". Niemand hier würde auf die Idee kommen, vor 19:30 Uhr im Ristorante zu erscheinen. Das ist ein brutaler Angriff auf die Lebensfreude, die bei den Italienern direkt am Gaumen sitzt.


    Meine Gedanken schwelgen in den Eindrücken der vergangenen Tage:


    Gestern saßen wir noch spätabends in der Trattoria al Faro, benannt nach dem Leuchtturm Faro della Vittoria, der unmittelbar neben dem kleinen sympathischen Fischrestaurant emporragt. Ein Kellner hat uns geduldig die Karte erklärt und uns Empfehlungen gegeben, denen wir bedingungslos gefolgt sind. Sowohl er als auch der Restaurantbesitzer kamen danach mehrmals an unseren Tisch um sich Lob abzuholen. Ein toller Abend, wunderbares Essen, klingende Gläser, Dolce Vita, rundum zufriedene Gäste. Das wird es bis auf weiteres nicht mehr geben.


    Vorgestern waren wir im Theatro Giuseppe Verdi, ein großes Orchester spielte Beethoven und Respighi, schöne Musik in einem wunderbaren Rahmen aus güldernem Schnitzwerk und rotem Samt, aber auf der Bühne saßen mehr Akteure als im Auditorium Zuhörer. Bis auf weiteres wird es wohl auch in dieser reduzierten Form keine Aufführungen mehr geben.


    Wir haben drei schöne Tage am Meer verbracht, haben versucht „auf Vorrat“ warme, salzige Meeresluft zu atmen, Sonnenlicht zu speichern, frisches Meeresgetier zu essen und italienisches Lebensgefühl aufzunehmen, um gut durch den Winter zu kommen, der diesmal noch einen Tick trostloser werden wird als sonst. Retour nach Wien geht es durch Slowenien, das für seine Bürger Bewegungseinschränkungen verordnet hat. Niemand darf ohne triftigen Grund seinen Wohnort verlassen. Nun sind wir wieder zu Hause, während in Triest eine Großdemonstration stattfindet. Nicht etwa Corona-Leugner haben dazu aufgerufen, sondern Triestiner, die sich dagegen aussprechen, dass die Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip aus Rom kommen. Es sprechen der Gouverneur der Region und der Bürgermeister Triests. Sie kündigen an, die Anordnungen aus der fernen Hauptstadt nicht umsetzen zu wollen. Versammelt hat man sich auf der Piazza Grande, niemand hier würde sie Piazza Unita d’Italia nennen.


    Arrivederci Trieste! Dobre dan! Und auf Wiedersehen! Denn Triest ist ganz viel Italien, aber auch ein bisschen Balkan und ein bisschen Wien. Lasst euch nicht unterkriegen, nicht von Corona und nicht von Rom.
















    119 weitere Fotos gibt es in meinem flickr-Album.

  • Das hört sich nach einem entspannten tollen langen Wochenende an.

    Italien hat einfach seinen Reiz.

    Danke dass ihr uns daran habt teilhaben lassen.


    :thumbsup:

  • Danke für den Bericht. Triest hat mir auch gut gefallen und wie Ihr schreibt, sind dort auch Einflüsse von Österreich und dem Balkan zu finden. Vielleicht nächstes Jahr wieder...=)

  • Wenn ich mir die ganzen Bilder anschaue, wart ihr sicher nicht das letzte Mal in Triest.

    Noch eine Frage: Seid ihr mit dem 500er Fiat angereist?

  • Seid ihr mit dem 500er Fiat angereist?

    Haha! Höchstens am Anhänger. Mit der Gurke mag ich nicht so weit fahren, aber vor Ort wäre es ein stilechtes Fahrzeug. Gibt auch einen Vespa-Verleih, den werden wir vielleicht das nächste Mal ausprobieren.


    Auto in Triest ist so eine Sache: Steile, teilweise sehr schmale Straßen, wenige Parkplätze. Die Einheimischen haben Twingo, Tipo, Panda, Micra... Oder Motorroller. Wir haben unser Auto in der Parkgarage San Giusto abgestellt. Einen Tag haben wir ja im Umland verbracht (Monte Grisa, Duino, Muggia), da haben wir's dann aus der Garage geholt.


    Aber Triest wollen wir bestimmt wieder machen. Es gibt noch einiges zu sehen und wir waren bisher weder in einem der berühmten Kaffeehäuser noch in einem Ozmize (die triestiner Form der Buschenschank). Von Wien sind es ja bloß 4 1/2 bis 5 Stunden Fahrzeit (wenn man nicht im Fiat 500 anreist). Das ist der kürzeste Weg von Wien zu Spaghetti Vongole mit Meerblick.