Ich finde übrigens, du hast absolut (sorry, unpassender Begriff für einen nackten Mann) GEIL ausgesehen, halt ein menschliches Kunstwerk, und zwar ein ästhetisches Kunstwerk.
Ähh, danke. Obwohl ich inzwischen sehr sonnengebräunt bin, das hat mich doch glatt erröten lassen.
Die ersten Planungen sahen vor, Kontakt zu den Painting-Teilnehmern zu bekommen, um dann die Basics zu dem Ablauf zu erfahren. Mein queerer Bekannten- und Freundeskreis ist seehr überschaubar, da wusste niemand Rat. Also schrieb ich einige Berliner Szene-Vereine an, mit der Bitte um Auskunft oder um Herstellung oder Nennung eines Kontaktes. Gleichzeitig versuchte ich es auf sozialen Netzwerken. Doch leider passierte nicht viel. Einige Vereine konnten mir auch nicht helfen, andere antworteten nicht. Auch keine Reaktion auf den soz. Netzwerken.
Die Basisinfos, die ich benötigte waren: Wo und wann treffen die sich am 23. Juli, wie läuft das bemalen ab? Wird man bemalt, muss man selbst dafür sorgen, painted man sich gegenseitig. Wie läuft das mit dem Gepäck? Rucksack oder Tasche mitschleppen verhunzt das Kunstwerk.
Inzwischen hatte ich mir das Motiv ausgesucht und beschloss zweigleisig zu fahren. Nachdem ich die passende Paintingkünstlerin kontaktiert hatte und erste Absprachen getroffen wurden war klar, ich werde mich unter professionelle Hände begeben und dann fertig gestaltet zum Treffpunkt der Painting-Teilnehmer fahren, den ich so die Hoffnung noch rechtzeitig erfahren werde. Damit fielen die nächsten Fragen an. Wie komme ich vom Studio zum CSD oder zum Painting-Treffpunkt. Immer noch, wo lasse ich meine Tasche. Kann ich den Termin noch canceln, falls sich kühles oder regnerisches Wetter ankündigt.
Das Motiv selbst sollte einfach nur cool aussehen und Spaß machen. Im weiteren Sinne steht es aber auch für die abgelegte falsche Hülle, die man vielerorts auf der Welt immer noch tragen muss, weil es an Toleranz fehlt.
Die Zeit ging dahin, doch meine Basisinfos hatte ich immer noch nicht. Dann wurde die Demoroute bekannt gegeben. Na bitte super, das passt doch prima. Die Route führt gleich zu Beginn über den Potsdamer Platz und endet zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor, unweit des Potsdamer Platzes. Und am Potsdamer gibt’s einen Bahnhof mit Gepäckschließfächern. Ich muss halt nur eines bekommen am 23. Damit wäre die Gepäckfrage geklärt, falls es über die Painting-Teilnehmer nicht noch besser organisiert ist.
Drei Wochen vor dem Ereignis musste der Studiotermin gebucht werden. Über die Paintingtruppe hatte ich immer noch keine Informationen. Also stellte ich mich darauf ein, irgendwie allein so auf dem CSD unterwegs zu sein, obwohl ich mich in der Gruppe wohler gefühlt hätte. Das Studio lag in der Nähe vom Bahnhof Ostkreuz. Um 7.00 Uhr sollte es losgehen mit der Arbeit. Meine Pläne nahmen Gestalt an, auch ohne Gruppenschutz. Um 4.00 Uhr den ersten Zug nach Berlin nehmen und an Ostkreuz vorbei bis Friedrichstraße fahren. Von da mit der S-Bahn zum Potsdamer, gleich ganz früh ein Schließfach sichern ohne was reinzulegen, bevor die alle weg sind, denn andere haben sicher auch die Idee. Dann wieder mit der S-Bahn und dem Regio zurück nach Ostkreuz zum Painting. So der Plan. Nach dem Painting mit dem Taxi zum Potsdamer, die Tasche ins noch leere Schließfach deponieren und mit einem Zugbeutel mit dem Notwendigsten (kurze Sportshorts, T-Shirt, Wasserflasche, dazu noch drei mit Wasser gefüllte kleine Schnapsfläschchen, etwas Geld und Proviant, Ausweis, 9-Euro-Ticket, Medikamentenbox UND ein sehr knapper Slip, der nur vorn etwas verdeckt) zum CSD oder zum Treffpunkt.
Dann ein Wunder, ich wurde angeschrieben von einem, der dort mit Painting mitläuft und mich mit den lange gesuchten Infos versorgte. Die Bemalaktion startet demnach ab 10.00 Uhr am Leipziger Platz (der günstigster Weise gleich neben dem Potsdamer liegt) unter künstlerischer Anleitung. Nach 12.00 Uhr werde man sich dann in den Umzug einreihen. Gepäck haben alle in kleinem Beutel dabei. Wichtig war für mich jetzt erst einmal nur noch Leipziger Platz, nach 12.00 Uhr und ich muss nicht allein da so nur in Farbe gehüllt rumspringen. Ich gab die Rückinfo, dass ich nach 11.00 Uhr dort fertig gestaltet aufschlagen werde und mich auf die Truppe freue.
Dann war er da DER Tag. Getreu dem Motto des A-Teams (Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert) lief alles reibungslos lt. Plan. Um 5.30 Uhr hatte ich meinen Schließfachschlüssel. Auf den noch sehr leeren Bahnsteigen liefen bereits vereinzelte CSD-Besucher herum. Man sah es den Leuten an, wo sie hinwollten. Um 6.30 Uhr war ich bereits vor dem Studio und schrieb Maria an, ich sei vor Ort, sie solle sich aber nicht hetzen lassen 😊. Pünktlich um 7.00 konnte Maria über Smartphone und App den Code für das Zahlenschloss an der Tür eintippen (Schlüssel war gestern) und die Tür vom Mietstudio ließ sich öffnen. Kurz Technik aufbauen, Umgebung abdecken und die erste Farbe anrühren, dann durfte ich mich schon nackig machen und ich bekam die erste Farbschicht in Airbrush. Ein kleiner Minikompressor, etwas Schläuche und kleine Sprühpistolen, der Farbenkasten, daraus bestanden die Hauptkomponenten. Maria hatte sich ihren Freund als Assistenten mitgebracht. In mehreren Farbschichten mit nicht mehr als 5 verschiedenen Farben bzw. Farbtönen entstand das Kunstwerk komplett in Airbrush. Mit nur ein paar kurzen Pausen zum neue Farbe anrühren und eine Frühstückspause von 15 Minuten, wurde ich durchgehend bearbeitet.
Kurz vor 11.00 Uhr waren wir fertig und es wurden noch Fotos gemacht. Auch Zwischendurch wurde das making of immer wieder mit Foto und Video festgehalten. Maria hatte ich ausdrücklich gestattet, diese Aufnahmen für eigene Werbezwecke zu verwenden. Mit Uber ging es zuerst zum Brandenburger Tor, wo die beiden ihre Dienste für die Laufkundschaft anbieten wollten. Meine Straßenklamotten und Schuhe lagen in der Tasche. Meine Ethiopian-Airlines-Decke leistete wieder gute Dienste. Nur in die Decke gehüllt saß ich im Taxi, damit die Sitze nicht leiden und das Painting nicht Schaden nimmt. Dann verabschiedete ich mich von den Beiden, der Fahrer brachte mich zum richtigen Bahnhofseingang am Potsdamer (das hatte ich in der Früh schon ausgekundschaftet), wo ich nur noch die Treppe runterhuschen musste und direkt bei den Schließfächern stand.
Jetzt wurde es Ernst. Die Decke muss in die Tasche und die ins Schließfach, der Zugbeutel aus der Tasche muss mit und ich schlüpfe in den o.g. sehr knappen Slip. Ein Kompromiss aus so wenig Stoff wie möglich zum Schutz des Paintings und aus: Ich habe aber doch noch was an hier im Bahnhof. Mit einem möglichst coolen Gesichtsausdruck und den Blick frei geradeaus ging es zu Fuß vom Bahnhof zum nahe gelegenen Leipziger Platz. Dort sehe ich mein Ziel schon von weitem. Ja, da stehen sie und ich grüße erst einmal alle. Geschafft.
So um die 12 Leute, alle schon gestaltet sind es. Dennoch wird in der folgenden Stunde immer noch hier und dort mit Farbe und Pinsel verbessert. Die Paintings reichen von komplett bunt bemalt (1x) über komplett silbergrau mit Linien in Zweitfarbe (2x) bis hin zu Blümchen oder sehr sparsam bemalt. Aber alle nackt. Das tut aber nix, so bei den anderen fühle ich mich viel besser. Bereits hier kommen die ersten Fotointeressierten und fragen, ob sie dürfen. Mein Painting sticht natürlich alle anderen locker aus.
Gegen 13.00 Uhr erreicht die Zugspitze den Platz und unsere Gruppe begibt sich zum Umzug und taucht ein. Wir verteilen uns aber sehr bald locker in der Menge. Ab jetzt geht’s los. Alle 50 Meter werde ich nach Fotos gefragt. Meist kommen dann gleich noch andere und fragen auch gleich passenderweise. Dann muss ich mich sputen, um meine Leute wieder zu erreichen. Das klappt aber nicht lange. Die Fotostopps halten zu sehr auf. Also ändere ich meine Strategie. Ich bin inzwischen aufgewärmt und tiefenentspannt, lasse es locker angehen und die Gruppe Gruppe sein. Ab jetzt Solotour. Da ich ja sowieso auch den Umzug sehen will, lasse ich die Leute und die Wagen an mir vorbeiziehen und genieße die Leichtigkeit des Seins. Fotoanfragen abarbeiten, selbst fotografieren, dann wieder gleich die Gelegenheit nutzend und Fotohungrigen mein Phone in die Hand gedrückt, weil ich ja auch Bilder von denen mit mir drauf haben möchte. Jetzt bin ich in meinem Element und komme in Stimmung. Das ich nur Farbe anhabe, tritt in den Hintergrund. Nach den Fotos verteile und hole ich mir bei den Ladys das eine oder andere Küsschen auf die Wange oder auch einen direkten Knutscher. Alle sind locker und in Partylaune. Die Leute haben Spaß, ich habe Spaß, das Wetter ist herrlich, was will man mehr. Nachdem es Vormittag bei 17 Grad noch reichlich geregnet hat und ich in Sorge war, mit Marias Regenschirm laufen zu müssen, hat der Partypetrus ein Einsehen. Beim Verlassen des Studios schien bereits wieder die Sonne.
Auf mein Outfit bekam ich samt und sondern positive Resonanzen bis hin zu begeisterten Kommentaren. Gelegentlich wurde mir an den Popo gefasst oder geklapst. Was solls, gehört dazu, wenn man halt so rumläuft. Bei der Kommunikation ging ich auf Englisch über, weil jeder Zweite mich eh in Englisch ansprach. Heute ist in Berlin wieder die ganze Welt vertreten. Ein Herr, der Foto haben wollte, nutzte die Gelegenheit mir dabei mit der Hand den Hintern zu streicheln, als er dann noch zu einem Kuss ansetzte, musste ich ihn mit No stoppen. Sorry Ladys only.
Wie ich den Tag ausklingen ließ, hatte ich ja Eingangs schon geschrieben. Am Tiergarten holte ich meine Shorts und das Shirt aus dem Zugbeutel. Eigentlich hatte ich vor, mich am Hauptbahnhof zu duschen (die Möglichkeit gibt es dort), war dann aber zu bequem zu. Deshalb fuhr ich in Farbe mit den Nottextilien nach Hause und duschte da. Mit Wasser und Seife ging die Farbe leicht ab.
Einer dieser Tage, der in Erinnerung bleibt.