Backpacker-Trip mit Deutschen

  • das bedeutet verallgemeinert, dass jedwede Anstrengung sein Leben nach ethischen Gesichtspunkten (oder was man eben dafür hält) auszurichten ist letztendlich eine Selbsttäuschung und wirkungslos?

    Verallgemeinern würde ich das nicht, aber nur weil ich nimmer nach China reise, werden die dort nicht die Demokratie einführen und nur weil ich mit einem Tuk-Tuk-Fahrer um Centbeträge streite, werde ich das Preisgefüge nicht drücken. Im ersten Fall wäre die bedeutsamste "Wirkung", dass ich tolle Eindrücke und Erlebnisse nicht sammeln könnte, im zweiten Fall, dass ich im Urlaub (!) grießgrämig und verbissen bin.


    Verantwortungsbewusstes Handeln nach ethischen Grundsätzen ist nie verkehrt. Wir sind soziale Wesen und Gutes und Richtiges zu tun steigert unser Wohlbefinden und unser Lebensglück. Wir hätten gerne, dass alles was wir tun, einen Sinn hat und dabei schießen wir gerne übers Ziel hinaus.


    Wie wäre es denn, wenn man im Urlaub auch wie ein Einheimischer lebt, dann würden sich viele Fragen erübrigen.

    Ich fahre schon sehr gerne hin und wieder mit einem klapprigen, überfüllten Linienbus, schlafe in einem sehr einfachen Quartier oder esse morgens eine Nudelsuppe am Straßenrand. Aber ich mag auch klimatisierte Limousinen, feudale Suiten und opulente Frühstücksbuffets. Auch diesbezüglich glaube ich nicht, dass ich die Welt verbessern könnte, wenn ich mich einschränken würde. Und für mich wären das Einschränkungen. Die Nudelsuppe am Straßenrand ist für mich ein genau so ein Urlaubserlebnis wie das tolle Luxushotel.

  • Hi,

    Da frage ich mich dann wirklich, warum solche Diskussionen in Bezug auf das Reiseverhalten und das dortige Preisgefüge hier so emsig diskutiert werden, wenn es auch schon in der Heimat so langsam aus den Fugen gerät. [... ] Muß man dafür auf Reisen gehen?

    man muss nicht, aber es fällt leichter. Ein stück weit sind wir ja alle in einer Art von Blase, wenn wir auf Reisen sind. Und wenn der Alltag nicht nur im übertragenen Sinne meilenweit weg ist, dann reduzieren sich die Abhängigkeiten und Notwendigkeiten des täglichen Lebens erheblich, oder werden zumindest temporär außer Kraft gesetzt. Wir können dann plötzlich nicht mehr in die Schublade der Lebenserfahrung greifen und eine Lösung für alle Situationen ziehen. Darum ist IMO so ein Urlaub eine ausgezeichnete Gelegenheit für die Justage der eigenen Wertestruktur. Vielleicht ist das sogar der eigentliche Sinn so einer Reise. Denn mal ehrlich: Wer fährt schon freiwillig nach Pisa, nur um ein altes Gemäuer mit einem gravierenden Baumangel zu sehen 8) ?


    Hier wird das für den Urlaub diskutiert, weil wir eben ein Reiseforum sind. Ich kann Dir aber versichern, dass es solche Themen in Fotoforen ebenso gibt und dabei gerne mal am Rande des OT kratzen. Insofern zuckt Erhards Zeigefinger sicher schon etwas über dem Delete-Button.


    Nur zur Sicherheit: Es ging mir oben nicht darum, dass wir jetzt alle auf dem Lehmboden schlafen müssen, sondern dass wir Touris nach meinem Empfinden zuweilen wie Dampfwalzen durch unsere Lieblingsländer ziehen und mit unserem Geld selbst das noch platt machen, was (Beispiel Myanmar) eine jahrzehntelange Militärdiktatur nicht geschafft hat.


    Ciao
    HaPe

    Edited once, last by Gast 1001 ().

  • Es ist schon sehr eindrucksvoll, wenn man ein Land zu bereisen darf, wo die Uhren so ganz anders ticken, als wie man das zuhause gewöhnt ist. Da gebe ich dir völlig recht. Aber schon das bloße Auftauchen unsereiner kann schon oft für Verwirrung sorgen, zumindest, wenn man als Frau alleine irgendwo auftaucht. Das ist z.B. ein Grund, warum ich nicht unbedingt alleine in den Iran reisen würde.
    Generell leb ich zuhause ja auch etwas bescheidener (von der Fotoausrüstung mal abgesehen... ) von daher brauche ich das auch im Urlaub nicht. Gerade in S/O Asien könnte ich mich auch das ein oder andere Mal so richtig pampern lassen, aber das mache ich nicht, weil es eben auch nicht meiner Natur entspricht. Man muß nicht auf Lehmböden schlafen, in solchen Gegenden reduzieren sich automatisch die Wünsche auf ein einigermaßen mückensicheres Zimmer und frisches Trinkwasser. Mit dem Gesundheitssystem möchte ich in einigen Ländern keine Erfahrungen sammeln. Ich denke, es hat einfach damit zu tun, wie man von Haus aus so "gestrickt" ist, dann sollte auch eine weitere Reise nach Myanmar durchaus möglich sein, ohne das man täglich sein eigenes Handeln ständig hinterfragen muß. Ich war vor 4 Jahren das letzte Mal dort und es hat sich schon einiges geändert. Allerdings betraf das weniger die Touristen, sondern die Bevölkerung saß in beleuchteten Biergärten vor der großen Flachbildglotze, es gab rund um die Uhr Strom und Mandalay war verstopft mit Mopeds. Die Leute blickten auch dort unentwegt auf Smartphones, westliche Kleidung wird bei jungen Leuten immer beliebter und man bekam schon das Gefühl, daß zumindest auch hier Leute den Fortschritt genießen können, die nichts mit dem Einkommensgefüge im Tourismuszirkus zu tun haben.


    LG kiki

  • Ich war 2011 in Myanmar und den Kontrast zwischen Werbeplakaten und Fernsehspots einerseits und der Lebensrealität der Menschen andererseits habe ich als wirklich extrem in Erinnerung.


    Ich glaube fast, keine Reise hat mich jemals so beschäftigt, wie jene. "Justage der eigenen Wertestruktur", wie es HaPe so treffend genannt hat. Das hab ich damals geschrieben, als ich am Flughafen von Yangon auf den Rückflug nach Bangkok gewartet habe:



    In der Glotze am Airport läuft gerade eine Werbung für teuren Schmuck. Zwei junge, gut gelaunte und gut (also westlich) gekleidete Menschen werden durch den Erwerb von teurem Geschmeide gleich noch besser gelaunt. Im nächsten Spot tanzen zwei jugendliche Erfolgsmenschen in ihrem neuen Luxushaus der Firma "Fatherland Constructions". Wie weit die Realität doch hier von der Scheinwelt des Fernsehens abweicht.

    Hier gibt es Menschen, die zum täglichen Broterwerb mit einer Personenwaage durch die Gegend ziehen, gegen Gebühr darf man sich mal draufstellen.Andere betteln, sammeln Müll oder arbeiten am Flughafen als Kofferkuli, was meiner Meinung nach zu den dümmsten Broterwerben weltweit gehört, in Zeiten wo sämtliche Koffer mit Rollen und Griffstangen ausgestattet sind. Wie mag die TV-Glitzerwelt wohl auf all diese Leute wirken.


    Ich merke, dass ich mich schon wieder zu sehr mit Dingen beschäftige, die ich nicht ändern kann. Ich sollte mich mehr um mich selbst kümmern, da gibt's genug zu tun. Und ich glaube, genau das tun auch die Burmesen. Ich glaube, die wissen, dass sich Glück und Reichtum nicht in ihren Hosentaschen oder auf ihren Bankkonten befinden sondern in ihren Herzen und ihren Gedanken, und diesen Reichtum kann man ihnen nicht wegnehmen.