Reisebericht Armenien

  • Moin Moin!
    Wohin jetzt mit diesem Reisebericht? Geografisch befindet man sich ja schon in Asien, allerdings gehört Armenien zum Europarat, bei der EM-Qualifikation im Fußball und beim ESC mischen die auch mit :shock:
    Ich schreibe diesen Bericht jetzt in der Europaecke, zumindest gefühlsmäßig ist es hier irgendwie für mich vetrauter. Wenn's nicht passen solte, einfach verschieben. :ops:


    Der Bericht wird etwas dauern, ich hab noch längst nicht alle Bilder gesichtet, also wird es hier häppchenweise voran gehen. Zumindest den Anfang möchte ich heute starten, sonst wird das nie was :love:


    Ende April ging es für mich zum zweiten Mal in die Kaukasusregion. Diesmal hatte ich mir Armenien ausgeguckt. Das Land ist klein, bietet aber Sehenswertes für 4 Wochen und mehr. Allerdings mußte ich mich für den Anfang mit 2 Wochen begnügen und so ist es für mich eine kleine Schnupperreise geworden. Neben der Hauptstadt Jerewan besuchte ich im Süden die Stadt Goris und den Sevansee im Osten des Landes. Alle anderen Sehenswürdigkeiten besichtigte ich von Jerewan aus. Die Wege sind kurz in dieser Region, das macht das Reisen dort so einfach.
    Blöde waren die Flugverbindungen. Nach Jerewan fliegt von D aus niemand direkt, die Alternativen waren mir zu umständlich und zu zeitaufwändig. Also buchte ich einen Flug mit der LH nach Tiflis, um dann von dort aus nach Jerewan zu reisen. Geht auch und ist recht unkompliziert.
    Eigentlich wär ich auch gerne ein wenig in den Norden Armeniens gereist, zumal ich ja sowieso nach Tiflis zurück mußte, das wurde mir dann aber ein wenig zu stressig und so verschob ich das Ganze auf einen nächsten Besuch, den es ganz sicher geben wird. :thumbup: Dafür belohnte ich mich mit einer Zugfahrt zwischen Jerewan und Tiflis, das fand ich richtig toll. In den Zug bekommt man mich immer. :thumbsup:


    Die ganze Kaukasusregion ist vielleicht nicht unbedingt jetzt im Hauptfokus der neugierigen Reisenden, hat aber durchaus sehr viel Charme und viel Sehenswertes zu bieten. Die Leute sind sehr freundlich und bis auf einige raffgierige Taxifahrer hat man als Tourist dort auch nix auszustehen. Abgesehen von dem Zustand einiger Strassen ist es ein sehr sicheres Reisen, es ist (noch) günstig und was die touristische Infrastruktur angeht ist auch für das nötigste gesorgt. Selbst wenn es ab und zu ein Sprachproblem gab, die Armenier sind sehr hilfsbereit und irgendwie konnte man jedes Problem innerhalb kürzester Zeit beseitigen. Es gab allerdings kaum Handlungsbedarf, es ist alles sehr einfach und übersichtlich in diesem Land. Da ich alleine unterwegs war, beschränkte ich mich auf Hostel- und Pensionsübernachtungen. Da ist die Auswahl groß und die armenische Gastfreundschaft sorgte dafür, daß ich mich rundum wohl gefühlt habe.


  • In Tiflis kam ich morgens um 4:00 an. Eine blöde Zeit, glücklicherweise war mein Bettchen schon frei und ich hatte kurz ein schlechtes Gewissen, weil ich so früh am Tage meine Mitbewohner wecken mußte. Allerdings schmiß ich nur kurz meinen Rucksack in die Ecke, setzte mich mit ein paar Absackern auf die Dachterrasse und wartete, bis die Sonne aufging.


    Irgendwie hatte ich in Tiflis das Gefühl, als wenn ich eine alte Bekannte besuchen würde. Alles war vertraut und ich betrachtete es auch nicht als nervigen Umstand erst dort aufzulaufen, obwohl ich ein ganz anderes Land besuchen wollte.
    Zumindest brauchte ich nicht ständig auf einen Stadtplan starren, ob ich mich mal wieder verlaufen habe. Das find ich als Einstand manchmal auch ganz angenehm.
    Am späten Vormittag startete ich dann meinen kleinen Erkundungsgang und besuchte Mutter Georgia, die hoch über der Stadt thront.



    Rund um Mutter Georgia wurde auch für das leibliche Wohl gesorgt. Saison für Granatapfel ist zwar noch nicht, trotzdem ist der hier spottenbillig und als frisch gepresster Saft einfach lecker.



    Was man hier nicht findet, sind die typischen amerikanischen Vertreter der Kaffee- und Fast Food Kultur und das ist auch gut so!



    Bei meinem letzten Besuch in Tiflis war mir in der Altstadt etwas mulmig, wenn ich so manche Gebäude betrachtet habe. Alles machte den Eindruck, als wenn es kurz vor dem Zusammenbruch steht. Das ist immer noch so, allerdings herrscht gleichzeitig auch rege Bautätigkeit. Das hat die Altstadt auch bitter nötig. Es war überraschend zu sehen, an wie vielen Ecken hier umfangreiche Restaurationsarbeiten stattfinden, wenn der Georgier in diesem Tempo weiter macht ist er mit der Altstadt eher fertig, als der Berliner mit seinem Flughafen :thumbsup:


  • Es war an diesem Tag nur Stadtbummel angesagt. Was soll man auch großartig am Ankunftstag unternehmen. Es waren angenehme 25 Grad, aber wenn man aus dem kalten Norden Deutschlands anreist, ist man irgendwann auch kaputt von der Hitze :P Ein wenig die Kamera gezückt und das war's :thumbup:








    Ich genoß ein reichhaltiges Abendessen, einige Absacker und freute mich auf Jerewan. Jetzt wurde es Zeit, daß ich etwas Neues kennen lernte. :thumbup:

  • Darauf freu ich mich, denn der Anfang war schon super.
    (Hab eh schon drauf gewartet dass was kommt) :)


    Ich mag deine Art zu fotografieren ja immer und auch diesmal hast du es wieder gut hinbekommen mich zu begeistern.

  • Am darauffolgenden Tag ging es nun endlich nach Jerewan. Den Bus konnte ich am Tag zuvor gleich beim Einchecken im Hostel buchen, das war mir auch ganz recht. Der Fahrer rief kurz zuvor an der Rezeption an, mir wurde ein Treffpunkt genannt, ein Zettel mit dem Nummernschild des Busses in die Hand gedrückt und los. Es war ein Mercedes Van mit 11 Sitzen und die Fahrt kostete mich umgerechnet 13€. Das fand ich günstig. :thumbup:
    Die Fahrt dauert so ca. 5Std und die Strassenverhältnisse im Kaukasus verhindern auch erfolgreich diverse Mutproben am Lenkrad. Von daher war es eine angenehme Tour und die Formalitäten an der Grenze gingen auch ganz fix. Beim Grenzübergang traf ich auf eine Reisegruppe aus Hongkong, die findet man auch überall... :D
    So kam ich dann am frühen Nachmittag entspannt in Jerewan an und war ganz begeistert von meinem Hostel.
    Eine riesige Altbauwohnung mit großzügigen Räumlichkeiten und hohen Decken. Besonders gut gefiel mir der Balkon auf der Rückseite des Hauses, da konnte man abends schön sitzen und am Glimmstengel ziehen. :rolleyes:
    Generell gibt es dort noch nicht diese Anti Raucher Stimmung, aber in den Hostels wird da schon drauf geachtet. Mir ist es egal, der Kühlschrank bot zusätzlich reichlich Platz für Kaltgetränke, mehr brauche ich nicht.


    So zog ich dann am Nachmittag durch die Strassen Jerewans um mich überhaupt erst einmal zu orientieren.
    Als erstes latschte ich zur Oper, der Platz ist auch gleichzeitig so etwas wie das Zentrum in dieser Stadt.
    Ringsum laden viele Cafes zum Verweilen ein, es herrschte eine sehr entspannte Stimmung. Man flaniert und läßt es sich gut gehen.


  • Hinter der Oper ging ich dann weiter zu den Kaskaden. Die sind das beliebteste Ausflugsziel in dieser Stadt. Wenn man es die vielen Treppenstufen nach oben geschaftt hat, bietet sich ein toller Ausblick über die Stadt und bei guter Sicht leuchtet am Horizont der Ararat. Leider war es an diesem Tag sehr bewölkt und als ich auf halber Höhe erkennen konnte, daß sich kein Berg zeigte, drehte ich um.




  • Jerewan liegt so auf ca. 1000 Höhenmetern, von daher war es im Mai oft noch angenehm kühl. Zum bummeln find ich das gut, da kann ich keine Hitze gebrauchen. Allerdings muß man auch noch auf andere Wetterlaunen gefaßt sein, auch ich blieb davon die nächste Zeit nicht verschont. Am Ankunftstag hatte ich Glück und konnte meine ersten Erkundungen trocken beenden.


    Trolleybusse und die "Platte". Willkommen im Osten :thumbsup:




  • Da ich etwas Wartezeit in Brüssel überbrücken muss, habe ich Zeit und Muße gehabt, die Bilder anzuschauen und den Bericht zu lesen.
    Ja, dafür gibt es ein "Gefällt mir“ :thumbsup:
    Viele Grüße
    Petra

  • Am nächsten Tag startete ich meinen ersten Ausflug in die Umgebung von Jerewan. Ich hatte mir den Ort Echmiadzin ausgesucht, der auch als "Vatikan von Armenien" bezeichnet wird. Für die Anreise stieg ich in einen lokalen Bummelbus. Ich mach das am Anfang ganz gerne, daß ich in die Öffis steige, da bekommt man eher ein Gefühl dafür, wie Land und Leute so ticken. Außerdem galt es auch zu testen, inwieweit die Sprachbarriere ein Stolperstein werden kann, aber alles lief ganz easy.




    In Echmiadzin gibt es mehrere Kirchen, fünf davon tragen den Weltkulturerbetitel. Zuerst besuchte ich die Kathedrale von Echmiadzin, die von einem imposanten Eingangstor geschmückt wird.




    Die Kathedrale selber bekam gerade eine Schönheitskur verpasst. Zumindest werden die Taler von der UNESCO sinnvoll investiert.



    Hinter der Kathedrale befindet sich in Sichtweite die Kirche St. Gayane. In den armenischen Kirchen braucht man als Frau übrigens kein Kopftuch beim Besuch anlegen, es wird zwar freundlich registriert, wenn man es trotzdem macht, aber man darf auch "oben ohne". Das war in Georgien anders.



    Nicht nur die Kirchen sind dekoriert :thumbup:


  • Um zwei weitere Kirchen zu besichtigen muß man die Hauptstrasse entlang wieder in Richtung Ortsausgang laufen. Echmiadzin ist klein, das kann man gut zu Fuß schaffen. Während des bummelns kann man so auch andere Eindrücke aufschnappen, das mache ich sehr gerne. Alte Steine sind zwar sehr interessant, es darf zwischendurch aber auch etwas Abwechslung geben. :thumbup:


    Was man immer wieder sieht, sind kleine Angebote aus dem heimischen Garten oder der Datsche. So manch einer bessert sich damit die karge Rente oder den Lohn auf.




    Einiges hat schon bessere Tage gesehen... 8|




    Körperkult :shock:



    ... und irgendwann ist man dann bei den Kirchen angelangt. 8)


    Shogakat




    St. Hripsime


  • Die letzte KIrche, oder besser gesagt, die Ruinen davon befinden sich 3km vor Echmiadzin und haben auch eine eigene Haltestelle. Man kann die Besichtigungen also auch in umgekehrter Richtung starten. :thumbup:


    Als ich dort ankam, konnte ich mal wieder typisches beobachten. DAS gibt es überall! :shock:
    Die Einzelsession dauerte einige Minuten und neben mir stand ein genervter Fotograf mit einer Leica M und rollte nur mit den Augen. Ich mußte innerlich grinsen. :P



    Irgendwann gab es dann freies Schußfeld und man konnte kurz abdrücken. Dann war eine Reisegruppe im Anmarsch und ich konnte das Fotogedöns einpacken.
    Die Ruinen von Swartnoz sind die Überreste der Gregorkirche, die im 10. Jh zerstört wurde und gilt als einer der Höhepunkte armenischer Baukunst im 7.Jh.




    Auch in der näheren Umgebung gab es interessantes zu entdecken.





    Am Nachmittag machte ich mich dann auf den Weg zurück nach Jerewan. Echmiadzin ist ca. 20km entfernt und der Bus braucht für die Strecke eine gute Stunde, weil er an jeder Milchkanne anhält. :D
    Die Fahrt kostet pro Strecke 200DRAM. 1€ sind ca. 520DRAM. Also hat mich die kleine Tour nicht einmal 1€ gekostet. Man kann das ganze auch mit einem privaten Taxi organisieren, dann muß man mit Preisen so um 12000 DRAM
    rechnen.

  • Ein eindrucksvoller Bericht und tolle Fotos.
    Wenn man das liest und sieht, bekommt man Lust auf Armenien.
    Das Verständigen scheint ja kein Problem zu sein.
    Wie ist es mit der Sicherheit? Das Auswärtige Amt schreibt Warnungen für bestimmte Gebiete.
    LG
    margarete

  • Falls du Bergkarabach meinst, da kann man so hin. Bekommst aber Probleme, wenn du anschließend Aserbaidschan besuchen möchtest. Generell sind es einige Grenzgebiete, wo man sich besser nicht blicken lassen sollte, aber als Tourist hat man da auch nix verloren.
    Ich muß gestehen, daß ich mich im Vorfeld auch überhaupt nicht darüber informiert habe, weil es für meine Reise nicht zur Diskussion stand. Im Land selber hat man nichts zu befürchten. Ich habe mich zu keiner Zeit unsicher gefühlt, obwohl ich alleine dort war.

  • Was Grenzgebiete angeht, gibt es ja diverse Nachbarn. Neben Aserbaidschan ist das Verhältnis zu den Türken ebenfalls sehr angespannt und das hat auch einen Grund.
    Nachdem ich von Echmiadzin wieder in Jerewan eintrudelte, besuchte ich den Denkmalkomplex Zizernakabert, besser bekannt als Armenian Genocide Museum.
    Es ist den Opfern des Völkermordes gewidmet, der im Ersten Weltkrieg von den Türken an den Armeniern verübt wurde.
    Ich setze jetzt einfach mal einen Link, wer Interesse hat, kann hier nachlesen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/…lkermord_an_den_Armeniern


    Die Bilder, die dort ausgestellt werden, erinnern doch sehr schmerzhaft an die eigene Vergangenheit in unserem Lande, als die Nazidiktatur ähnliche Verbrechen begangen hat. Kein einfacher Besuch, aber trotzdem sehr lohnenswert!








    Anschließend schlich ich etwas bedröppelt zurück in mein Hostel. Für heute reichte es mit Geschichte :shock:





  • Tagsdrauf waren dann wieder alte Steine angesagt. Gleichzeitig auch als Weltkulturerbe ausgezeichnet und ca. 35km von Jerewan entfernt. Von meinem Gastgebern bekam ich den richtigen Busbahnhof eingeimpft und dann ging es los.
    Am Bahnhof gab es dann ein Problem, das alle Marschrutki mit armenischer Kullerschrift verziert waren. Ich mußte also erst einmal suchen, bis ich dann ein Gefährt entdeckte, wo in der Frontscheibe ein Bild hing, welches mir sehr bekannt vorkam. Also stammelte ich was von Garni und Geghard und durfte anschließend in den Bus einsteigen :thumbsup:
    Im Reiseführer steht noch geschrieben, daß die Busse nur bis Garni fahren und man für das Kloster Geghard von dort mit Taxi anreisen muß, aber das hat sich in der Zwischenzeit wohl geändert. Mir war es recht und ich genoß eine schöne Fahrt durch die Berge Armeniens.
    Am Kloster Geghard angekommen, verzog ich mich erst einmal in die hinterste Ecke um den vielen Besuchern auszuweichen.
    Zuerst dachte ich an ein Müllproblem.. (typisch Tourist)



    Bei näherem Hinsehen merkte ich aber sofort, daß ich nicht immer alles gleich so negativ einschätzen sollte :thumbup:



    Es ist eher etwas spirituelles. Man betet, wünscht sich was, hält dies mit einem Knoten fest und hofft, daß es in Erfüllung geht.


    Das Kloster Geghard ist direkt an einen Felsen gebaut worden. Bei der Innenbesichtigung wird schnell klar, daß die Räumlichkeiten bis weit in den Stein hineinragen. Sehr interessant zum gucken und mit Sicherheit nicht alltäglich.




    Etwas ganz typisches für die armenische Kultur sind die sog. Chatschkars. Das sind Gedächtnissteine, welche in aufwändiger Handarbeit bis in die heutige Zeit hergestellt werden. Zentrales Motiv ist das Kreuz, darum ranken sich Motive wie Tiere, Truben, Schriftzeichen od. Palmetten. Teilweise sehr filigran gearbeitet und sehr beeindruckendes Handwerk.



    Am Ende gab es noch Steine in einer etwas einfacheren Darstellung und dann machte ich mich auf den Weg nach Garni.