Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”

  • Ja, die Afar war mein beeindruckendstes Reiseerlebnis überhaupt!


    Und, was ich nie gedacht hätte: Am meisten Angst hatte ich zuvor vor 60 Stunden ungewaschenem "Gruppenkuscheln", ständig unter Beobachtung zu sein. Aber es war wirklich völlig OK, eins fügt sich ins andere, wenn es denn nunmal so ist, wie es ist...

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Ja, mit Sicherheit wird es mir ewig in Erinnerung bleiben. Es hatte auch ewig gedauert dieses Mal, bis mein Kopf meinem Körper wieder zurück nach Deutschland hinterher gereist war.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Hmmmm, ja, man kann auch eine individuelle Tour buchen und da sicher auch mehr Komfort dazubuchen. Allerdings ist das sicherlich teuer, weil man auch da sinnvollerweise mit mindestens 2 Fahrzeugen unterwegs ist, zum einen wegen der ganzen Ausrüstung, zum anderen um sich helfen zu können, wenn ein Fahrzeug im Sand stecken bleibt, was wohl gelegentlich vorkommt. Und Guide und Guards braucht man da ja auch...


    Und den Vulkanaufstieg kann man vermeiden, indem man ein Kamel bucht, das einen hochträgt.


    Ich könnte mir vorstellen, dass World Sun Ethiopia oder Muller das organisieren kann. Wenn du magst, schreibe ich Gere oder / und Muller mal und frage nach?

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • 27.5. Zum Erta Ale - the adventure continues


    Miss Singapore und ich sind als erste schon gegen 6 Uhr wach und setzen uns nach draußen und quatschen. Vielmehr: Sie hat ein großes Mitteilungsbedürfnis. Aber wie sie in Addis Abeba gelandet ist und wie das Leben dort ist, ist ja auch interessant. Alle anderen schlafen noch, die fünf Jungs (Gere und die Fahrer) liegen in Schlafsäcken unter freiem Himmel und fanden es dort kalt. Miss Singapore und ich sind uns einig, dass es da sicher sehr angenehm war im Vergleich zu dem etwas warmen Zimmer, in dem wir geschlafen haben. Erst gegen 8 Uhr stehen die anderen auf, die scheinen allesamt einen gesegneten Schlaf zu haben!


    Ach ja, und die Köchin ist auch schon eine Weile aktiv, sodass es kurz nach 8 Uhr Frühstück gibt mit leckeren Pfannkuchen mit süßen Aufstrichen, Rührei und Obst.




    Es dauert noch eine Weile, bis es losgeht. Die Autos müssen erst mit der ganzen Ausrüstung beladen werden. Währenddessen stehen wir im Hof herum und lassen uns von den Kindern des Dorfes bewundern und bewundern unsererseits wiederum diese. Besonders ein Mädchen hat es mir angetan, die sich mit ihren anmutigen Zügen und grazilen Bewegungen zu einer wahren Schönheit entwickeln wird. Der King ist aber unser amerikanischer Mitreisender, der einen kleinen Fotodrucker dabei hat und jedem Kind ein aktuell geschossenes Foto überreicht.







    Wir lernen noch ein bisschen Dorfleben kennen und gehen zu Fuß zu einem Café im Ort. Sinn davon ist zwei weitere Mitreisende zu treffen, die heute erst in Mekele eingetroffen sind. Die beiden sitzen schon da, dummerweise Dummschwätzer, besonders einer der beiden, beginnt jeden Satz mit “Hey, maaaaaan…” und hat so ein dämliches Dauergrinsen im Gesicht wie aus einem satirischen US-Comic. Der andere ist eine Mischung aus Naturbursche und Partylöwe und scheint immerhin etwas mehr Einfühlungsvermögen zu haben.


    An der Stelle spaltet sich die Gruppe innerhalb von Minuten. Während die amerikanischen Mitreisenden das ertragen oder vielleicht auch gerne mitmachen, Miss France sich denen anschließt und sogar ein Krausnäschen zieht und flirtet, wende ich mich meinen Landsleuten zu, die ebenfalls auf dem Rückzug sind, Miss Singapore pendelt so ein wenig zwischen beiden Polen hin und her, schließlich sitzt sie mit allen anderen, die nicht deutsch sind, in einem Auto.


    Nun ja, zunächst geht es noch sicher 2 Stunden über die geteerte Straße und ich habe mein Auto mit Gere für mich. Gere kennt kurz vor dem Abzweig auf die Piste genau die beiden Bäume, die bei den hier schon mehr als 40 Grad Schatten spenden für die Mittagspause. Die Köchin hat schon Nudeln und Gemüse vorbereitet, und direkt nach dem Essen geht es weiter.



    Miss France meint auf dem Dach sitzend weiter reisen zu müssen. Gere wird sehr streng und fordert den Fahrer des Autos mehrfach per Walkie Talkie auf sie sofort ins Auto zu holen. Nach 5 Minuten gehorcht er endlich und Gere ist wieder ruhig.


    Zunächst geht es über recht ordentliche Pisten durch Sand und zwischen kilometerweiten Lavafeldern hindurch. Nach einer Stunde sind wir bei einem Militärcamp aus Containern angekommen, in dem wieder die Suche nach dem lokalen Guide beginnt und wieder zwei Bewaffnete der Afar Police zusteigen. Es ist inzwischen brütend heiß, wieder um 45 Grad, und ich habe etwas Sorge, ob ich die knapp 10 Kilometer Wanderung zum Krater bei der Hitze schaffe.





    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Vor uns liegt eine abenteuerliche Fahrt zum “Basecamp”, quer über Lavafelder, teilweise steil und stufig wie Treppen. Hier hat das Fotografieren aus dem fahrenden Auto so gar keinen Sinn. Ich frage mich unterwegs, warum ich Eshetu nicht engagiere um mich in Erfurt in meinen vierten Stock zu fahren. Manchmal halte ich mir aus Spaß die Hände vor die Augen. Aber Eshetu, der selbst noch nie hier war, fährt wie der Teufel. Und Gere hat irgendwo ein paar Zweige Khat aufgetrieben und gibt mir ein paar Blätter zum Probieren, was ich aber zur Belustigung aller nach 2 Minuten angeekelt ausspucke.


    Es steigen aber zunächst im Militärcamp der Afar-Mann mit warmen, wachen und neugierigen Augen bei uns ein, ein schweigsamer “local Guide” (Gere: "Don’t expect him to speak english. Of course we know the way, but we have to accept him, because they need the business”) und zu meiner Verwunderung ein Kind, meiner Schätzung nach vielleicht 3 Jahre alt, aber angeblich schon fast 5 Jahre alt. Das ist das Alter, in dem Kinder in Äthiopien üblicherweise zu arbeiten beginnen. Und es ist offenbar das Alter, in dem Kinder sich allein auf Reisen machen.


    Niemand weiß, wie der kleine Mann vom Basecamp, in das wir nun fast 2 Stunden offroad fahren werden, hierher gekommen ist. Er sitzt erst wach, dann schlafend zwischen Gere und dem local Guide und reagiert nicht, sagt kein Wort, zeigt weder Angst noch Neugier, egal ob Gere versucht ihn ein bisschen zu provozieren, zu necken oder lieb mit ihm zu reden. Auch auf meine Handvoll für alle nach hinten gereichten Bonbons reagiert er nicht, nicht einmal, als Gere fragt, ob er nicht zu mir Ferenji “amasegenallu” (danke) sagen will. Kurz vor der Ankunft sagt Gere noch zu ihm, das sei gefährlich, was er gemacht habe, er solle es bitte nicht wieder tun. Und dann spricht der Kleine den einzigen Satz der Fahrt: “Ich werde es wieder machen” und wackelt davon. Ich habe ihn nicht wieder gesehen und auch nicht die Mutter, die angeblich hier im Basecamp lebt.


    Das Basecamp besteht aus einer Reihe einfacher Hütten, bei denen Steine zu Mauern aufgeschichtet wurden und eine Plane als Dach darüber gebreitet wurde. Toiletten? Lauf einfach 90 Sekunden dort hinten hin hinter die Bäume. Wir setzen uns in den Schatten. Die Köchin stellt uns Melone hin, die beiden amerikanischen Dummschwätzer schwatzen dumm, wir warten auf das Abendessen und alle packen ihre Sachen zusammen, die sie für die Nacht am Krater brauchen. Die Kamele werden beladen mit Matratzen, Decken und Wasser.



    Nach dem Abendessen (Suppe, Nudeln mit würziger Soße und Gemüse, Obst) geht es kurz vor Sonnenuntergang los. Jeder soll 2 bis 3 Liter Wasser mitnehmen und ein Tuch um die Ausdünstungen des Vulkans nicht direkt einzuatmen. Eshetu geht als einziger der Fahrer mit. Ich habe ihn gefragt bzw. fast darum gebeten. Er kennt den Vulkan noch nicht. Und während ich Ferenji in meinen knöchelhohen Wanderschuhen wieder 3 Flaschen Wasser, meine Stirnlampe und jede Menge unnützen Kleinkram mit mir herumtrage, steht das Naturkind kraftstrotzend in seinen stylischen Sneakern und mit einer angebrochenen Wasserflasche in der Hand und dem Handy in der Hosentasche schon da und will los. Taschenlampe? Ach wo, der Mond scheint doch! Gere tauscht Eshetus angebrochene Flasche gegen eine volle aus, und Eshetu geht mit Gere vorweg und erkennt den Weg, wo ich nur Felsen erkenne, die einer wie der andere aussehen.


    Der Weg ist knapp 10 Kilometer lang. Die Temperaturen sind übrigens wirklich gut auszuhalten. Es ist warm, aber nicht heiß, angeblich zwischen 25 und 30 Grad, es geht Wind, sodass niemand übermäßig ins Schwitzen kommt. Die ersten etwa 20 Minuten geht es etwas anstrengend durch Sand, dann geht es mehr oder weniger flach oder nur unmerklich ansteigend über felsigen Untergrund, erst die letzte vielleicht dreiviertel Stunde geht es merklich bergauf zum Kraterrand, insgesamt sind es wohl 600 Höhenmeter. Eigentlich braucht man 3 bis 3,5 Stunden. Aber da ich derzeit leider mal wieder Lebendhöchstgewicht aufweise und nicht sehr fit bin aufgrund von etlichen Infekten innerhalb des letzten halben Jahres darf ich das Tempo vorgeben. Wir brauchen länger und sind nach knapp 4 Stunden oben mit 4 oder 5 Pausen zwischendurch. Dass man irgendwann auf etwa halber Strecke einen feuerroten Lichtschein am nächtlichen Himmel sieht, motiviert jedoch ohne Ende, auch wenn es so aussieht, als ob es noch mindestens 20 Kilometer weit sei.


    Der Partylöwe-Dummschwätzer schwächelt mehr als ich. Offensichtlich hat er gestern Abend durchgesoffen und ist dann gleich ins Flugzeug gestiegen. Unsere Jüngste muss gekümmert werden. Sie ist gestürzt und hat eine kleine Schürfwunde an der Hand. Und ich bin irgendwie die Mama der Nation und darf Traubenzucker, Elektrolyte und Pflaster verteilen.


    Endlich sind wir oben in einem “Militärlager”. Dieses besteht aus vielen etwa 30 cm hoch mit aufgeschichteten Steinen abgeteilten Parzellen und einer Art erhöhtem Ausguck. Die Toiletten? Da hinten, geh einfach irgendwie in diese Richtung dort...


    Vor uns liegen nur noch ein paar Minuten, in denen wir erst abwärts in den Krater gehen und dann über erkaltete Lava bis zum Höllenschlund. Jede Müdigkeit ist in diesem Moment wie weggeblasen, es liegt eine angespannte und erwartungsvolle Stille über uns allen. Vor uns liegt roter Nebel, der aus dem Krater aufsteigt. Gere gibt sehr, sehr klare Anweisungen und zählt offenbar unablässig durch, ob noch alle da sind.


    Außer unserer Gruppe ist nur noch ein japanisches Paar unterwegs, das jedoch offenbar schon schläft. Die sind auch etwa 1 Stunde vor uns im Basecamp gestartet.


    Der Vulkan ist ein intensives Erlebnis für alle Sinne. Wir nähern uns vorsichtig der Kante und stehen direkt vor dem Tor zur Hölle. Die Lava ist rot-orange, beißende saure Dämpfe steigen auf und nehmen uns buchstäblich die Luft zum Atmen. Der Vulkan kann sich in verschiedenen Zuständen präsentieren, heute schauen wir in kochende Lava, nur leider liegt meistens Rauch darüber.


    Gere schießt los und sucht eine rauchfreie Stelle, an der man die vulkanische Aktivität sehen kann und findet eine. Er warnt vor den beißenden Dämpfen, die schwallweise aufsteigen und die Luft abschneiden. Er sagt Bescheid, wenn eine solche Wolke kommt. Dann sollen wir uns abwenden und nahe an den Boden kauern, dass die Dämpfe über uns hinwegziehen und ein Tuch vor Mund und Nase nehmen. Nicht rennen, den Gasen kann man ohnehin nicht entgehen und die Unfallgefahr ist auf der brüchigen, porösen, löchrigen Lava mit den scharfen Kanten groß.


    Mir bleibt aber vor allem von dem Anblick der Atem weg. Gelbe Linien schießen durch die Lava. Leider kann man es kaum fotografieren, selbst mit einer ordentlichen Kamera nicht. Ohnehin bin ich in diesem Moment so intensiv dabei, so fasziniert und aufgeregt, dass das Fotografieren sowieso keine Option ist für mich. Ich habe das Aufregendste erlebt, was die Erde zu bieten hat, ich kann aufhören zu reisen.


    Eshetu scheint es ähnlich zu gehen. Wir stehen ergriffen gemeinsam am Krater nur etwa einen Meter vor der Abbruchkante und starren in die unheimliche Tiefe und beobachten das krasse Schauspiel, das sich uns bietet. Er passt gut auf mich auf, fasst mich an der Hand, “careful, careful!” Mein Gott, in Deutschland würde man nie, nie, nie im Leben so nah herangehen dürfen!


    Ich wurde hinterher gefragt, ob es nicht unerträglich heiß dort war. Ich erinnere mich nicht, zu viel Input! Aber ich glaube, es war nicht heiß. Ich frage im Nachhinein zur Sicherheit Gere, warum es nicht heiß gewesen ist: Der Krater ist zu tief, die Hitze verflüchtigt sich, bis sie oben ist.







    Wir verlassen gemeinsam den Krater und gehen zurück zum Lager, wo inzwischen Matratzen und Decken ausgebreitet sind. Wir hauen uns hin, so wie wir sind, es wird mehr ein Nickerchen unter freiem Himmel als ein richtiger Nachtschlaf. Die Decke braucht man hier oben schon, denn bei etwa 20 Grad geht auch Wind, zu frisch, wenn man nur da liegt.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Hmmmm, ja, man kann auch eine individuelle Tour buchen und da sicher auch mehr Komfort dazubuchen. Allerdings ist das sicherlich teuer, weil man auch da sinnvollerweise mit mindestens 2 Fahrzeugen unterwegs ist, zum einen wegen der ganzen Ausrüstung, zum anderen um sich helfen zu können, wenn ein Fahrzeug im Sand stecken bleibt, was wohl gelegentlich vorkommt. Und Guide und Guards braucht man da ja auch...


    Und den Vulkanaufstieg kann man vermeiden, indem man ein Kamel bucht, das einen hochträgt.


    Ich könnte mir vorstellen, dass World Sun Ethiopia oder Muller das organisieren kann. Wenn du magst, schreibe ich Gere oder / und Muller mal und frage nach?

    Ja, es gibt Anbieter im Land, aber ich mute seit einigen Jahren keinem Tier mehr zu, mich irgend wohin zu tragen.
    Äthiopien eignet sich halt gut wenn nur 2 Wochen Zeit möglich sind, ich werde schon was zusammen basteln und komme gern auf Dein Angebot zurück, falls ich nicht weiter komme.

  • 28.5. Mehr Erta Ale und zurück nach Mekele


    Wecken ist um 4.30 Uhr. Wir gehen noch einmal zum Krater in der Hoffnung auf eine bessere Sicht hinein. Die drei Schwestern bleiben gleich liegen, der Party-Dummschwätzer und Miss Singapore drehen schon am Kraterrand um, worauf Gere ein wenig verzweifelt reagiert, kehrt macht und sich davon überzeugt, dass sie wieder angekommen sind, da verlässt er sich nicht auf die Info der anderen in der Gruppe. Das kapiere ich nicht: Da stolpert man nachts 10 Kilometer hier hoch, zahlt eine Menge Geld dafür, ist bei 45 Grad Hitze länger als 24 Stunden ungeduscht, um dann lieber noch eine halbe Stunde zu schlafen, obwohl man nur noch 5 Minuten Weg hat?


    Heute geht es mit dem Wind und dem Gestank. Man kann besser in die Lava schauen und auch die Ausdünstungen aus dem Höllenschlund halten sich in Grenzen. Wieder stehen Eshetu und ich gebannt Hand in Hand am Kraterrand. Toll ist auch zu beobachten, wie es langsam hell wird.








    Die Japaner haben offenbar einen weniger versierten Guide und Gere geht extra los um sie zu der Stelle zu holen, wo man viel sieht. Der Mann kommt in unsere Nähe, Eshetu greift zur Vorsicht auch nach seiner Hand. Wir erwarten, dass er ebenso verzückt und fasziniert wie wir in die Lava schaut. Er sagt “yes”, wirft einen kurzen Blick in den Krater und wendet sich nach einer Sekunde mit einem “Thank you” und einem höflichen Lächeln ab. Eshetu und ich können uns nur erstaunt und kopfschüttelnd ansehen.


    Leider ist die Zeit viel zu schnell vorbei. Gere drängt zum Aufbruch, damit wir wieder unten sind, bevor die große Hitze kommt. Er macht ziemlich Action mit dem Aufräumen und Zusammenräumen. Er nimmt gewissenhaft alle unsere leeren Wasserflaschen mit und auch alle anderen, die hier noch herumliegen und in den Müllsack passen. Es gibt für jeden noch einen halben Liter Mangosaft und ein Päckchen Kekse - Kohlenhydrate für den Abstieg - und eine Flasche Wasser für unterwegs. Und wir gehen um 6 Uhr runter, ich vorneweg mit Eshetu, der wieder einen Weg sieht, wo ich nur Steine vor Augen habe.




    Auch Eshetu bannt mich auf ein Selfie:





    Im Laufe des Weges werde ich langsamer. Erstens geht es nicht mehr so schön bergab, dann wird es wärmer, die letzten 20 Minuten durch den anstrengenden Sand in der schon ziemlichen Hitze werfen mich zurück, bis alle dann kurz nach 8 Uhr im Basecamp angekommen sind. Nach Kaffee, Pfannkuchen, Rührei und Obst ist wieder Action angesagt, alles wird verpackt, auch die Touristen, und wir fahren zurück zum Containerdorf und geben unsere Afar-Begleitung ab.


    Unterwegs neben der Piste ein LKW, der hat eine Panne. Sich hier in dieser lebensfeindlichen Umgebung zu helfen, ist eine Selbstverständlichkeit. Weil aber nicht immer Hilfe da ist, es keinen Handyempfang gibt, fährt man hierher normalerweise nicht allein, sondern immer im Konvoi. Die Jungs beraten sich, zwei von ihnen legen sich unter den LKW und zurren etwas fest. Da hat sich beim Fahren der Tank oder die Ölwanne locker gerüttelt und muss befestigt werden.


    Wir sind wieder auf Asphalt und fahren noch ein kurzes Stück in die “falsche” Richtung. Unser Ziel ist ein großer See mit einem Salzgehalt fast wie das Tote Meer. Vorher wird aber im Nachbardorf die Köchin abgeladen, die das MIttagessen vorbereitet.


    Am Salzsee sind wir alle erst einmal unentschlossen. Badesachen hat eigentlich niemand dabei. Auch steht ein Einheimischer da, der mit dem Handy fotobereit sehr, sehr interessiert wirkt an den Ferenji, die halbnackt ins Wasser steigen. Aber nach und nach macht jeder sich auf in das “kühle” Nass, das fast Badewannentemperatur hat. Ich lasse Leggings und Shirt an, alles andere wäre Peep-Show, und ähnlich machen es die meisten. Ich habe ja noch eine Garnitur frischer Sachen dabei.


    Um das Salz loszuwerden kann man in eine heiße Quelle direkt daneben gehen. Hier kann ich - wenn auch ohne Shampoo - Salz und Staub aus meinen Haaren waschen und hoffe, auch diese Vulkanausdünstungen, die sich offenbar in meinem Körper angesammelt haben, ebenfalls loszuwerden, aber natürlich verschwindet dieser sehr spezifische sauer-scharfe Vulkangeschmack nicht von meiner Zunge…


    In Holzverschlägen am See kann man sich umziehen. Und los geht es ein paar Minuten Fahrt ins nahe Dorf zum Essen. Nach 2 Tagen nur mit teewasserwarmem Wasser gibt es superluxuriös eine richtig kalte Coke, das zischt! Um mich herum nur glückliche Gesichter. Und superschnell trennen sich nach dem Essen unsere Wege. Einige von uns müssen heute noch von Mekele aus abfliegen, nur die beiden Dummschwätzer und ich bleiben in Mekele.




    Aber Gere bleibt uns noch bis Mekele erhalten. Er erklärt mir nochmals die Besonderheiten der äthiopischen Zeitrechnung: “You guys call it 7, we call it 1, you guys call it 12, we call it 6, and we are on the 2010, but you guys are 2018, so we are 8 years back. And we celebrate Ethiopian new year on the 11th or 12th September. It is too complicated, right?” Aber nach fast 2 Wochen in Äthiopien habe ich mich schon längst an die “falsch gehenden” Uhren gewöhnt und finde es auch cool, dass ich hier 8 Jahre jünger bin.


    Der Abschied ist herzlich, und im Hotel schicke ich ihm sofort das Selfie von ihm, Eshetu und mir.



    Und dann kommt der zweitbeste Luxus des heutigen Tages nach der Coke zum Mittag: Eine echte Dusche im Hotel mit gut duftendem Shampoo und Seife und eine Stunde auf dem komfortablen Bett!


    Die beiden vergangenen Tage haben aus Eshetu und mir Freunde gemacht, und so verabreden wir uns für abends zum Bier. Wir können zwar nicht viel miteinander reden, aber wir sehen gemeinsam unsere Fotos an.


    Ich bin völlig happy, es gibt nichts, was ich mir heute noch wünschen könnte! Lieber Gere, du hast einen riesengroßen Fan in mir gewonnen. Großen Respekt vor allem, was du bist und vor allem, was du machst!

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Ich habe es absolut nicht kapiert, warum die Japaner, die dann so desinteressiert waren und so ein große Teil unserer Gruppe so damit umgegangen ist. Für mich war es eine "Once in a Lifetime"-Geschichte, und nichts hätte mich davon abhalten können dort so viel Zeit wie möglich zu verbringen!

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Solche Menschen trifft man immer wieder. In Sri Lanka sind wir mit dem Guide ins Feld zu den Wasserbüffeln oder in den Hindutempel und die 5 Anderen sind nicht mal aus dem Jeep ausgestiegen.
    Am 2. Tag hat er sie gefragt wozu sie überhaupt in dieses Land gekommen sind, wenn sie null Interesse dran haben.


    Deine Fotos sind traumhaft vom Kraterrand!

  • Am 2. Tag hat er sie gefragt wozu sie überhaupt in dieses Land gekommen sind, wenn sie null Interesse dran haben.


    Mich würde mal die Antwort interessieren...


    In unserem Fall war es so, dass die 3 Mädels sehr zusammen hingen, die Jüngste hatte immer mal geschwächelt, sodass alle drei Schwestern dann eher zurück gesteckt hatten.


    Die Frau aus Singapur hatte immer ein Problem mit fiesen Gerüchen und der eine, der wohl lieber gefeiert hat als sich etwas anzusehen war einer von denen, die einfach nur mal dort gewesen sein wollten.


    Gere hat auf dem Rückweg aber auch gesagt, dass er das nicht versteht. Da habe man 364 Nächte im Jahr zum Schlafen und will es ausgerechnet in der Nacht auf unbequemen Matratzen auf Geröll tun...

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Hallo Maxi u. Inspired!
    Ich hab da auch mal so ein Erlebnis gehabt: Für mich gibt's nicht schöneres als eine Safari in Kenia, das ist für mich die schönste Art zu Reisen: Du wirst in einem Jeep ganz langsam durch die herrliche Natur kutschiert und stehst im Auto und kannst gar nicht fassen was Du da alles siehst. Und ich denk mir jedes Mal ich muss das alles in mich einsaugen, weil ich nicht weiß wann ich das wieder erleben darf bzw. kann. Ich steh da fast den ganzen Tag im Auto, außer wir machen mal Kilometer und fahren schneller. Aber da hatten wir mal eine Ehepaar im Jeep, die sind hinten im Auto gesessen, sind nie aufgestanden, haben geschlafen, eine hat sogar mal ein Buch gelesen während der Fahrt ?(
    LG Quaxi

  • So etwas haben wir heuer auch auf Borneo erlebt. Ein Vater mit seinen Kids fährt extra mit dem Boot auf dem Kinabatangan in eine Safari-Lodge und nimmt dann an keiner einzigen teil. Zu was der Aufwand?


    Japaner haben auf dem Golfplatz dem Ball abgeschlagen und sind ihm dann hinterher "gelaufen" :rolleyes: . Das ganze an einem wunderschönen Platz auf Mauritius (mit vielen exotischen Blumen und Springbrunnen). Die haben uns sogar noch überrundet!


    LG
    gudi ;)

    Einmal sehen ist mehr Wert, als hundert Neuigkeiten hören.
    (Japanisches Sprichwort)



  • Ach, in gewisser Weise habe ich schon Verständnis, wenn mal unterwegs die Luft raus ist, und ich bin auf langen Fahrten in Äthiopien auch schon 1- 2-mal unterwegs eingepennt.


    Aber wenn man es mal beobachtet: Bei einigen ist es echt Gleichgültigkeit!

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • 29.5. Nach Lalibela


    Beim Frühstück genieße ich noch einmal das Internet, das ich nun 2 Tage lang nicht hatte. Nicht zu fassen, wie sehr ich mich in den letzten Jahren davon abhängig gemacht habe. Umso besser, dass es hier einfach nicht immer verfügbar ist. An so ziemlich allen Orten gibt es gute und schlechte Zeiten und Tageszeiten, zu denen im Hotel WLAN zur Verfügung steht. Und mein GlocalMe funktioniert hier auch nicht. Gut, dass es noch so geht ohne jede Minute online zu sein...


    Die Fahrt ist lang. Wir werden nahezu den ganzen Tag unterwegs sein. Auf der Fahrt werde ich ganz still und bin so froh, dass ich so unsagbar Schönes erleben darf, dass ich aus einem Land komme, in dem ich mir das Reisen leisten kann, dass mein Pass einer der mächtigsten Pässe der Welt ist und mir das Reisen in so viele Länder problemlos ermöglicht. Eine tiefe Dankbarkeit breitet sich in mir aus. Eshetu, so still er auch oft ist, scheint das zu spüren und dreht die Musik zwischendurch nicht ganz so laut auf. Dass mir zwischendurch immer noch von Ergriffenheit über die Erlebnisse der letzten Tage die Tränen laufen, bekommt er jedoch nicht mit...


    Zwischendurch eine Kaffeepause in einem kleineren Ort. Hier gibt es den Kaffee, wie es sich gehört mit Weihrauch dazu und mit Gras auf dem Boden.


    Das Kaffeetrinken ist ohnehin hier im Land von großer sozialer Bedeutung. Man besucht sich gegenseitig, der Kaffee wird nach bestimmten Regeln zubereitet und nach bestimmten Regeln getrunken. Ausreichend Zeit, Grashalme, Weihrauch und die typische Kanne gehören immer dazu, oft wird Popcorn dazu gereicht. Übrigens gehört der Weihrauch selbst im Café im Terminal eines Provinzflughafens dazu.


    Und so besucht man sich in seiner festen Kaffeerunde in den Dörfern reihum und trinkt überall Kaffee, bespricht die großen und kleinen Probleme des Alltags. Und so wird das Kaffeetrinken quasi zum Therapieersatz und zur Selbsthilfegruppe.





    Die Landschaft wird grüner, doch leider ist es ziemlich diesig. Wir fahren durch sehr ländliche Gegend, besonders auf der letzten Stunde fahren wir durch Dörfer. Kinder laufen neben dem Auto her. Mein Gott, wie die rennen können! Der eine oder andere wird dann vielleicht der nächste berühmte Langstreckenläufer. Ich kann meine Amharisch-Kenntnisse aufpeppen: “Caramella” (Bonbon) und “Scribito” (Kugelschreiber) werden verlangt und natürlich “money”, aber ich bleibe hart.


    Auch Kinder der Dritten Welt sollen zur Schule gehen und nicht so früh schon lernen, dass man anders ein bequemes Leben haben kann. Und so finde ich es wichtiger vertrauenswürdige Organisationen vor Ort zu unterstützen, die dafür sorgen, dass die Spende dort landet, wo sie hilfreich ist. Übrigens führt auch Muller einen gewissen Prozentsatz seines Gewinns an ein Dorf in den Simien Mountains ab um die dortige Schule zu unterstützen. Das finde ich großartig und unterstützenswert. Leider habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden mich dort dranzuhängen, außer mit sehr teuren Überweisungen aus dem Ausland ist da leider derzeit nichts möglich.







    Und da wir gerade bei schwierigen Themen sind: Nicht, dass bei meinen schwärmerischen Beschreibungen der Eindruck entsteht, dass Äthiopien das bisher unentdeckte Paradies ist. Natürlich hat das Land Probleme.


    In so manchem Dorf liegen bergeweise Plastikflaschen, die mit Sicherheit nicht fachkundig entsorgt werden. Am Erta Ale warf einer der Einheimischen vor unser aller Augen seine leere Flasche in hohem Bogen in die Landschaft, und auch Eshetu ließ das eine oder andere Mal sein Bonbonpapier aus dem Fenster flattern.


    Laut Statista konnte 2015 etwa die Hälfte der Erwachsenen Äthiopier nicht lesen und schreiben, während mir andererseits so strebsame und gebildete Menschen begegnet sind, und eine gute Arbeitsstelle nach deren Auskunft auch für Gebildete nicht selbstverständlich ist.


    Das Land hat ein riesengroßes Trinkwasserproblem. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, und der Tourist (auch ich) mosert, wenn mal kein ausreichender Wasserdruck auf der Leitung liegt.


    Dürre, Wasserknappheit, Armut, Bettelei, Hunger, Krankheiten sind keine Themen, mit denen man sich gerne konfrontiert sieht, aber dennoch sind sie hier Realität und können und dürfen nicht ignoriert werden und dürfen gerne auch hier ihren Platz haben. Dennoch sind sie nicht das ganze Land, auch wenn diese Themen das Bild vieler von diesem Land prägen.


    Das Land braucht - wie so viele Entwicklungsländer - das Geld, das unter anderem auch Touristen ins Land bringen, und die Menschen vor Ort brauchen auch Geld. Daher ist mir schon klar, dass ich für den einen oder anderen ein ATM auf zwei Beinen bin, dass ich mit Sicherheit nahezu durchgehend Preise genannt bekomme, die um ein Vielfaches höher sind als ein Einheimischer sie zahlt. Und natürlich ist das anstrengend sich immer wieder Gedanken machen zu müssen, ob ich hier oder da genügend oder unangemessen viel Trinkgeld gegeben oder für etwas zu viel bezahlt habe. Aber immerhin kann ich mir durch meinen Reisestil und meine Reiseorganisation ein “hasslefreies” Reisen ermöglichen und mich somit voll auf das Land einlassen, es in mich aufsaugen und aus vollem Herzen ein gutes Wort für das Land einlegen um andere zu ermutigen es ebenfalls zu besuchen, sodass dem Land auch dadurch wieder etwas Gutes getan wird.


    Meine persönliche Meinung: Unterstütze ich lokale Unternehmer statt großer deutscher Reiseveranstalter, gebe ich im Land mein Geld aus, zudem deutlich weniger als wenn ich die großen deutschen Agenturen beauftrage. Lasse ich mich einerseits nicht übers Ohr hauen und setze mein Geld so ein, dass es mir das bestmögliche Reiseerlebnis gibt und möglichst viel von dem Geld, das es mich kostet, ins Land bringt, entsteht eine Win-Win-Situation. Danach handele ich seit Jahren, egal, ob es um Asien, die Karibik oder jetzt auch Äthiopien geht. Und wieder mal bin ich gut damit gefahren! Voraussetzung ist natürlich eine vernünftige Recherche, damit ich auch Qualität bekomme und nicht vor Ort im Stich gelassen werde.


    Und mit diesen Überlegungen komme ich in Lalibela an. Das Hotel Tukul Village liegt an einer Straße, wo es ein paar wenige Restaurants und sogar eine nette Kneipe gibt, etliche Souvenirshops. Ich gehe ein wenig durch den Ort und kaufe weiße Webschals als Souvenirs.


    Bei meiner Rückkehr zum Hotel sitzt Eshetu dort und bei ihm der Guide Masresha, der mir morgen Lalibela zeigen wird. Das Restaurant des Hotels ist laut Masresha gut. Ich bestelle mir etwas zu essen und lade ihn und Eshetu zu einem Bier ein, aber Masresha will kein Bier und geht nach Hause. Eshetu und ich sitzen einträchtig einander gegenüber. Das Essen hier ist wirklich super, das Internet gut. Was will ich mehr?

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)