Von Genua nach Colombo - eine Seereise

  • Hallo,
    trüber Dezembertag im Mittelmeer. Seegang. Ein schwarzer Kohlenhaufen steht dampfend im Meer - der Stromboli. Das Schiff fährt dicht daran vorbei.


    So beginnt ein Buch mit dem Titel Erlebnis Indien von Walter Mangelsdorf.


    Weiter schreibt er: Noch zwei Tage Seekrankheit, und dann schaukelt das Schiff nicht mehr im Blauen, sondern schwimmt ruhig in der gelben Schlammsuppe des Nils.


    Zwei Seiten später: Zwei Tage später werden die "Apostel" passiert, zwölf Vulkaninseln. Schwarz liegen die gewaltigen Lava-Abfallhaufen im Meer; sie sind gänzlich unbewohnt. Dann kommt die Insel Perim in Sicht, Englands Pförtnerloge in der Straße Bab el Mandeb, und wir passieren das "Tor der Tränen" in der Nacht bei lautem Bordfest und abscheulicher Musik.


    Siebzehn Tage sind wir schon auf See. Ich vertreibe die Langeweile der Bordhaft mit Pali-Studien, der alten Sprache des Buddhismus. Eine wirkliche Freude ist das allmorgendliche Wannenbad im Aquamarinblau - fürs Auge wohltätiger als fürs Herz.


    Angekommen in Colombo, damals noch Ceylon ging die Reise dann nach Ratnapura, Kurumba, Kandy, Trincomali bis nach Anuradhapura, denn von dort führte der Weg nach Südindien: Madura, Trichinopoli, Tandschur, Madras. Von Madras ging die Fahrt dann Ende Januar mit einem Schiff der P.& O. Steamers weiter nach Kalkutta.


    26. Januar früh. Wir schwimmen in einer Erbsensuppe in halber Fahrt. Es ist das gelbe Wasser der Gangesmündung, und dieser Arm des Deltas ist der Hugli. Halb zwölf werden die gefährlichen Sandbänke passiert. Das Schiff läuft langsam im Zickzack, es wird andauernd gelotet und schon seit Stunden ruft der Matrose die Lotzahlen aus, fifteen, sixteen, fifteen...


    Weiter schreibt Walter Mangelsdorf: Beinahe wären wir festgefahren! Dies ist das böseste Mündungswasser der Welt und seine Lotsenschaft die höchstbezahlte.


    Im Buch werden dann die nächsten Stationen beschrieben, die Fahrt in den Himalaya, Buddha Gaya, Benares, Sarnath, Allahabad, Taj i Mahal, Agra, Fatjpur Sikri, bei dieser Besichtigung schreibt der Autor:


    Unsere Kräfte sind fast am Ende, aber rechtes Reisen ist nun mal eine Aufgabe - also frisch voran!


    Von Agra geht es dann in 24 Stunden mit dem Expresszug nach Bombay:


    In Bombay sind schwere Unruhen ausgebrochen. Die Spinnereien streiken. Hundervierzig Tote sind in den Straßenkämpfen geblieben, das Militär hat eingegriffen und die Blacktown ist leider gesperrt - so werden wir Bombay kaum zu sehen bekommen. Wie wohnen im Taj Mahal Hotel, dem größten Asiens und dem mit dem albernsten Namen.


    Der Besuch der Insel Elefanta und bis heute hat sich nichts geändert, denn auch ich wurde sehr viele Jahre später genauso wieder an Board gepfiffen wie damals Walter Mangelsdorf:


    Souverän thront dort eine Gottheit in der Felsennische - ich will nicht ihren Namen wissen, ich will nur etwas von der hoheitsvollen Ruhe ihres Samandhi in mein unruhiges Reise-Cittam einströmen lassen... Doch da tutet das Riesenschiff seine Häftlinge an Board zurück! Das Souper wartet. One hour only - sie haben gerade Zeit zum Knipsen gehabt. So wird die Welt im schweren Kasten aufgefangen, und die Camara obscura des Gehirns bleibt leer.


    Mit der Peninsular & Orient Linie geht dann die Reise zurück nach Genua. Es ist ein Postschiff!


    Wir haben die letzte Kabine des überfüllten Schiffes bekommen.


    In Aden wird Kohle nachgeschaufelt:


    Kaum ist der letzte Kohlenträger von Board, so läuft das Schiff auch schon in voller Fahrt durch die Mondnacht, der Straße von Bab el Mandeb zu. Keine Minute hat der Captain verloren, die Kohlenprämie treibt ihn voran. Je niedriger der Kohlenverbrauch, desto höher ist sein Provision - hier dreht sich alles um Kohle.


    Später nachdem das Schiff den Kanal von Suez passiert hat, die Enge von Messina und wieder am Stromboli vorbeigefahren ist, dann kommt noch einmal der Scirocco:


    Der Scirocco kommt von Süden herauf, und nun heben die Wellenberge von Steuerboard den eisernen Koloss, rollen seitlich unter ihm weg und hinterlassen Verzweiflung an Board. Noch liegt man an Deck in frischer Luft, wenn auch in Sterbensstimmung, doch nur so lange, bis eine Rutschpartie gegen die Reling den weiteren Aufenthalt im Freien unmöglich macht. Zwei indische Stewards waren auf allen Vieren herangekrochen, die Lady zur Tür zu bringen. Jetzt liegen wir eingekerkert im Kabinenraum, der sich mit jeder neuen Welle für Sekunden vollständig verdunkelt.


    Ich höre jetzt mal auf von dieser Reise zu erzählen. Sie fand im Jahr 1929 bis 1930 statt. Die Hinreise erfolgte mit der "Trier" von Nordlloyd.


    Das Buch ist nur noch als Antiquariat zu erhalten. Ich habe es schon lange und lese immer wieder gerne darin, denn Walter Mangelsdorf ist mein Großonkel müttlerlicherseits. :thumbsup:


    Viele Grüße
    Petra

  • Unsere Kräfte sind fast am Ende, aber rechtes Reisen ist nun mal eine Aufgabe - also frisch voran!

    Tolles Zitat!!!!