Was bedeutet für Euch Heimat?

  • Ich glaube, dewegen hat Erhard auch gefragt, woran ihr beim Wort Heimat denkt, da haben halt viele andere Assoziationen. :)

    Genau, es sind auch einfach oft nur Geräusche, Gerüche, Nachbarn die man fast sein ganzes Leben kennt oder eine Aussicht die man Jahrzehnte kennt und die sich nie verändert hat. Das ist für mich auch Heimat.

  • Ist zwar schon etwas älter das Thema aber ich denke, mehr Meinungen sind hier sicher willkommen.

    Heimat ist für mich etwas Vielschichtiges.


    Es ist die Stadt Berlin, der Stadtteil Pankow in der/dem ich aufgewachsen bin.

    Es ist etwas Materielles, das ich sehen, hören, riechen oder schmecken kann.

    Die Menschen die dort wohnen, die Sprachen und Dialekte, der Anblick des roten Gebäudes, der Alten Pfarrkirche, der Geruch von Currywurst und Döner und ja, auch der Geruch von Nikotin und Urin in der U-Bahn Sonntags Morgens um 5 Uhr gehört irgendwo auch dazu.


    Es ist immaterielles, das ich höchstens fühlen kann oder weiß, dass es da ist.

    Das wissen das ich mit der Mehrheit der Menschen, die mich Umgeben Wertvorstellungen teile.

    Große, ganz wichtige wie das Menschenbild: Würde, Gleichberechtigung, Toleranz, Respekt und Güte.

    Kleine weniger wichtige wie die ein oder andere Anstandsregel und manche Traditionen oder Rituale. Die Sicherheit so akzeptiert zu werden wie ich bin, die Gewissheit sich nicht erklären zu müssen.


    Vieles davon habe ich natürlich nicht nur in Berlin, sondern auch in Mannheim.

    Trotzdem ist Mannheim, obwohl es mittlerweile seit über 3 Jahren mein zu Hause ist, nicht meine Heimat.


    Der entscheidende Teil sind hier für mich Kindheitserinnerungen.

    Die Erinnerung bzw. der Gedanke an meine Familie, meine Schul- und Kindheitsfreund*innen.

    Solche Sachen wie dass gewisse Snacks oder gewisses Essen aus der Kindheit immer geil bleiben egal wie ungesund sie sind (wie etwa Pommes im Schwimmbad oder Capri sonne).


    Das einzige, was an dieses Gefühl von Heimat rankommt ist meine Studienzeit, die vor allem durch alle jene welche meine WG mit mir bewohnt haben so intensiv und liebenswert gewesen ist. Wenn ich die Wahl hätte wieder in Berlin zu wohnen oder woanders in Deutschland, aber dafür würden alle meine WG Mitbewohner*innen in der Nachbarschaft wohnen würden mir das wirklich schwerfallen, mich zu entscheiden.

  • Interessantes Thema, danke für Hochholen!


    Ich kann mich, wenn ich so drüber nachdenke, bei den Kindheitserinnerungen anschließen. Ich würde das mal mehr oder weniger auf das Grundschulalter eingrenzen. Damals wusste ich zwar schon, dass es mehr zu sehen und erleben gibt als meine festgefügte Welt. Aber jemals woanders zu leben, nicht mehr als Kind in der Familie umsorgt zu werden, mich nicht mehr mit meinen damaligen Freundinnen zu treffen, hätte ich mir da nicht vorstellen können. Ich glaube, Heimat ist deshalb für mich auch ein Stück Nostalgie, ein Ort, der in die Vergangenheit reicht mit all seinen Menschen und Erlebnissen und der so gar nicht mehr existiert und vielleicht auch nie existiert hat.

  • Mir bedeutet es viel, Wiener zu sein, ich bin aber nicht stolz drauf. Denn stolz kann man nur auf etwas sein, was man durch eigene Leistungen erreicht hat. Stolz bin ich, einen Marathon gelaufen zu sein, einen Preis in einem Fotowettbewerb gewonnen zu haben oder meine Wohnung so eingerichtet zu haben, dass ein Wohnmagazin einen Artikel drüber geschrieben hat.


    Und ganz wichtig: Meine Heimatliebe bedeutet NICHT, dass ich glaube, was Besseres zu sein als ein Tiroler, Kärntner, Türke, Syrer... Es ist mir ein Bedürfnis, das zu schreiben, denn der Begriff "Heimat" wird heute sehr oft im nationalistisch-patriotischen Kontext verwendet, und das ist mir ein Gräuel.


    Da wollte ich noch was dazu schreiben, denn das finde ich ganz wichtig und sehr schön gesagt!

    Mir geht das auch so.
    Ich würde sagen, dass ich glücklich oder froh bin Berlinerin zu sein.
    Ich bin froh, dass ich in einem so freien, demokratischen und vielschichtigem Land wohne.
    Es erfüllt mich mit Sorge das wir heute wieder eine Partei deren Mitglieder antidemokratische, verfassungsfeindliche und vor allem absolut menschenverachtende Ansichten vertreten in unsere Parlamente wählen.

    Es erfüllt mich auch mit Sorge, wenn Politiker einen Maulkorb für die Zivilgesellschaft fordern. Aber was da auch falsch läuft, das entscheidende läuft richtig, den wir dürfen darüber reden, schreiben, auf die Straße gehen. Ich weiß aber, dass das nicht selbstverständlich ist. Daher ist mir das sehr wichtig.

    Ich finde es auch Schade, dass der Begriff Heimat so sehr von der politischen rechten geprägt wird in den letzten Jahren. Und da vor allem Bilder gezeichnet werden, die überhaupt nicht real sind.

    Stolz bin ich hingegen auf eigene erbrachte Leistungen.

    Interessantes Thema, danke für Hochholen!


    Ich kann mich, wenn ich so drüber nachdenke, bei den Kindheitserinnerungen anschließen. Ich würde das mal mehr oder weniger auf das Grundschulalter eingrenzen. Damals wusste ich zwar schon, dass es mehr zu sehen und erleben gibt als meine festgefügte Welt. Aber jemals woanders zu leben, nicht mehr als Kind in der Familie umsorgt zu werden, mich nicht mehr mit meinen damaligen Freundinnen zu treffen, hätte ich mir da nicht vorstellen können. Ich glaube, Heimat ist deshalb für mich auch ein Stück Nostalgie, ein Ort, der in die Vergangenheit reicht mit all seinen Menschen und Erlebnissen und der so gar nicht mehr existiert und vielleicht auch nie existiert hat.


    Da sagst du was Wichtiges auch. Ich bin auch davon überzeugt, dass unsere Kindheitserinnerungen in der Regel ins Positive (manchmal auch ins Negative) verzerrt sind. Irgendwo habe ich mal gehört, dass wir unsere Kindheit immer besser oder schlechter in Erinnerung behalten als sie war.
    Ich würde, dass aber nicht nur auf das Grundschulalter eingrenzen bei mir. Meine Kindheit hat da in jedem Fall eine große Rolle gespielt. Ich bin dafür vor allem meinen Eltern Dankbar, dass ich so eine emotional stabile Person geworden bin die einen guten moralischen Kompass hat und den Mut hat ihren Leidenschaften voll nachzugehen. Trotzdem habe ich irgendwie kaum Erinnerungen an Momente mit meinen Eltern, wo ich heute sagen würde, die waren jetzt entscheidend für meine Erziehung. Aber ich erinnere mich an die Pommes im Freibad, bin mir aber sicher, dass die nur in meiner Erinnerung so gut schmecken. :D
    Meine Zeit als jugendliche hat mich dann aber doch auch sehr geprägt, ich habe angefangen das Berliner Nachtleben zu erkunden, Musik zu entdecken, auf Demos zu gehen, später im Studium hab ich dann selber geholfen Demos zu organisieren.