Ethiopia – Land of Origins

  • Wie schön Biniyam wieder zu "treffen".


    Ich denke, du hast Harar ebenso genossen wie ich, oder?

    Harar werde ich sicher nicht mehr vergessen. Jetzt benötige ich noch die letzten Infos und Fotos/Videos von Muller für den letzten Bericht, dann kann ich ihn online stellen.

  • 31. März bis 01. April 2019 – Harar, Dire Dawa nach Addis und Abreise

    Meine Taschen und Rucksäcke sind gepackt und ich warte in der Lobby auf die Abfahrt. Am Vorabend habe ich von Muller erfahren, mein Flug nach Addis Abeba startet drei Stunden später. So bleibt für Harar und Umgebung genügend Zeit. Binyam erscheint pünktlich, mein Gepäck wird in den Wagen geladen und auf geht es in Richtung Aweday zum größten Khatmarkt des Landes. Es ist etwas kompliziert aus Harar herauszukommen. Wegen eines Sportevents ist die Hauptstraße abgesperrt.


    In Aweday hält unser Fahrer in einer Seitenstraße. Binyam nimmt mich mit auf den lokalen Khatmarkt, auf dem ein reges Treiben herrscht. Hier dreht sich alles um den Handel mit dieser Droge. Unüberschaubare Mengen von Khat in den unterschiedlichsten Qualitäten und Abpackungen werden angeboten, begutachtet und gehandelt. An anderer Stelle werden Trucks mit Säcken voller Khat beladen. Das Klima in dieser Gegend und der passende Boden sorgen dafür, dass hier das beste Khat des Landes gedeiht. Es kann mehrmals im Jahr geerntet werden. Hier geerntetes Khat gelangt mittels Flugzeug auch nach Europa.










    Aus altem Fahrzeugteilen geschmiedetes Werkzeug.


    Als einziger Ferenji weit und breit errege ich Aufsehen. Insbesondere die Kinder sind ganz vernarrt in mich. Überall wird an meinen Armen und Händen gezogen, gefasst und gezupft. Ein Knirps ergreift meine rechte Hand und begleitet mich 20 Meter mit einem Blick, stolz wie Bolle. Binyam ist hier nur am Grüßen. Jeder scheint ihn zu kennen. Auch im Jugol gestern war es nicht anders. Ich frage Binyam, ob man als Ferenji hier auch ohne seine Begleitung sicher wäre. Das wäre kein Problem, antwortet er. Mit Binyam an meiner Seite fühle ich mich aber deutlich wohler.


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    Auf der Hauptstraße sind eine Unmenge Kinder und Teenager unterwegs, die alle nach Harar wollen zum Spiel dort. Jeder sucht nach einer Gelegenheit irgendwie auf oder in ein Fahrzeug Richtung Harar zu kommen. Trucks in dieser Richtung werden regelrecht geentert. Die Kids sitzen oben auf der Ladung oder halten sich außen hängend irgendwo fest. Binyam und der Fahrer verschließen von innen die Fahrzeugtüren. Denn wir fahren zurück nach Harar. Binyam möchte sich dort von mir verabschieden. Wir haben Telefonnummern getauscht und wollen in Kontakt bleiben. Machs gut Binyam. Er bleibt danach in Harar und mein Fahrer bringt mich zum Flughafen.


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    Wir haben uns auf Mittagessen in Dire Dawa geeinigt. Wieder in Aweday steigt noch ein Bekannter vom Fahrer zu. Ich werde gefragt, ob ich lieber international essen möchte oder lokal. Selbstverständlich lokal und das so lokal wie möglich, schließlich bin ich HIER zu Gast. Schnitzel oder Pizza kann ich in Deutschland essen.


    Wir halten an einem Straßenlokal, in dem ich auch die erste und einzige Menükarte sehe, die ausschließlich in äthiopischer Schrift verfasst ist. Hier scheinen demnach keine Touristen hinzukommen. Das ist dann also wirklich lokal. Wir einigen uns auf ein Injeragericht mit Gemüse und verschiedenen Soßen. Dann wird gemeinsam vom großen Teller, wie hier üblich mit der Hand gegessen.


    Wenig später bin ich am Flughafen. Davor dreht mein Chauffeur noch eine Runde vor dem ehemaligen Bahnhofsgebäude der alten Eisenbahnlinie von der Hauptstadt noch Djibuti. Wir verabschieden uns lächelnd, dann rolle ich mein Gepäck in den Airport und freue mich auf ein Wiedersehen mit Muller.





    Der Flieger geht um 16.00 Uhr. Muller hat mich bereits informiert, dass ich vom Hotel Eliana mit dem Shuttlebus abgeholt werde. Wie gewöhnlich, geht das Ausladen des Gepäcks Ruck Zuck. Meines kommt fast als erstes auf dem Band angefahren. Der Shuttlebus ist da und der Fahrer hält ein Schild mit meinen Namen. Da es Sonntag ist, sind die Straßen mal nicht verstopft. Unterwegs bekommt der Fahrer einen Anruf. Muller möchte vom Fahrer sicher wissen, ob alles geklappt hat. Der reicht mir das Telefon und mein Muller ist dran. Hallo, ja, alles ist gut, ich freue mich schon, bis gleich. Muller fragt, ob ich bis 18.30 Uhr unternehmungsbereit bin. Ja, das bekomme ich hin. 45 Minuten müssten reichen. Schnell eingecheckt, geduscht und umgezogen. Dennoch bin ich fünf Minuten zu spät in der Lobby. Fünf Minuten vor der Zeit oder auch just in time sind in Ordnung. Aber verspäten, so was mag ich gar nicht. Muller ist schon da. Strahlend fallen wir uns in die Arme. Erste Frage an mich, wie war der Trip. Mensch Muller, was soll ich sagen. Überwältigend, einfach nur überwältigend. Dann will er auch noch wissen, was mir nicht gefallen hat, außer die Geschichte mit dem Hotelzimmer in Harar. Mir fällt echt nichts ein, das erwähnenswert wäre. Das Nationalmuseum bekomme ich wegen des späteren Fluges nun doch nicht mehr zu sehen. Lucy kann ich also nicht Hallo sagen.


    Muller will heute zum zweiten Traditionsclub in Addis, dem Yod Abyssinia. Unterwegs werde ich wieder an die großen Gegensätze im Land erinnert. Junge, chic gekleidete Menschen mit großen Smartphones, die besser gestylt sind als man selbst und dann die bittere Armut und das Elend der Menschen, die gar nichts haben, dem Khat verfallen oder krank sind oder sonst keine Möglichkeit zu einem eigenen Einkommen zu haben und betteln müssen. Am Straßenrand fast auf der Fahrbahn liegt ein Mensch, der offenbar schläft. Seine Füße nur maximal 50 cm vom rollenden Verkehr entfernt.


    Das Yod Abyssinia ist nicht komplett gefüllt. Weil Sonntagabend ist, sind ein Drittel der Plätze leer. Außer mir sind noch einige andere Touristen anwesend. Die Musiker auf der Bühne spielen. Wir setzen uns, bekommen die Karte, einigen uns auf ein gemeinsames Injeragericht mit Soßen und Gemüse. Ja, schon wieder. Muller ist ein Injerafan, hat er mir schon am Anfang des Urlaubs gestanden. Früh, mittags und abends Injera ist kein Problem für ihn. Und meine letzte Mahlzeit auf Äthiopisch muss natürlich etwas Landestypisches sein. Dazu ein, zwei leckere Bier, was will man mehr.





    Auf der Bühne wird gesungen und getanzt. Die Tänzerinnen und Tänzer haben ständig andere Sachen an und Muller erklärt mir anhand der getragenen Gewänder, welche Region im Land gerade repräsentiert wird und welche Symbolik dahintersteht. Natürlich darf auch das Mitmachen nicht fehlen. Ein kleines Mädchen lässt sich auf die Bühne locken und tanzt so was von toll, dass alle im Lokal gerührt sind. Ihr Applaus ist beträchtlich. Auch andere Einheimische von jung bis alt, ob auf der Bühne oder davor inmitten der Tische machen ihre Sache gut. Ein Sänger ist nämlich von der Bühne ins Publikum gekommen und fordert zum Mitmachen auf. Einige Touristen erwischt es, sie dürfen zeigen, was sie können. Einer aus dem hinteren Bereich im Club macht es sogar echt passabel. Zwei ältere Herren von ganz vorn machen … nun ja, sagen wir eine nicht ganz so gute Figur. Ich bin wieder heilfroh, dass ich verschont wurde.


    Muller sagt, ich bin eingeladen und übernimmt die Rechnung. Dann brechen wir auf. Er bringt mich ins Eliana und dann heißt es sehr schweren Herzens Abschied nehmen. Selbst jetzt, als ich diese Zeilen tippe, ist es sofort wieder da, dieses Gefühl von Abschied in den Augen. Mensch Muller, ich hoffe wir sehen uns noch einmal wieder. Vielleicht bei einer Reise in den Westen und Süden dieses schönen Landes mit seinen wunderbaren, höflichen und gastfreundlichen Menschen. Am nächsten Morgen werden wir uns nicht mehr sehen. Der Hotelshuttle wird mich zum Airport bringen. Muller mach´s gut und bleib gesund, auf ein Wiedersehen. Wir umarmen uns ein letztes Mal. Traurig im Herzen fahre ich mit dem Lift auf mein Zimmer.


    Am nächsten Morgen ein letztes Frühstück, ein vorletzter Buna und dann ist er da der Shuttlebus. Am Flughafen bereits im Transitbereich genieße ich den allerletzten Buna, bevor es zum Gate geht, wo um 11.30 Uhr etwas verspätet mein Flieger nach Europa startet und ich Afrika verlasse. Bereits jetzt mit dem unbedingten Wunsch wiederzukommen, wenn es mir noch möglich sein sollte.

    ***** Ende des Berichts

  • Boah, auf diesen letzten Tag (mit dem Khatmarkt) bin ich neidisch!


    Nein, er sei dir von Herzen gegönnt!


    Ich glaube, dir erging es mit dem Abschiedsschmerz ganz ähnlich wie mir, stimmt's?


    Es ist toll, dass du den Reisebericht geschrieben hast. Ich danke dir sehr dafür!

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Der Abschiedschmerz resultiert sicher auch daher, weil als Individualreisender die Reise so eine intensive Erfahrung war und Äthiopien als Reiseland touristisch noch nicht so überlaufen ist. Man ist viel näher an den Menschen dran - auch an den Guides usw. - und hat nicht das Gefühl einer Volklorevorführung beizuwohnen, sondern etwas zu sehen was ECHT ist. Eben anders als Cluburlaub All inclusive mit Ausflügen in überlaufene Touristenfallen.

  • Nun ja, die individuelle Reiseart ist ja ohnehin etwas völlig anderes als sich irgendwo abgeschirmt an einen Strand zu legen.


    Mich haben in Äthiopien die strebsamen, fürsorglichen, charaktervollen Menschen so absolut geflasht.


    Nach der Rückkehr hatte ich den ersten Kulturschock meines Lebens, interessanterweise tatsächlich bei der Ankunft in Deutschland, wo alles so sortiert und nüchtern war.


    Mir ist es übrigens dieses Mal mit Indien ebenso gegangen. Ich war vollständig eingetaucht. Deshalb fällt es mir auch im Moment noch etwas schwer über deinen/Mullers Vorschlag mit dem gemeinsamen Trip in den Süden nachzudenken. Auch hier muss mein Geist erst einmal dem Körper wieder hinterherkommen.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Sehr schöne Berichte! Gefallen mir... Viele Sachen habe ich auch so oder so ähnlich erlebt, manche aber auch komplett anders. Äthiopien ist in der Tat ein faszinierendes Land und bietet so viel an Landschaften, alter Kultur, an verschiedenen Ethnien und Tier- und Pflanzenwelt. Aber das Leben ist schon sehr hart dort. (Wassermangel, Dürre, Heuschreckenplagen) Trotzdem sind die Menschen sehr freundlich und optimistisch, zumindest war das immer mein Eindruck. Ich war mittlerweile 4x in Äthiopien, wobei natürlich das erste Mal immer etwas Besonderes sein wird. (z.B. Omo Valley, Danakil, Erta Ale)