Altvertrautes und Neues aus N'Zérékoré, Guinea

  • Die Moderne hält Einzug in der Waldregion von Guinea


    Man findet sich nach einem Jahr Abwesenheit immer noch schnell in der regionalen Hauptstatd N’Zérékoré zurecht. Es hat keine wahrnehmbaren Strukturveränderungen gegeben. Trotzdem gibt es Änderungen, die allerdings nicht immer positiv sind.



    Einer der letzten Giganten des Waldes wird am Straßenrand zerlegt, wie ein Stück Fleisch.


    Die seit einem guten Jahr auf der einzigen Hauptstraße errichtete solare Straßenbeleuchtung funktioniert ab Anbruch der Dunkelheit bis irgendwann vor 23:30. Diese Lampen sind mit moderner Technologie ausgestattet: LED Leuchten, zwei 20 kg schwere Akkus, zwei 250 Watt Solarpaneele, die in 12m Höhe an verzinkten Säulen angebracht sind. Als wir am 24. Dezember kurz vor Mitternacht die Stadt durchqueren, geben von den geschätzten 50 Straßenlampen nur 2 ein schwaches Weißlicht ab. Ich dachte in dem Moment, dass alle anderen hinüber seien. Falsch, gestern Abend kamen wir etwas spät aus Zogota, dem Heimatdorf meines Schwiegervaters, zurück. Bei der Einfahrt in N'Zerekore überkommt mich ein fast festliches Gefühl, so viel Licht im Stadtzentrum zu sehen. In der Staub geschwängerten Luft, die wie Nebel über der Stadt hängt, bekommt das ganze Szenario einen fast mystischen Touch.


    Auch auf unserem Gelände wurden vor einem knappen Jahr zwei Lampen des gleichen Typs errichtet (man kann sie auch privat kaufen).



    Bei unserer Ankunft ist eine in der nächtlichen Dunkelheit versunken, die andere gibt ein ganz kleines bisschen Licht. Eine weitere Lampe auf einem anderen Grundstück in einem Vorort von NZ ist ebenfalls aus. Neben diesem Problem stelle ich fest, dass die mechanische Pumpe auf dem 80m tiefen Bohrbrunnen nach einem Jahr den Geist aufgegeben hat. Die kleine Familie, die von der Tante meiner Frau, einer agilen 85-jährigen Mutter Oma Gamè) angeführt wird, schöpft wieder Wasser aus dem alten, archaischen Schachtbrunnen.



    Oma Noè links (103 Jahre jung), Oma Gamè (85), Onkel Gbamo (85): rüstig und gesund bei einem Leben ohne Strom, fließend Wasser und TV.


    Die mit Solarenergie betriebene kleine heimische Wasserversorgungsanlage bei meiner Schwägerin, wo wir zur Zeit wohnen, liefert nicht mehr genügend Wasser, obwohl der Brunnen mehr als 30 m³ pro Stunde hergeben könnte.
    Aber die Fische vermehren sich schnell in der heimischen Fischzuchtanlage von Schwägerin Yvette.



    Was ist also passiert. Sind die Dämonen unterwegs und sabotieren des Menschen Werk :o ?
    Spätere Fortsetzung nicht ausgeschlossen
    horas

  • Die Fotos sind nicht von besonderer Qualität, erlauben aber einen kleinen Einblick auf die Szene in NZ..


    Die Veränderungen in dem alten und ersten Hotel in NZerekore, das meinen Schwiegereltern gehörte, sind augenscheinlich. Die alten Mauern sind zum Teil eingerissen und erlauben einen Blick auf die Umgebung. Das kleine Tälchen hinterm Hotel war vor Jahren mit Citrus-, Papayabaümen, Maniok und Yamsgewächsen besiedelt. Mittlerweile hat qualmender Abfall den Garten überdeckt. Ohne Abfallentsorgungskonzept und finanziellen Mitteln zur Umsetzung ist das aktuelle Verfahren allgemein akzeptiert.



    Einige Hotelzimmer sind noch funktionell und eher den lokalen Ansprüchen entsprechend eingerichtet. Ich habe allerdings auch in solchen Unterkünften absteigen müssen, mangels besserer Alternativen.



    Opa Gboma leitet das Etablissement, welches sich immer noch regen Zuspruchs erfreut. Die 6 Zimmer sind immer belegt.



    Eine kleine elektrische Tauchpumpe füllt täglich zwei Mal den Wasserbehälter. Angetrieben wird die Pumpe von einem uralten Dieselgenerator. Die CO2-Werte der Maschine sind mir allerdings unbekannt.



    Auch hier in der Stadt sind viele Häuser noch aus Lehmsteinen gebaut.


    Die älteren unter uns mögen einige dieser Bilder mit Szenen aus den ersten Weltuntergangsfilmen à la Mad Max vergleichen. Aber so ist hier die Realität, die natürlich durch die angrenzende Natur vom Visuellen her etwas abgemildert wird.


    Später mehr
    horas

  • Heute ist Ruhetag, den ich auch nötig habe, denn nach der gestrigen Autofahrt nach Zogota (ich war selbst am Steuer, denn das ist der beste Platz wenn man auf einer völlig degradierten Piste 70 km fährt) tut mir heute der ganze Körper weh. Wahrscheinlich kriege ich jetzt noch eine Grippe.


    Straße nach Zogota


    Ich habe jetzt die Welt am Sonntag vom 22. Dezember mit Ausnahme des Sportteils durchgelesen, habe ein paar organisatorische Aktivitäten durchgeführt, die vielen unbrauchbaren Fotos ausgemistet, obigen Beitrag geschrieben und die Fortsetzung meines Anfangssberichts verfasst. Der kommt jetzt:

    Was ist also passiert. Sind die Dämonen unterwegs und sabotieren des Menschen Werk ?
    Spätere Fortsetzung nicht ausgeschlossen


    Wir Euros glauben natürlich nicht an Dämonen.
    Das Versagen der neuen technischen Errungenschaften ist ein Ergebnis des menschlichen Versagens: Fatalismus, Egoismus und Gleichgültigkeit der hiesigen Menschen gepaart mit der Hoffnung, ein „externer Helfer“ ist unterwegs und wird das Beste draus machen.



    Nun, so ist es auch. Die Solarlampen leuchten nicht wie sie sollen, weil niemand die dicke Staubschicht auf den Paneelen wegwischt und weil viele, aber nicht alle, der mitgelieferten wiederaufladbaren Batterien Billigware aus China ist, die nicht die vorgesehene Lebenserwartung von bis zu Jahren hat, sondern die nach gut einem Jahr nur noch 10% ihrer ursprünglichen Leistung erzeugt. Warum diese Batterien eingebaut wurden und nicht die vorgesehenen, darüber zerbrechen sich hier nur wenige Menschen den Kopf. Irgendjemand hat natürlich einen mehr oder weniger kräftigen Zugewinn erwirtschaftet. Im ganzen Land wurden immerhin einige Zehntausend dieser Lampen installiert.



    Was unsere privaten Solaranlagen betrifft, haben wir die Entstaubung durchführen lassen und die Billigbatterien ausgetauscht. Das Wasser sprudelt, die Lampen leuchten, alle freuen sich, aber nur bis der Staub die energetische Leistung wieder reduziert.



    Bein unserem Brunnen und der stabilen, eigentlich guten Handpumpe wurde die Panne jetzt auch identifiziert: beim Einbau der Pumpe hat man auf das Einsetzen von 22 Scheiben, die natürlich im Preis mit inbegriffen waren, und die das 32m lange Steigrohr mittig im Bohrloch verankern und stabilisieren, verzichtet. Dadurch vibriert beim Pumpvorgang das Steigrohr, was zu einem Bruch einer Muffe geführt hat und zu einem Auseinanderbrechen der Steigleitung. Innerhalb von 4 Stunden war alles repariert. Und ich habs bezahlt. Auch hier hat jemand ein bisschen Geld dazuverdient.


    Somit erklärt sich zum Teil das heiße Verlangen der jungen Menschen hier, diese chaotische Welt zu verlassen und sein Glück, trotz der bekannten Risiken in der gut funktionierenden sozialen Welt der Europäer zu suchen und zu finden.


    Schönen Grüß in die "heile Welt"
    horas

  • Die Grippe ist abgewendet. Nach einem feinem Lafitti mit Fisch und wenigen Gräten fühle ich mich wieder wohl heute Morgen.


    Welche Europäerin, die nicht gerade Gymnastik unterrichtet, kann mit durchgestreckten Beinen und flachen Händen am Boden fuhrwerken (hier: Reis zum Trocknen auf einer Matte verteilen)?



    Dörfler haben einen eigenartigen Geschmack, nicht nur was die Kleidung betrifft, sondern auch was die dekorativen Elemente im Wohnzimmer betreffen. Hier sieht man die bunten Plastikteller, die in einem einfachen Rattan-Regal aufgestellt werden.



    Meine Frau und ihre Schwester verteilen in der Dorfschule Kleidungsstücke und Schuhe an die Bevölkerung. Nachdem in den letzten Jahren immer wieder Schlägereien um die schönsten Stücke ausgebrochen waren, wird die Vergabe jetzt in Klassenzimmern durchgeführt, wobei an der Eingangstür ein Türsteher das Kommen und Gehen der Empfänger kontrolliert.


    Edle Kleider werden an erwachsene Männer auch im Freien verteilt


    Um alle Gaben ins Dorf zu transportieren, waren 3 Geländewagen notwendig.


    Viele Grüße
    horas

  • Unsere Vorbereitungen des "Réveillon" (Silvesterabendessen) laufen an. Da es erst 8:30 ist, wird die Frage des abendlichen Festessens nur kurz angesprochen. Panik oder Hektik gibt es hier nicht. Denn was es hier im Überfluss gibt, ist Zeit.


    Mein Vorschlag ist kantonesischer Reis (im Angedenken an Mutter Thi Gai), für die Fleischliebhaber ein paar gebratene Hinkel und Fisch, großes Frühstück und kein Mittagessen. Wir sind immerhin weit mehr als 20 Personen (meine Schwägerin aus Gent ist ebenfalls mit ihrer Familie eingetroffen und die Truppe wird mit 8 hungrigen Mündern mitessen.)
    Morgens gibt es immer die aufgewärmten Reste des Vorabends ("riz dormi", der Reis, der geschlafen hat) und Brot mit Ölsardinen.


    Jetzt schiebe noch ein kleines Rätsel hier rein:


    Was hält der Mann in seiner rechten Hand?


    Man kann es natürlich essen, und man findet es mittlerweile nicht nur in exotischen Lebensmittelgeschäften in Deutschland.
    VG
    horas

  • Ich weiß es, habe es schon oft genug gegessen, aber nicht in Deutschland. Daher lasse ich die anderen raten.


    Das ist ja mal wieder sehr interessant, eine Geschichte eben aus dem normalen Leben eines fremden Landes. Sehr schön horas!


    Aber was in aller Welt sind Hinkel?


    Kommt gut ins neue Jahr!


    Viele Grüße
    Petra

  • Könnte es Maniok sein?
    In grossen Mengen habe ich es nur in Brasilien gesehen.
    Ich habe es aber noch nie gegessen.

    Erhard ist der Beste!
    Es ist Maniok. Wir haben diese Wurzel gestern auch verspeist und zwar in Form von groß geschnittenen Fritten. Sie schmeckt sehr lecker, leicht süßlich und mit etwas Chilipaste ein wahrer Genuß.

    ...Aber was in aller Welt sind Hinkel?

    Da war auch der alte Simon, mein Amish-Freund in Iowa, erstaunt als ich ihn fragte, woher er dieses Wort kenne. Er selbst war verdutzt, wieso ich das Wort verstand.


    Somit gebe ich Mikados Rätsel an die Runde weiter. Ein kleiner Hinweis: Dok Bua weiss es wahrscheinlich auch.


    Damit der Tag heute nicht zu langweilig wird schiebe ich noch ein weiteres Rätsel -wieder aus dem kulinarischen alternativen Bereich- dazu:


    Was ist das


    Bon appetit
    horas

  • Maniok kenne ich als Fufu (Knödel) aus Ghana und auch in Rio habe ich Tapioka (Crêpes mit Marmelade und Puderzucker) gegessen. Bei den Sionas im Regenwald von Ecuador heißt diese Wurzel Cassava, wir haben diese geschlagen und dann wurde daraus erst Mehl gemacht und dann das Brot gebacken.


    @horas bei dem Essensrätsel mache ich dann lieber nicht mit, Du weißt sicherlich warum ;)

  • Also früher nannte man Hühner auch Hinkel. Zumindest in manchen Gegenden - ich kenne den Begriff noch aus meiner Kindheit!


    Und Tapioka kenne ich als Pudding ...

  • Also früher nannte man Hühner auch Hinkel. Zumindest in manchen Gegenden - ich kenne den Begriff noch aus meiner Kindheit!


    Und Tapioka kenne ich als Pudding ...

    Jo, Hinkel sind Hühner, auch heute noch, zumindest im Saarland.
    Auch die Amish in Iowa sprechen diesen saarländisch-lothringischen Dialekt (in der 8. Generation!), den ich sehr gut verstehe.

  • Hinkel bzw. Hinkili (kleine Hühnchen) kenne ich auch noch von meiner Oma.
    Und Tapioka, als Chips frittiert, auf Sumatra.
    Die Auflösung des letzten Rätsels möchte ich wohl auch lieber nicht wissen...


    So jetzt wird die Knallerei immer heftiger - ein gutes 2020 Euch allen!


  • Die Auflösung des letzten Rätsels möchte ich wohl auch lieber nicht wissen...

    Dann gebe ich noch einen Tipp: man findet diese hoch proteinhaltigen Dinger auch im Kaufland, etwas stärker getrocknet und somit schlanker. Sie sollen dazu beitragen, dass unsere Ernährung umweltverträglicher umgesetzt wird. Aber wer weiß, aus welcher Zuchtanstalt die Kaufland-Produkte herkommen, außerdem sind sie echt teuer.
    Hier werden die Dinger gesammelt, ist keine ungefährliches Arbeit, da sie in den Ölpalmen leben, deren Palmwedeln mit dicken, festen Stacheln versehen sind. Aber die Dinger sind 100% natürlich.
    Viele Grüße
    horas
    P.S. Ich mag sie nicht gerne essen, ebensowenig die viel gepriesenen Mehlwürmer


  • Dann gebe ich noch einen Tipp: man findet diese hoch proteinhaltigen Dinger auch im Kaufland, etwas stärker getrocknet und somit schlanker.


    ok, geliefert von einer französischen Firma ;)


    Es wird sich hier wohl um Larven handeln. Ich habe nur noch nicht rausgefunden, um welche Art es sich handelt. Eventuell die Larve des Käfers Rhynchophorus ferrugineus.(Sagowurm)? Den gibt es wohl auch in Asien, oder er kommt sogar daher und dort tunkt man ihn in Fischsoße, egal ob gekocht oder lebendig.


    Für mich wäre das Land sicherlich kullinarisch eine Herausforderung.


    Viele Grüße
    Petra

  • Es wird sich hier wohl um Larven handeln. Ich habe nur noch nicht rausgefunden, um welche Art es sich handelt. Eventuell die Larve des Käfers Rhynchophorus ferrugineus.(Sagowurm)? Den gibt es wohl auch in Asien, oder er kommt sogar daher und dort tunkt man ihn in Fischsoße, egal ob gekocht oder lebendig.

    Richtig Mikado, es ist der Palmrüssler, eine Made des von dir beschriebenen Käfers. Ich musste mich diesbzgl. auch erst im Internet schlau machen. Ich wusste auch nicht, dass diese lokale Delikatesse eigentlich als ein Plage angesehen wird. In vielen Ländern Afrikas ist diese Made rar geworden, weil sie soo gut schmeckt.
    VG
    horas

  • Wonach schmecken denn diese Palmrüssler? Ich habe mal festgestellt, wenn man vorher nicht weiß, was man isst, dann geht man ganz anders an diese Sache heran und meist auch noch ohne Vorurteil.


    So habe ich ja mal Entenmuscheln (Krebstiere) gegessen, da man mir versichert hatte, es sind keine Tiere ( 8o ) und sie haben mir natürlich sehr gut geschmeckt. Erst als ich dann später im Internet danach gesucht hatte, wusste ich es dann...

  • Wonach schmecken denn diese Palmrüssler? Ich habe mal festgestellt, wenn man vorher nicht weiß, was man isst, dann geht man ganz anders an diese Sache heran und meist auch noch ohne Vorurteil.
    ...

    In der Art wie meine Frau und Schwägerinnen die Dinger verspeisen, schmecke ich nur fettigen Brei ohne besonderen Eigengeschmack. Wenn sie in Soyasoße gebraten sind, schmecken sie nach fettiger Soyasoße. Bei mir spielt der visuelle Aspekt gerade bei den Raupen eine zu große Rolle, so dass sie mir wohl nie gut schmecken werden, leider.


    So, jetzt mache ich meine Sachen fertig für die 20-24 stündige Rückreise, die morgen Früh gegen 6 Uhr starten soll, diesmal non-stop, das heißt ohne Übernachtung in einer Absteige. Ich hoffe, ich halte durch, und das Auto auch.


    Wir haben heute noch viel erlebt. Davon berichte ich, wenn wir wieder zu Hause sind. Einen kleinen Einblick gibt das nachfolgende Video, das ich heute Morgen gegen 7:30 mit meinem Billighandy gefilmt habe.


    Das Konzert am 1. Januar in NZ (Ausschnitt)


    Viele Grüße
    horas