4.4.2019 Rishikesh - Delhi
An den Flughäfen in Indien muss man immer noch das Ticket vorweisen, bevor man sie betreten darf. Ich finde meinen Ausdruck nicht. Da ich aber bei den vergangenen Flügen gesehen habe, dass einige ihre Tickets inzwischen auf dem Handy vorweisen dürfen, ist der bei der letzten Reise noch obligatorische Ausdruck auf Papier offenbar nicht mehr nötig. Ich werde eingelassen. Der Flug startet pünktlich und verläuft unspektakulär.
Ich will mit der Metro zum Hotel. Da nicht alle Terminals an die Metro angeschlossen sind, muss ich leider erst den Bus nehmen, dann noch 5 Minuten laufen, dann erst kann ich in die moderne, klimatisierte Metro steigen. Nur 5 Minuten Fußweg entfernt vom Hotel Metropolitan and Spa, das ich von meiner ersten Reise nach Indien kenne, kann ich aussteigen und erst einmal bei Cinnabon ganz unindisch mein Frühstück mit Kaffee und Cinnamon Rolls nachholen. Ich kann auch schon einchecken, wie schön.
Mittags geht es dann für eine Weile an den Pool und dann bei abnehmender Hitze kurz vor der Dämmerung zu dem Ziel, das niemals fehlen darf, wenn ich in Delhi bin, zum Gurdwara Bangla Sahib. Die Hymnen, die im Gurdwara nahezu unablässig von Musikern mit Harmoniumbegleitung gesungen werden, durchdringen meinen Geist wie immer schnell. Ich sitze einfach auf dem Teppich, so lange ich es mit den vorgeschrieben überkreuzten Beinen aushalte. Dann umrunde ich das große Wasserbecken. Wieder am Gurdwara angekommen, rede ich ein wenig mit einem Fotografen/Filmer mit imposanter Ausrüstung.
Ich bekomme Hunger und mache mich auf zum nahen Connaught Place, wo es unzählige Lokale gibt. Ich finde etwas Passendes, genieße mein Essen und 2 Gin Tonic dazu. Der Plan: Nun schlendere ich noch etwas herum und gehe dann zum Hotel zurück.
Doch Pustekuchen! Hierbei gerate ich offenbar zwischen die Fronten rivalisierender… Hunde! Einer rennt plötzlich los. Und - keine Ahnung ob aus Freude über den Sieg über den anderen Hund oder aus Frust über die eigene Niederlage - schnappt er nach meiner schönen neuen Flatterhose aus Gwalior und erwischt leider nicht nur diese, sondern auch meine linke Wade. Ich schreie erschrocken auf, lenke dadurch die Aufmerksamkeit eines Polizisten auf mich, der im Nu die Hunde verjagt. Aber es ist passiert. Blut quillt aus meiner Haut, auch wenn es nur ein Kratzer ist, und in wenigen Sekunden bin ich umgeben von einem Menschenpulk. Alle starren mich an. Einer reicht mir Wasser, um die Wunde zu waschen. Einer tritt vor und erklärt mir mehrfach ernsthaft, dass ich zwingend zum Arzt müsse und geimpft werden müsse. Das sei sehr, sehr wichtig, und zwar innerhalb von 48 Stunden!
OK, irgendwie ist mir das auch klar. Indien ist schließlich Tollwut-Land Nummer 1. Ich habe nun keine Lust mehr zum Bummeln und gehe auf direktem Weg zum Hotel zurück. In meinem Jammer rufe ich Souvik an, der mir auch nochmals alles erklärt. Er ruft für mich Ashok an, weil er den Gedanken hat, dass der mich ja auf dem Weg ins Krankenhaus begleiten könne. Ashok will mir seinen Sohn und seine Frau schicken, er selbst ist noch mit Gästen unterwegs. Aber das ist albern, die wären ja fast 2 Stunden ins Zentrum von Delhi unterwegs.
Im Hotel angekommen, berichte ich, dass ich einen Arzt brauche. Man verbindet mich telefonisch mit dem Hotelarzt, der aber auch nur meint, da müsse ich wohl ins Krankenhaus fahren. Der Manager ruft mir einen Englisch sprechenden Taxifahrer, Lal Singh, und instruiert ihn, mir noch von der Seite zu weichen und bietet mir an, ihn selbst jederzeit bei Fragen anzurufen.
Unser Ziel ist das Sir Gangaram Krankenhaus. Zunächst weist man mich an, die Wunde 15 Minuten lang mit Seife auszuwaschen. Man muss Impfstoff und Serum zuvor selbst in der Apotheke kaufen, aber die Apotheke hat nicht alles vorrätig. Also wird das hier nix. Lal Singh ist fürsorglich und lieb, fährt mich zum R.M.L Hospital. Während schon das vornehme Sir Gangaram in meinen Augen nicht unbedingt so wirkt, als ob ich mir hier den Blinddarm gerne rausbasteln lassen würde, ist dieses staatliche Krankenhaus nochmals eine Nummer.... sagen wir mal… ursprünglicher? Lal Singh meint, immerhin sei der Impfstoff hier kostenlos, was besonders in Bezug auf das selbst in Indien etwa 300 Euro teure Serum natürlich schon ein schöner Trost ist. OK, das muss man auch sehen, wenn man sich über hohe Kosten für Visa oder Sondereintrittspreise für Ausländer grämt. In dieser Situation habe ich das alles locker wieder rausgeholt.
Eine etwas rabiat wirkende Ärztin, zumindest nehme ich mal an, dass es tatsächlich eine Ärztin ist, injiziert mir in den Unterarm einen Tropfen des Serums. In einer Stunde soll ich wiederkommen. Wenn es keine allergische Reaktion gegeben hat, bekomme ich dann “full load”.
Nach einer Stunde, mittlerweile etwa 23 Uhr Ortszeit, erhalte ich dann von der rabiaten Ärztin auf einer etwas schmuddeligen Liege ohne großes Federlesens die knappe Info: “Relax, it is a heavy load, it will be pain” und innerhalb von etwa 45 Sekunden Rabipur in den einen Arm, Tetanus in den anderen Arm, die eine Hälfte des Immunglobulin in die Bisswunde, die andere Hälfte in den Hintern. Fertig!
Im Hotel komme ich dann endlich zur Ruhe. Ich verabschiede mich von Lal Singh, der ein großzügiges Trinkgeld bekommt. Ich verpflastere die Wunde, muss noch etliche Nachrichten mit dem besorgten Ashok austauschen und mit Souvik, der mich die ganze Zeit schriftlich und telefonisch lieb und humorvoll begleitet hat (don’t worry, this is no issue, I had it and my son had it too), mit den Lieben daheim.
OK, im Nachhinein: Hier wurde alles richtig gemacht, Hundebisse und Affenbisse sind hier halt Routinegeschichten. Für mich war es alles andere als Routine. Dennoch schlafe ich tief und gut, wenn auch erst gegen 2 Uhr. Oh Mann, was für ein Abenteuer!