Tagesausflug zur barocken Klosteranlage Neuzelle

  • Den einen Tag mit schönem Wetter nutzend, ging es heute nach Neuzelle zum Barockwunder Brandenburgs, dem dortigen Zisterzienserkloster. Neuzelle liegt im östlichen Brandenburg zwischen Eisenhüttenstadt und Guben.


    Die Geschichte des Klosters begann 1268 mit der Stiftung einer Abtei durch Markgraf Heinrich von Meißen. Die Anfangs im gotischen Stiel erbaute Abtei wurde im 17. und 18. Jh. durch böhmische Mönche Barock umgestaltetet. Seither blieb das Kloster von Zerstörungen verschont, auch den letzten großen Krieg überstand es. Die barocken Bauten sind somit baulich im Originalzustand, allerdings wurden im Verlauf der Jahre natürlich Umbau- und Restaurierungsarbeiten durchgeführt.




    Das Kloster und die Klosteranlage bestehen neben der katholischen Stiftskirche St. Marien, einem gotischen Kreuzgang und Fürstenflügel, im Wesentlichen aus der evangelischen Kirche zum Heiligen Kreuz (der sog. „Leutekirche“), dem barocken Klostergarten sowie Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden.


    1817 erfolgte mit der Übernahme der Niederlausitz durch Preußen die Aufhebung des Klosterbetriebs. Aus den beiden Kirchenbauten wurden Pfarrkirchen. Eine katholische und eine evangelische. Seit 2017 sind wieder Zisterziensermönche im Kloster. Der Klosterbetrieb soll wieder aufleben. Allerdings errichten die Zisterzienser in der nahen Umgebung von Neuzelle ein neues Klostergebäude, da sich die Neuzeller Klosteranlage durch Kulturbetrieb, Tourismus und einer im Fürstenflügel befindlichen Privatschule als zu unruhig für Andacht und Gebet erwiesen hat.





    Stiftskirche St. Marien













    ehm. Wirtschaftsgebäude




    Es werden Führungen durch den Kreuzgang angeboten, täglich um 12.00 Uhr. Die würde ich gern mitmachen. Tickets dafür und für das Museum „Himmlisches Theater“ werden im Museumsgebäude (im ehem. Wirtschaftsgebäude) verkauft. Also ist mein erster Anlaufpunkt die Kasse am Museumseingang. Danach mache ich einen Gang durch das Museum Himmlisches Theater.

  • Zum größten Kunstschatz der Klosteranlage neben den barocken Kirchenbauten zählt das Heilige Grab. Dabei handelt es sich um große Figurengruppen und riesige Kulissenteile aus den Jahren 1751 bis 1753, mit denen die Passion Christi wie in einem Kulissentheater dargestellt werden kann. In Anzahl, Qualität und Größe ist dieser Kunstschatz in Europa einzigartig. Insgesamt waren es wohl 238 Einzelteile mit 109 Figurengruppen und 129 Kulissenteile, wovon noch 229 erhalten sind und restauriert wurden, bzw. werden. Damit können der Leidensweg Christi und seine Wiederauferstehung in 15 Szenen mit 5 Bühnenbildern gezeigt werden. Die Einzelteile sind mit Leimfarben auf Holz und bei den Kulissen teilweise auf Leinwand bemalt. Zwei dieser Bühnenbilder sind in einem abgedunkelten Raum des Museums dauerhaft zu sehen.


    Betritt man den Raum ist geradezu in Groß zu lesen:




    An den Seiten sind die beiden Bühnenbilder aufgebaut und ins rechte Licht gesetzt. Weitere Infos sind beiderseitig der Tür zu lesen.







    Hier etwas seitlich aufgenommen sind die hintereinander aufgestellten Kulissen zu sehen.









    Ein Modell als Zeichnung mit Feder und Pinsel auf Papier und Holz aus 1751 des Künstlers und Schöpfers Josef Felix Seifrit.


    Die 15 Szenen sind außerdem in kleinen Bildern beleuchtet dargestellt.



  • Bis zur Kreuzgangführung ist noch Zeit genug, um der etwas abseits liegenden Kirche zum Heiligen Kreuz einen Besuch abzustatten. Während die Stiftskirche St. Marien den katholischen Mönchen vorbehalten war, gingen die umliegenden Bewohner, größtenteils Bauern in die „Leutekirche“, einem Kuppelbau. 1817 im Zuge der Säkularisierung durch Preußen wurde die „Leutekirche“ eine evangelische Pfarrkirche, weshalb die Kirche im böhmischen Barock für eine evangelische Kirche heute als überaus prachtvoll ausgestaltet gilt.




    Zuerst kann ich mir das Gebäude nur von außen anschauen. Es ist zugesperrt. Als ich schon abrücken will, kommt eine junge Dame mit Schlüssel und ich komme doch noch rein.









    Die Kuppel von innen.









  • Es ist kurz vor 12.00 Uhr und ich muss mich auf den Weg in Richtung Hauptkirche machen, wo gleich die Führung durch den Kreuzgang beginnen wird. Außer mir sind nur zwei andere Interessierte anwesend. Die Führung dauert etwa 45 Minuten und wir bekommen jede Menge Input und können Fragen stellen, die meist auch beantwortet werden können.


    Der Kreuzgang in Klöstern ist der zentrale Bereich der klösterlichen Klausur, dem innersten Klosterbereich. Er ist als Hauptweg der Verbindungsgang für die am Kreuzgang liegenden Gemeinschaftsräume, Arbeits- und Aufenthaltsbereich für Nonnen und Mönche tagsüber, weiterhin ist er Prozessionsweg und Meditationsbereich. Im offenen Innenhof befindet sich der Kreuzganggarten, der oft auch als Klostergarten genutzt wurde.


    Im Kloster Neuzelle hatten zum Kreuzgang also nur die Mönche Zutritt zur Meditation, Inspiration und zum Lesen der Schrift. Der Wohnbereich der Mönche befand sich darüber.



    Abtsiegel aus Burgund MORS – verweist auf Morimond (Frankreich). Von dort aus wurde der Grundstein für die rasche Ausbreitung des Ordens nach Osten gelegt.



    Darstellung des Markgrafen Heinrich des III - Markgraf von Meißen





    Brunnenhaus.


    Wasser galt als Symbol des Lebens und der Reinheit, wichtig zum Waschen und Trinken. Die Versorgung mit Wasser geschah in den Klöstern durch Befüllen von Becken oder wenn Quellen vorhanden waren, wurden Brunnenhäuser über Kanäle versorgt. Archäologen konnten im Kloster Neuzelle Kanäle nachweisen und das es im Brunnenhaus ein Überlaufbecken gab.





    Ehm. Refektorium (Speisesaal) des Klosters.



    Calefaktotium - Ort zum Aufwärmen, meist in der Nähe der Küche.




    Der einzige Raum im Kloster der beheizt werden konnte. Feuer im Kellergewölbe gaben Wärme über Öffnungen im Fußboden in den Wärmeraum.



    Freigelegter Fensterbereich. So sahen ursprünglich einmal alle Fenster im Kreuzgang aus.




  • Brunnenhaus von außen


    Nordseite der Klosterkirche St. Marien mit einer Besonderheit. Wem fällt an dem Bild etwas auf? Wer es herausbekommt, bitte hier posten. Falls niemand auf die richtige Antwort kommt, löse ich nach dem letzten Bericht auf.







    Diverse Monstranzen und Porträt von Abt Martinus Graff (1678 – 1741), der treibenden Kraft im Umbau der Kirchen in den barocken Stil. Außerdem ließ er das Klosterland vermessen und kartographieren.









    Freigelegte alte Wandmalereien, im Originalzustand belassen und nicht restauriert.

  • 12.50 Uhr. Neben dem Kloster befindet sich die alte ehm. Klosterbrauerei. Heute als Klosterbrauerei Neuzelle bekannt und wirtschaftlich vom Kloster unabhängig. Um 13.00 Uhr ist Brauereibesichtigung. Das schaffe ich. Im Klosterladen (hier gibt es Neuzeller Bier und andere Spezialitäten für Touristen für teures Geld) besorge ich mir schnell ein Ticket und kann unmittelbar danach mit drei anderen und den beiden Brauereiführern zur Tour durch die Brauerei starten.




    Die Klosterbrauerei ist eine Kleinbrauerei mit 35.000 hl Ausstoß im Jahr, die alle bisherigen Wirtschaftsjahre seit 1989 überlebt hat. Im Gegensatz zu vielen anderen. Man wird sehen, wie sie mit den jetzigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kapriolen klarkommen wird.


    Neuzelle braut nur untergärige Biere. Spezialität der Brauerei ist der Schwarze Abt, ein dunkles Bier mit Invertzuckerzusatz. 60 – 65% des jährlichen Ausstoßes gehen auf den Schwarzen Abt. Die einzige Neuzeller Biersorte, die auch überregional noch bekannt und zu haben ist. Die anderen Biersorten sind außer im nahen Umfeld im normalen Handel kaum zu bekommen. Selbst in den Gaststätten hier ist außer dem Schwarzen Abt kaum lokales Bier zu haben. Stattdessen Bitburger, Krombacher und Co. Schade eigentlich.


    Herzstück der Brauerei ist der Brauprozess im Sudhaud. Dafür gibt es 3 Behälter zu je 50 hl. Der erste ist die Maischpfanne, in der Wasser und geschrotetes Malz gemischt und erhitzt werden.




    Nach 2h wird die Maische umgepumpt in den Läuterbottich. Läutern = Reinigen/Filtern. Nach einer Ruhephase setzen sich die groben Bestandteile unten ab und bilden einen natürlichen Filter. Nach dem Prozess geht dieser Treber in die Landwirtschaft.




    Nach 3h läutern wird umgepumpt in den 3. Behälter, die Würz- oder Sudpfanne. Hier kommt der Hopfen in Pelletsform dazu. Dann wird der Inhalt, jetzt Würze genannt, erhitzt und 2h gekocht. Dadurch gelangen die biertypischen Aroma-, Bitter- und Gerbstoffe in die Würze.




    Anschließend kann die Würze im Sudhaus „ausgeschlagen“ werden. Das heißt, sie wird in einem sog. Whirlpool zu 80 – 90% geklart und danach gekühlt.


    Wir gehen zum Schrot- und Malzboden.


    Die Braugerste, eine spezielle sehr stärkehaltige Gerste, wird in einer Mälzerei zu Malz verarbeitet. Dabei wird die Gerste mit Wasser eingeweicht bis der Feuchtegehalt im Korn ca. 45% beträgt, danach ausgebreitet und umgehäufelt, bis nach 2 bis 3 Tagen Keime aus dem Korn kommen. Dabei wird durch Enzyme die Stärke im Korn in Zucker umgewandelt. Das dann sog. Grünmalz wird daraufhin getrocknet und geröstet. Dann werden maschinell noch die Keime entfernt und es ist Braumalz.




    Dieses Malz kommt in Säcken angeliefert auf diesen Boden. Mittels einer Schrot- und Malzmühle mit Transmissionsantrieb aus dem Jahr 1906 wird das Malz geschrotet. Arbeitsschutzrechtlich eigentlich untragbar, allerdings die Mühle hat Bestandsschutz aus Denkmalschutzgründen. Das geschrotete Malz kommt dann wie oben beschrieben ins Sudhaus in den ersten Brauprozess.




  • Nach dem Klaren kommt die Würze in den Gärkeller. In Neuzelle ist offene Gärung in Gärbottichen vorgeschrieben (keine Tankgärung), weshalb aus lebensmittelhygienischen Gründen dort keine Besucher hineindürfen. In den Gärbottichen kommt die Hefe dazu. Nach 10 - 12 Tagen Verweilzeit macht die Hefe aus dem Zucker in der Würze Alkohol und Kohlensäure (CO²). Jetzt erst kann das Ganze Bier genannt werden. Das Jungbier wird umgepumpt in den Lagerkeller in geschlossene Tanks. Das ungefilterte Jungbier noch mit Hefepilzbestandteilen setzt zur Nachgärung an. Kohlensäure entsteht, kann nicht entweichen und der Druck im Tank steigt. Das CO² sättigt das Bier physikalisch.


    Zum Ende der Liegezeit erfolgt eine Verkostung durch einen Bierfachmann. Farbe, Geruch, Geschmack und Alkoholgehalt müssen stimmen. Sensorische Analytik nennt man diesen Vorgang.


    Das Bier muss noch gefiltert werden. Dies geschieht geschmacksneutral in einem Zwei Phasen Kieselgurfilter. Danach können in zwei kleineren Behältern dem Bier noch andere Medien zugesetzt werden, wie etwa der schon erwähnte Invertzucker. Darauf folgt noch die Haltbarmachung in einem Kurzzeit Hocherhitzer (Pasteurisator) bei 76 Grad für 5-7 Sec.



    Zwei Phasen Kieselgurfilter



    Pasteurisator


    Jetzt ist das Bier bereit zu Abfüllung. Abfüllen, Etikettieren und versandfertig machen geschieht in der Abfüll- und Lagerhalle. Dort wird auch das Leergut im Flaschenreiniger gereinigt und mit maschinellem Flascheninspekteur auf Beschädigungen und Haarrisse geprüft. Die Abfüll- und Etikettier Maschine dürfen wir nur von außen betrachten.





    Abfüll- und Etikettier Maschine




    Der Schwarze Abt wird geliefert an: Hauptabnehmer Berlin, MeckPomm, SN, SA, NS aber auch in die USA, nach Kanada, Skandinavien, Japan, China, Hongkong, Singapur, Shanghai.


    Nach der vielen Arbeit haben wir uns eine Verkostung verdient. Wir werden in den Schankraum gebracht und jeder bekommt ein kleines Bier seiner Wahl. Bei mir ist es das vollmundige und süffige Bockbier. Wohl bekomms.






  • Nach der Brauereiführung gehe ich wieder zur Klosteranlage. Jetzt möchte ich mir die Stiftskirche St. Marien von innen anschauen. Und ich habe Glück, drinnen hat läuft offenbar eine Führung, der ich mich kurzerhand einfach anschließe. Die Kirchenführung muss gerade erst begonnen haben, wir stehen noch ganz hinten nahe dem Turm. Während der Führung geht es Stück für Stück weiter nach vorn in Richtung Hauptaltar. Wir bekommen dabei die Nebenaltäre erklärt, die sich jeweils vor den Säulen des Kirchenschiffs befinden. Die Anordnung der Altäre hin zum Hauptaltar folgt einer dramaturgischen Reihenfolge. Alles steckt voller Symbolik. Nichts ist hier nur rein zufällig angeordnet. Das Erkennen der jeweilig dargestellten Figuren und Bibelstellen erfordert Kenntnisse in der Kirchengeschichte. Beim Auseinanderhalten der ganzen Heiligen, Bischöfe, Päpste, Kaiser und Engel muss man genau auf die Attribute schauen. Also was halten sie in der Hand, liegt zu ihren Füßen, haben sie auf dem Kopf oder schwebt über ihren Kopf und wie sind sie gewandet oder sonst beschaffen. Ich versuche mich bei den Engelsfiguren und identifiziere einen als Erzengel Gabriel. Natürlich falsch. Dass es ein Erzengel ist, da habe ich ja noch richtig getippt (nicht gewusst). Es war nicht Gabriel, sondern Uriel werde ich aufgeklärt. Die anderen 6 Führungsteilnehmer haben mehr Ahnung als ich und kennen sich in der Kirchengeschichte aus.




















  • Die prachtvolle barocke Ausstattung erschlägt einen förmlich. Durch architektonische Tricks wirkt das Kirchenschiff auch viel länger als es eigentlich ist. Nach einer guten Stunde und vollgestopft mit Infos sind wir beim Ende der Führung angekommen. Wir sehen sogar noch einen der österreichischen Mönche, die den Klosterbetrieb wiederaufleben lassen. Ich fotografiere noch ausgiebig, bevor ich mich dem barocken Klostergarten zuwende.







    Sauer Orgel













  • Nach so viel geistiger Arbeit kommt nun der entspannende Teil. Im barocken Klostergarten brauche ich nur zu schauen und zu chillen. Eine sehr schöne und gepflegte Anlage, die heute für den am morgigen Neuzeller Klostergartentag vorbereitet wird.









  • Donnerwetter :o so ausführlich schreibe ich nicht mal Urlaubsberichte aus fernen Ländern ;)

    Aber auch vor der Haustüre gibt's schöne Ziele, wie man sieht.


    Jedenfalls interessant, Du hast bei den Führungen gut aufgepasst.

    Ich weiß nicht wie viele Brauereien verschiedenster Art ich schon besucht hab, aber mir nie auch nur ansatzweise die Hälfte vom Herstellungsprozess gemerkt.


    Danke & VG

    Gusti

    redfloyd.........................................................................................Gusti
    redfloyd.gifGusti.gif


    Heaven is where the police British, the cooks Thai, the mechanics German, the lovers Italian and it is all organised by the Swiss.
    Hell is where the cooks are British, the mechanics Thai, the lovers Swiss, the police German and it is all organised by the Italians.