Im Winter 2023 auf dem Camino Frances durch Spanien

  • Dort schaue ich mir die Kirche Santa Maria de la Asuncion an, die das größte Barockretabel der Region La Rioja beherbergt. Gold vom Boden bis zur Decke, da fällt es schwer, überhaupt etwas zu erkennen. Um es zu beleuchten, muss ich 1 Euro einwerfen, und weil ich kein entsprechendes Münzgeld habe, gehe ich erst mal in einer kleinen Bar unterhalb der Kirche Geld wechseln.








    In der kleinen Bar trinke ich nach der Besichtigung noch ein Wanderabschlussbier, ziehe aber bald weiter, denn genau jetzt materialisieren sich zwei Menschen mit einem Spielautomaten in der Bar, die damit gnadenlos überfüllt ist. In einem nahen Café esse ich Tapas, unter anderem leckere Fleischröllchen, die mir die Inhaberin stolz als Spezialität aus ihrer Heimat Rumänien präsentiert.


    Mein heutiges Hotel, eine ziemlich neu gebaute Bodega, liegt über einen Kilometer außerhalb des Ortes. Eigentlich wollte ich zentral in Navarrete übernachten, aber die Buchung war schon einige Wochen vor der Wanderung vom Hotel storniert worden. Die Bodega südlich von Navarrete war die einzige Alternative. Weil ich weiß, dass ich dort heute abend nichts zu essen bekommen werde, decke ich mich noch im Supermarkt mit Proviant ein. Gegen zwei Uhr erreiche ich nach 15,1 km mein Hotel und kann dort zu meiner Freude für drei Uhr den kleinen Wellness-Bereich reservieren. Dort gibt es eine Sauna und einen kleinen Whirlpool, und es tut richtig gut, sich nach sechs Tagen auf dem Jakobsweg auch mal zu entspannen. Das Regenwetter passt perfekt dazu.




    Später genehmige ich mir unten an der Bar einen Rotwein und einen Sekt und mache im Hotelzimmer ein Picknick im Bett. Für morgen werden leichte Schneefälle prognostiziert. Ich hoffe, dass dieser Kelch an mir vorübergeht.




    Gute Nacht!

  • Samstag, 28. Januar 2023: Wanderung von Navarrete nach Najera


    Heute nacht habe ich unruhig geschlafen. Der vorhergesagte Schnee und leichte Schmerzen im linken Fuß haben mich immer wieder hochschrecken lassen. Der Fuß hat irgendwann eine Ladung Voltaren-Gel bekommen und sich zum Glück beruhigt, und die Schneeprognose hat sich heute morgen in Wohlgefallen aufgelöst. Ich werde also hoffentlich mein heutiges Etappenziel Najera erreichen. Die Morgensonne, die Navarrete in ein goldenes Licht taucht, stimmt schon mal optimistisch.



    Im Hotel gibt es ein Frühstücksbüffet, leider erst ab 8.30 Uhr, und so breche ich heute erst gegen viertel nach neun auf. Zuerst wandere ich etwa einen km entlang der Landstraße zurück in den Ort, danach geht es auf einer anderen Landstraße wieder raus aus dem Ort, bis zum Porticus, der früher zum Pilgerhospital gehört hat, an dem ich gestern vorbeigekommen bin. Heute ziert er den Eingang zum Friedhof.




    Nach dem Friedhof biegt der Weg in die Felder ab, und hier stelle ich fest, dass auch das Fliegende Spaghettimonster auf dem jakobsweg Anhänger hat.



    Später führt der Weg leider streckenweise wieder ziemlich dicht an der Autobahn entlang. Nach etwa 7 km kann man weiter geradeaus an der Autobahn entlanglaufen, oder nach links auf einen kleinen Umweg Richtung Ventosa abbiegen, und weil ein Schild 1 km Kunst ankündigt, fällt die Entscheidung relativ leicht.





    In Ventosa ist nicht wirklich was los, um es mal freundlich zu formulieren. Ich fühle mich fit und beschließe, die Etappe ohne Pause durchzulaufen. Also geht’s weiter, diesmal zum Glück immer wieder durch Weinberge, oder vielleicht sollte man besser sagen Weinfelder, so flach wie sie meist sind.



  • Nach etwa 10 km erreiche ich den höchsten Punkt der heutigen Etappe, den Alto de San Anton. In der Rückschau als auch beim Blick nach vorne kann man weit in die jeweiligen Täler schauen.







    Ab jetzt kommt immer häufiger die Sonne zwischen den Wolken hervor. Die Erde um mich herum ist rot und ich fühle mich manchmal an den Westen der USA und an Australien erinnert.






    Und ich entdecke in einiger Entfernung zwei Pilger auf dem Weg. Nach den drei Pilgern in Puente la Reina, dem französischen Pilger vor Maneru, den beiden Rückwärtspilgern in Los Arcos und Viana und dem Mann mit dem Handkarren in Logrono sind das erst der 8. und der 9. Pilger, die ich auf meiner Wanderung sehe. Überlaufen ist der Weg um diese Jahreszeit wirklich nicht.


    Kurz vor Najera muss ich mich durch eine Baustelle mogeln, aber zum Glück ist der Weg dahinter wieder gut begehbar und ausgeschildert. Gegen halb zwei erreiche ich die Innenstadt von Najera und kehre auf dem Weg zum Hotel noch in einem Supermarkt ein, um mich mit Proviant für morgen einzudecken. Gegen 14 Uhr checke ich nach 18,9 km in meiner heutigen Unterkunft, einem einfachen aber sauberen Hotel ein, und weil ich dort einen Essenstipp für ein kleines Restaurant in der Nähe bekomme, falle ich dort wenig später in Wanderkleidung ein und bekomme zum Glück noch den einzigen freien Tisch. Aus dem angebotenen Menü wähle ich Pasta mit Chorizo, Lammeintopf und Schokokuchen, sehr lecker.


  • Außerdem stehen in der Klosterkirche mehrere Sarkophage ehemaliger Könige von Navarra. Außergewöhnlich ist aber vor allem eine kleine Höhle, in die man hinter den Sarkophagen gelangt. Hier soll sich im 11. Jahrhundert das Grottenwunder von Najera ereignet haben. Als nämlich der damalige König von Navarra auf der Jagd seinen Falken auf ein Rebhuhn losließ, flüchtete das Rebhuhn in eine Höhle, verfolgt von dem Falken. Der König fand beide Vögel in der Höhle friedlich nebeneinander vor einer Mariendarstellung sitzend. Überwältigt von solch übernatürlichem Wirken fasste er den Entschluss, an dieser Stelle ein Kloster zu gründen. Heute erinnert die schön angeleuchtete Statue in der Höhle an diese Legende.








    Während ich regengeschützt im Kloster herumspaziere, geht draußen ein heftiger Schauer nieder, Glück gehabt. Ich kehre zurück ins Zimmer und will mich eigentlich nur mal kurz unter die Bettdecke kuscheln, um später vielleicht noch ein Wanderabschlussbier trinken zu gehen. Aber irgendwann ist es draußen dunkel und ich merke, dass ich es heute nicht mehr aus dem Zimmer schaffen werde. Schade, aber heute ist mir einfach mehr nach einem ruhigen Leseabend.


    Auf den morgigen Tag freue ich mich schon besonders. Dann geht’s zu den Hühnern von Santo Domingo.


    Gute Nacht!

  • Gegen zwei Uhr erreiche ich nach 15,1 km mein Hotel und kann dort zu meiner Freude für drei Uhr den kleinen Wellness-Bereich reservieren. Dort gibt es eine Sauna und einen kleinen Whirlpool, und es tut richtig gut, sich nach sechs Tagen auf dem Jakobsweg auch mal zu entspannen.

    Das kann ich dir lebhaft nachfühlen!


    Ansonsten lese ich nur "Rioja" und "Navarra" und habe umgehend den Duft von Rotwein in der Nase.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Sonntag, 29. Januar 2023: Wanderung von Najera nach Santo Domingo de la Calzada


    Heute nacht haben die Nachbarn im Haus gegenüber ausgiebig herumgeschrien und mich ein paar Mal aufgeweckt. Jetzt weiß ich, warum auf meinem Nachttisch Oropax bereitlagen. Gegen 7.00 Uhr stehe ich auf, mache mir fürs Frühstück ein Käsebaguette zurecht und schaffe es, mir beim Reinigen des Taschenmessers in den Finger zu schneiden. Na ja, immerhin schleppe ich die Pflaster also nicht umsonst mit. Gegen 8.40 Uhr breche ich auf und verlasse nach einem kurzen Blick auf die Klosterkirche Najera. Es geht zunächst einen Hügel hinauf, und offenbar sind Bäume hier so selten, dass mein Wanderführer die kleine Ansammlung links und rechts schon als „Wald“ einstuft. Ab hier geht’s meist durch Weinfelder und Brachland.







    Nach etwa 7 km erreiche ich Azofra, einen Ort, der immerhin eine Pilgerquelle zu bieten hat, die aber nicht fotogen genug ist, um sie abzulichten. Bemerkenswerter ist, dass mir ein sehr zotteliger Mann aus seinem Auto ein „Buen camino!“ zubrüllt. Der hat es aber auch nicht auf meine Speicherkarte geschafft.





  • Hinter Azofra führt der Weg wieder durch die Felder, zuerst noch an einer Gerichtssäule vorbei, später dann ganz ohne solche Wegmarken hinauf nach Ciruena. Weit vor mir erspähe ich wieder zwei Pilger, das sind bestimmt die von gestern. Ansonsten habe ich den Weg, die Felder, die Wolken, den Wind und ganz viel Himmel wieder für mich alleine und finde die karge Schönheit einfach wunderbar. Aber mir hat es ja auch im Mai auf Island gefallen. Ein letzter Blick von fast oben hinunter auf die Gegend, die ich gerade durchwandert habe, dann geht es auf der Höhe bis in den Ort Ciruena.







    Dort mache ich Rast in der Cafeteria eines Golfplatzes, vermutlich hält die sich im Moment nur mit gelegentlichen Pilgern über Wasser. Als ich dort ankomme, brechen die beiden Pilger von vorhin gerade auf. Wir grüßen uns nett und sie ziehen weiter. Von den Pilgern, die ich bisher getroffen habe, gehören sie eindeutig zu den am normalsten wirkenden.




    Nach einem Wanderzwischenbier ziehe ich auch weiter. Von hier aus ist nur noch ein kurzer Zwischenanstieg zu bewältigen, dann geht es talwärts Richtung Santo Domingo de la Calzada. Ein paar Kilometer vor dem Ort kann man mit Blick auf ein Denkmal rasten, das dem Heiligen Santo Domingo de la Calzada gewidmet ist, der im 11. Jahrhundert viel für die Pilger getan hat. Dazu gehörte nicht nur das Anlegen von besseren, befestigten Wegen – Calzada heißt gepflasterte Straße - sondern auch der Brückenbau.




  • An diesem Rastplatz treffe ich wieder das Pilgerpärchen. Sie kommen aus England und sind in St. Jean Pied de Port auf ihren Jakobsweg gestartet, haben also im Gegensatz zu mir auch die Pyrenäen durchwandert. Allerdings sei es dort auf der Etappe nach Roncesvalles so verschneit gewesen, dass sie selbst auf der Valcarlos-Route, die man im Winter als Alternative zu der geschlossenen Napoleon-Route nehmen muss, Schwierigkeiten hatten. Auf der weiteren Strecke mussten sie bis kurz vor Pamplona immer wieder auf die Straße ausweichen. Ich schwanke zwischen Bewunderung und Erleichterung, dass ich diese drei Etappen ausgelassen habe. Ansonsten unterhalten wir uns ein wenig über Zeitplanung und Übernachtungsmöglichkeiten. Sie haben nichts vorgebucht und telefonieren jeweils von unterwegs aus auf der Suche nach einer Unterkunft eine Liste von Herbergen ab. Ob sie heute in Santo Domingo übernachten werden, wissen sie noch nicht, denn dazu müssen sie nicht nur dort etwas finden sondern auch in passenden Entfernungen Übernachtungsmöglichkeiten für die darauf folgenden Etappen, und das scheint sich gerade schwierig zu gestalten. Wir verabschieden uns „bis später“ (ich habe sie allerdings nie wieder gesehen).


    Santo Domingo erreiche ich eine gute halbe Stunde später. Hier sind auf vielen Schildern und in Schaufenstern Hähne und Hühner zu sehen, und das hat seinen Grund, denn Santo Domingo ist der Schauplatz des sogenannten Hühnerwunders.





  • Gegen viertel vor drei checke ich nach 21 km in meiner heutigen Unterkunft ein, dem Parador-Hotel. Obwohl man das von außen kaum ahnt, handelt es sich um ein historisches Bauwerk. Hier, gegenüber der Kathedrale, betrieb der Heilige Domingo ein Pilgerhospital.








    Gut gelaunt – denn ich habe mich ja richtig auf diesen Ort gefreut – und in frischen Klamotten verlasse ich eine Stunde später mein Hotelzimmer, um die Kathedrale schräg gegenüber zu besuchen. Jetzt geht’s zu den Hühnern! Denke ich. Aber die Pilgerin denkt, Gott lenkt. Die Kathedrale ist zu. Ich fasse es nicht!



    Ich kehre niedergeschlagen ins Hotel zurück und frage sicherheitshalber noch an der Rezeption, ob man dort mehr zu den Öffnungszeiten weiß. Aber dort kann man mir nichts anderes sagen als das was ich schon auf dem Schild gelesen habe: Sonntags ist die Kathedrale nur bis mittags geöffnet. Und morgen macht sie erst um elf Uhr wieder auf. So ein Mist. Um elf werde ich schon auf halbem Weg nach Belorado sein!


    Immerhin finde ich später noch ein Lokal, das nicht nur Bier sondern auch Pizza serviert.




    So gestärkt schmiede ich einen Plan: Morgen stehen ca. 22 km an. Der Wanderführer ist der Meinung, das sollte man in 5 Stunden und 15 Minuten schaffen. Die Internetseite Gronze veranschlagt glatte 5 Stunden. Sonnenuntergang ist derzeit gegen 18.20 Uhr. Wenn ich um 12 Uhr hier starte, müsste ich vor 18 Uhr in Belorado ankommen. Bisher bin ich ja auch gut durchgekommen, und der Weg für morgen scheint keine großen Schwierigkeiten aufzuweisen. Es gibt auch eine Buslinie, so dass ich von unterwegs aus abkürzen könnte, wenn ich doch in die Dämmerung gerate. Allerdings erwähnt mein Wanderführer Pläne, die Autobahn Richtung Belorado auszubauen, was mit Änderungen der Wegführung verbunden sein könnte. Ob ich überhaupt an Bushaltestellen vorbeikomme, weiß ich also gar nicht.


    Ich schreibe schließlich abends eine E-mail an die Inhaberin meiner morgigen Unterkunft, um auszuloten, ob ich im Falle eines Falles von unterwegs ein Taxi bekommen könnte und beschließe, morgen früh zu entscheiden, ob ich wie üblich starte oder noch die Kathedrale besuche.


    Gute Nacht!

  • Montag, 30. Januar 2023: Wanderung von Santo Domingo de la Calzada nach Belorado


    Ich habe gut geschlafen und gehe um 8.00 Uhr im Hotel frühstücken. Kurz darauf ruft mich die Inhaberin meiner heutigen Unterkunft an, die ich gestern abend noch per E-mail angeschrieben habe. Falls ich unterwegs ein Taxi brauche, soll ich sie anrufen, sie schickt mir dann eins zu meinem Standort. Wunderbar, damit ist die Sache entschieden, ich bleibe heute vormittag hier und schaue mir die Kathedrale an.


    Die Katherdrale öffnet erst um elf, ich habe also Zeit, um in Ruhe Proviant kaufen zu gehen und meine Sachen zu packen. Gegen viertel vor elf checke ich aus und warte an der Kathedrale, bis sie öffnet.



    Die Kirche ist deutlich größer und prächtiger als ich das erwartet habe, und mein Plan, mir nur mal kurz die Hühner anzuschauen und mich spätestens um halb zwölf auf die Wanderung zu machen, geht nicht auf. Dafür gibt es einfach zu viel zu sehen. Am ungewöhnlichsten ist natürlich der Hühnerkäfig in der Kathedrale. Ein Hahn und eine Henne leben hier, jedenfalls in Teilzeit, bevor sie – hoffentlich – nach ein paar Wochen gegen die nächste Besatzung des Käfigs ausgetauscht werden.


    Hintergrund ist das sogenannte Hühnerwunder, das sich hier in Santo Domingo ereignet haben soll: Demnach war eine deutsche Familie samt ihrem Sohn namens Hugonell im Mittelalter auf dem Jakobsweg unterwegs, und hier im Ort schlug der tugendhafte Hugonell das eindeutige Angebot einer Magd oder Wirtstochter aus. Die versteckte aus Rache einen Kelch in seinem Gepäck, und der arme Hugonell wurde wegen Diebstahls vor Gericht gebracht, verurteilt und gehängt. Doch später fanden ihn die trauernden Eltern lebendig am Galgen vor, denn der Heilige Domingo oder nach einer anderen Version der Apostel Jakobus stützte seine Füße. Statt mit dem Sohn fröhlich zu verschwinden, rannten die Eltern zum Richter, um ihm zu berichten, dass ihr Sohn lebte. Der Richter, der gerade beim Essen saß, entgegnete ihnen, ihr Sohn sei so tot wie das Geflügel auf seinem Tisch. Darauf wurden der Hahn und die Henne lebendig, sprangen auf und flogen davon. Und der arme Hugonell wurde begnadigt.


    Ich kann zuerst gar kein Huhn im Käfig sehen und befürchte schon, dass die Hühner im Winter frei haben. Aber da bewegt sich doch was! Tatsächlich, Hühner in einer Kirche, das ist nach dem Weinbrunnen von Irache bisher mein persönliches Sightseeing-Highlight.




    Später fängt dann der Hahn an zu krähen, mindestens zehn Mal hintereinander. Hape Kerkeling hatte in seinem Buch behauptet, das Krähen des Hahns sei ein gutes Omen für die Pilgerschaft. Das habe ich zwar sonst nirgendwo gelesen, aber der Hahn soll ja nicht umsonst gekräht haben.


    Das Grabmal des Heiligen Domingo befindet sich ebenfalls in der Kirche, ebenso wie eine Darstellung des Hühnerwunders in der darunterliegenden Krypta.









  • Das Hühnerthema wird auch im angrenzende Domschatzmuseum mehrfach aufgegriffen, und etwas außergewöhnlich ist auch die stillende Maria, die man hier findet.








    Gegen zwölf Uhr schaffe ich es schließlich doch, meinen Besuch in der Kathedrale zu beenden, und jetzt gilt es, Meilen zu machen. Sonnenuntergang ist in 6 Stunden 20 Minuten, für die Wanderung veranschlagt mein Wanderführer 5 Stunden 15 Minuten, also bleibt mir heute nicht viel Zeit zum Trödeln.


  • Zuerst geht’s raus aus Santo Domingo und zunächst nach Granon. Die hiesige Kirche soll ein schönes Altarretabel haben, ist aber ohnehin geschlossen, so dass ich nicht überlegen muss, ob ich für die Besichtigung ein paar Minuten von meiner knappen Zeit abknapse.







    Hinter Granon überquere ich die Grenze zu Castilla y Leon und bin ab jetzt in der Provinz von Burgos unterwegs. Zum Empfang darf ich kurz darauf eine Baustelle durchwandern. Hier wird offenbar die Autobahn nach Belorada ausgebaut.




  • Laut Wanderführer soll nach der Fertigstellung der Autobahn die Wegführung des Jakobswegs geändert werden, im Moment scheint das aber noch nicht der Fall zu sein, und ich erreiche kurze Zeit später den Ort Redecilla del Camino. Der Ort bietet unter anderem einen Apotheken-Automaten mit einem vielfältigen Angebot an Blasenpflastern und Kniebandagen. Zum Glück bin ich bisher ohne Blasen und Knieprobleme unterwegs.





    Leider führen heute viele Passagen dicht an der Fernstraße oder sogar direkt daneben vorbei. Und auf diesen Straßen sind viele LKWs unterwegs. In Castildelgado treffe ich auf einen LKW-Parkplatz und auf ein Lokal, vermutlich die „Brummifahrerkneipe“, in der Hape Kerkeling laut eigenen Angaben auf seiner Pilgerschaft in Castildelgado übernachtet hat. Für mich geht’s von hier aus noch 10 km weiter.







  • Ähnlich wie Castildelgado wirkt Viloria de Rioja, der nächste Ort auf dem Weg, jetzt im Winter ziemlich trostlos. Immerhin wurde hier der Heilige Domingo geboren, aber das ändert nichts daran, dass viele Häuser etwas verfallen wirken. Neben der Kirche treffe ich einen alleine umherstromernden Straßenhund, der mich am liebsten gar nicht mehr gehen lassen würde. Als ich mich nach ein paar Minuten von ihm verabschiede, schaut er mir traurig nach.





    Kurz hinter Viloria kann man schon aus einiger Entfernung sehen, wo gleich der Wanderweg auf die Fernstraße treffen wird. Ich brauche mir bei diesem Anblick keine Illusionen darüber zu machen, dass der LKW-Verkehr inzwischen nachgelassen haben könnte. Es ist kurz nach halb vier, als ich die Straße erreiche, und ich weiß jetzt schon, dass sich die Wegführung bis kurz vor Belorado nicht mehr wesentlich ändern wird. Auch der letzte Ort vor Belorado, Villamayor del Rio, liegt direkt neben der Fernstraße. Hier werde ich wieder von einem Straßenhund empfangen, diesmal ist es aber einer der aggressiven Sorte. Er verfolgt mich bellend und knurrend durch den Ort und ich bin wirklich erleichtert, als er mich einen halben Kilometer hinter Villamayor endlich freigibt. Vor aggressiven Straßenhunden hatte ich vor der Wanderung schon Angst. Hoffentlich geht das ab hier nicht so weiter.





    Die letzten Kilometer nach Belorado ziehen sich, die LKWs werden immer nerviger. Ich bin froh, als ich kurz vor Belorado die Straße überqueren und die letzten paar hundert Meter abseits des Verkehrs wandern darf.




  • Um 17.05 Uhr komme ich schließlich nach 22,9 km an meinem Hotel an und telefoniere mit der Inhaberin. Sie ist schnell da und gibt mir noch zwei Restaurant-Tipps. Später stellt sich leider heraus, dass beide Restaurants geschlossen sind. Immerhin bekomme ich in einer Kneipe im Ortszentrum noch ein Wanderabschlussbier und mache nach einem Einkauf in einem Supermarkt ein Picknick im Bett.




    Auch wenn die zweite Tageshälfte etwas trostlos war, bin ich guter Laune: Ich habe den Hahn krähen gehört!


    Gute Nacht!

  • Dienstag, 31. Januar 2023: Wanderung von Belorado nach Villafranca Montes de Oca


    Heute morgen kann ich es wieder gemütlich angehen lassen. Ich habe nur eine kurze Etappe vor mir, und mein Rucksack wird ziemlich leicht sein. Zwischen Belorado und Burgos hat sich die Quartiersuche von Beginn an etwas schwierig gestaltet. Das Problem werde ich heute so lösen, dass ich bis Villafranca Montes de Oca wandern will, wo es zwar keine Unterkunft, dafür aber eine Busverbindung zurück nach Belorado gibt. Also bleibt der größte Teil meines Gepäcks im Hotelzimmer, und ich werde heute nachmittag für eine zweite Übernachtung hierher zurückkehren, bevor es dann morgen früh mit dem Bus zurück nach Villafranca Montes de Oca geht.


    Ich starte gegen viertel vor zehn und drehe zuerst noch eine Runde durch Belorado. Im Ort hübschen ein paar Graffitis den grauen Tag mit Farbtupfern auf. Am Ortsausgang will ich eigentlich noch ein Kloster samt Schokoladenmanufaktur besuchen, aber leider hat man hier Winterferien. Dafür gibt’s anschließend noch ein paar Graffitis zu sehen.









  • Bolorado liegt unter 800m Höhe, Villafranca auf über 900m Höhe. Ich habe gestern abend noch ausgiebig die Wetterprognosen studiert und rechne deshalb Richtung Villafranca mit Schnee. Und richtig, die Hügel hinter Tosantos, dem ersten Zwischenziel auf der heutigen Etappe, sind weiß.



    Tosantos wirkt ähnlich verlassen wie einige der gestrigen Orte, aber immerhin gibt es etwas außerhalb eine kleine Kapelle, die in eine Felswand hineingebaut ist.





    Ich frage mich, wie es hier im Sommer aussieht. Gibt es hier Unterkünfte, Bars, belebte Getränkestände am Wegesrand, Pilger, die auf den Wiesen rasten? Im Moment bin ich mal wieder ganz alleine unterwegs. Obwohl auf der Landstraße immer wieder LKWs zu sehen und zu hören sind, habe ich das Gefühl, der letzte Mensch auf Erden zu sein.



    Von Tosantos aus sind es nur etwas 2 km bis Villambistia. Der Ort liegt höher, und der Schnee rückt dichter an den Weg.






  • Der nächste kleine Ort, Espinosa del Camino, ist von hier aus auch nur noch einen Katzensprung entfernt, und hier, auf 900m Höhe, habe ich die Schneegrenze endgültig erreicht.








    Zum Glück ist der Weg weitgehend frei und auch nicht matschig, und so erreiche ich schließlich gegen zwanzig nach eins Villafranca Montes de Oca. Von hier aus werde ich morgen auf ca. 1150m Höhe durch die Montes de Oca wandern und vermutlich noch etwas mehr Schnee sehen.