16./17. Jan - Shire
Dort kommen wir am Nachmittag an und checken ins Gibtsayt Hotel ein, also Mehrtab und ich. Helen und Haben kommen anderweitig unter. Ebenfalls eine schlichte Herberge im LAS local african standard. Ich richte mich ein, dann ist Siesta bis wir abends noch mal rausgehen zum Abendessen.
Unmittelbar gegenüber vom Hotel, also ein wenig Klischeebestätigung ist das schon.
Am nächsten Tag sind wir wieder einmal eingeladen. Heute bei einer Schwester von Senayt, die in Shire lebt. Gegen Mittag sind wir dort und werden in eine gemütlich eingerichtete kleine Wohnung gebeten. Es gibt zu essen und zu trinken satt.
vorn Mitte Dulet - aus Magen
Nach zwei Stunden brechen wir wieder auf. Zur Hauptstraße von Shire laufen wir vor, um uns die Füße zu vertreten.
Dann steigen Haben, Mehrtab und ich in ein Tuc-Tuc und fahren in ein abseits gelegenes Wohngebiet mit Wohnhütten. Dort lebt derer beiden Vater. Er war in Shiraro nur zu Besuch, was auch erklärt, warum ich ihn die letzten Tage da nicht mehr gesehen habe. Denn er ist geschieden.
Er gibt Mehrtab eine Tüte, etwas anderes, was die beiden mithatten geben sie ihm, dann gehen wir noch ein Stück, bevor wir uns verabschieden und zurück ins Zentrum fahren.
Da treffen wir dann noch einen weiteren Verwandten von Haben, einen Friseur. Jetzt lässt Haben sich aufhübschen bei der Gelegenheit, da sie eh eine Weile quatschen. Danach nimmt uns der Verwandte, ein Cousin mit zu sich nach Hause.
Ein kleiner Mietbau, eher einem Bunker ähnlich. Wir gehen durch eine Eingangstür, kommen in einen dunklen Innenhof voller Menschen so mein erster Eindruck, gehen in ein schwarzes Loch, das sich als Treppenaufgang aus Beton mit schmalem Treppenabsatz ohne Geländer entpuppt. Als ich da reingehe sehe ich gar nichts, alles dunkel, weil keine Beleuchtung, dazu meine Heliomaticbrille, die so schnell nicht umschalten kann, kommen auf ein oberes Stockwerk und durch eine Tür in eine Einraumwohnung. Dort „wohnt“ er mit seiner Frau und dem bislang einzigen Kind. Die Wohnung ist eingerichtet mit einer Matratze mit Decke, „dem Bett“, einem großen Koffer in einer Ecke, „dem Schrank“, einem kleinen Holzregal mit Vorhang, „der Küche“, einer Wassertonne. Von der Decke spendet eine trübe Lampe ein klein wenig Licht in dieses Loch, wo niemals ein Sonnenstrahl hineinfällt. Es gibt ein Fenster auf den fast ebenso dunklen Innenhof. Die Toilette ist irgendwo anders. Gekocht wird auf dem Obergang, oder im Innenhof, für die die unten wohnen. Lediglich ein kleiner Tisch und das Möbel für die Kaffeezeremonie stehen noch in der „Wohnung“. Ich bin entsetzt. Da leben ja die Völker im Süden besser und die haben schon nicht viel, außer ihrem Vieh. Ich darf auf dem einzig brauchbaren Stuhl Platz nehmen. Die anderen setzen sich auf irgendwas „nicht Stuhl genanntes“ bzw. auf „das Bett“. Nach etwa 30 Minuten gehen wir wieder. Ich wollte das alles eigentlich fotografieren, aber dann hätten die Bewohner vorher rausgehen müssen. Es wäre einfach entwürdigend, sie SO in dieser Umgebung abzulichten. Dann lieber nicht. Wir gehen die Treppe hinunter. Ich kann jetzt sehen, die Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Als ich aus dem Treppenaufgang in den Innenhof trete, rinnt mir irgendein Abwasser, welches oben wohl ausgegossen wurde auf den Kopf und hinten den Rücken hinab. Mich schüttelt es. Nur raus hier. Wie kann man SO leben? Diesen Satz hatte mein Freund Muller letztes Jahr fast genauso gebraucht, als er bei den Banna in der zweiten Nacht zu mir in diese Rundhütte zog und die La Cucarachas entdeckte. Hätte ich vor der Wahl gestanden, in den Bunker oder zu den La Cucarachas zu ziehen, ich hätte die Rundhütte vorgezogen.
Der nächste Tag, ein weiteres Treffen. Freund Mehrtab ist mit einem seiner Lehrer von damals verabredet. Wir treffen uns in einem Lokal und sie essen Frühstück. Ich hatte meines schon zeitiger und habe keinen Hunger. Das Treffen währt nur kurz, der Lehrer hat noch Termine.
In Shire wird heute der Selassie-Tag begangen, ein Feiertag für die Stadt. Anlässlich dieses Ereignisses gibt es eine Laufveranstaltung und die Hauptstraße ist teils gesperrt. Händler haben ihre Stände aufgestellt und bieten allerhand feil. Mich interessieren die Laufshirts. Die sehen klasse aus und haben gefühlt eine gute Qualität. Haben und Mehrtab haben sich jeder eines gekauft. Ich versuche auch zwei zu bekommen, aber meine Größe gibt es nicht. Die größte Ausführung ist in XL zu haben. Wobei die XL hier einer M oder einer klein ausfallenden L in Deutschland gleichkommt. Die Äthiopier sind ja größtenteils eher dünn geraten, aber ich mit meinem Schwarzeneggerkreuz komme da nicht rein, keine Change.
Mitten auf der Piassa, dem zentralen Platz in Shire mit dem Kreisverkehr und der Statue von Major General Hayelom Araya erwischt mich dann ein OFF. Ich posiere noch mit einer Gruppe Teenager in Laufshirts für Selfies, da merke ich es kommen. Mehrtab und Haben kommen gerade mit ihren eben erworbenen Shirts zurück, ich habe es mir auf dem Bordstein bequem gemacht. Als ich aufstehe und hinter die beiden herlaufe, merke ich bereits, das wird nichts. Zu viel Gequirle vor mir und neben mir, die Blockade kommt und die Füße stehen. Aber einen Supertanker kann man nicht plötzlich stoppen. Oben habe ich noch Schwung. Mit ein paar Tippelschritten kann ich das noch kurz ausgleichen, rufe aber schon nach vorn zu Mehrtab. Der sieht das Malheur und beide kommen sofort und bewahren mich vor dem Umkippen nach vorn. Tolle Wurst, ein Freezing gerade hier, wo alle gucken. Wir verdrücken uns ins nicht weit entfernte Hotel, wo ich mich erst einmal wieder aufpäppele. Zum Abendessen bin ich wieder fit.
auch hier wieder Tigrayhilfe