Erstmal vielen Dank für Eure Gedanken!
Ich denke, die Gründe für den "westlichen" Japan-Trend sind sehr vielfältig und viel zu langatmig, diese näher zu zerpflücken.
Flicka hat jedoch was wichtiges angesprochen, dass es für den 0815 Touri deutlich einfacher geworden ist, nach Japan zu reisen und sich dort zu bewegen, als es bei Ihrer ersten Reise der Fall war. Gemeint ist natürlich die Individual-Reise. Diese Zeiten kenne ich nicht persönlich, aber vom Hörensagen aus meine Kampfsportzeit seit 1990. Immer wieder sind Leute nach Japan für Lehrgänge und Prüfungen. Der Aufwand Drumherum war enorm, und funktionierte in der Regel nicht ohne die aktive Hilfe von Muttersprachlern aus Deutschland und in Japan.
Ganz genau 10 Jahre später kaufte ich meine erste Antiquität in Japan. Die wenigen Händler-Homepages waren zu 98% in japanisch. Ich kann mich nur an einen Händler mit einer englischen Variante erinnern, und die war sehr niedlich formuliert, was Ausdruck und Grammatik anging, ganz nach dem Motte "...wollen Rose kaufen? Rose viel gut!" Genauso war im wesentlichen die Kommunikation in der Pre-Google-Übersetzer Zeit. Bezahlen mit Kreditkarte ging damals nicht, paypal gabs noch nicht, postal money order war das Maß der Dinge.
Die Zeiten haben sich (zum Glück) dramatisch geändert. Natürlich auch im Tourismus. Eine Japan-Reise ist längst kein Hexenwerk mehr.
Der Chef meiner Tochter ist gleichzeitig ein guter Bekannter von mir, welcher nun in einem Monat das erste Mal mit seiner Frau nach Japan reist. Beruflich ist er unheimlich viel in der ganzen Welt unterwegs. Aber vor Japan hatte er einen Heiden-Respekt, welcher sich hauptsächlich auf die unbekannte Sprache und Schrift und den damit verbundenen Wechselwirkungen bezog. Ich konnte ihn zum Glück vom Gedanken einer geführten Pauschalreise abbringen, denn er ist definitiv kein Pauschaltourismus-Typ. Ich telefonierte jetzt am WE nochmal mit ihm um letztmalig einige Fragen zu klären und betonte erneut "...dass Du sehr schnell merken wirst, wie was in Japan funktioniert, und wie schnell Ihr den Dreh raus haben werdet."
Aaaaaber das macht alles den Kohl nicht fett. Es ist nicht mein erst-reisender Bekannter oder die Anime-affine Cindy oder der Cosplay-Kevin, es sind nicht die naiven Schreiber auf einschlägigen FB-Plattformen, welche zum tausendsten Mal fragen, was sie für 5 Tage in Tokyo anschauen sollen. Das sind die sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein. Wie ich schon schrieb, die relevante Masse der Touristen kommt selbst aus Asien. China und Korea vorne weg. Und das sind geführte Pauschaltouris, weil individual zu reisen kulturell und soziologisch überhaupt nicht in deren Genen liegt.
Irgendwo, ich meine bei Sumikai habe ich etwas gelesen, was ich bis dato so noch nicht kannte. Japanische Pendler sind genervt, weil die Anzeigen auf (offensichtlich wichtigen) Bahnsteigen nicht nur zwischen japanisch und lateinischer Schrift, sondern nun zusätzlich noch in chinesisch und koreanisch wechseln. Das mag im Widerspruch zum asiatischen Pauschaltourismus stehen, aber der Aktionismus der jap. Tourismusbranche ist nicht immer logisch.
Sicher mag das gestiegene Interesse für Japan auch in Deutschland und die Ausweichroute um Russland herum, sowie höhere Abgaben und Steuern für die teuren Flugpreise der "Haupt-Airlines" die Ticketkosten in die Höhe treiben.
Aber der Hype muss erstmal von den asiatischen Nachbarn nachlassen. Und das kann ich absolut nicht einschätzen. Es gibt eine chinesische Mittelschicht, der es offensichtlich gut geht und die viel Geld in Japan lässt. Und die Mehrheit dieser Touristen werden erst langsam nicht mehr kommen, wenn es sich für diese nicht mehr rechnet, oder eben bei Veränderungen in den politischen Beziehungen.
Ich befürchte, dass das Ende Fahnenstange längst nicht erreicht ist, und dass die Auswirkungen des Overtourism Japan als Reiseland für den "normalen" Japan-Fan definitiv verändern werden. Und mit den Kosten fängt es immer an.