Viele Grüße aus Freetown

  • Wir sind in Freetown, die Hauptstadt von Sierra Leone


    Kurzfristig entschieden und schnell umgesetzt. Eigentlich wollten wir in diesen Kurzferien wieder nach Banjul, britisch-afrikanisches Savoir-vivre genießen, aber Brussels Airlines bedient zwar noch Banjul, Gambia, nimmt aber keine Passagiere von Conakry mit, die in Banjul aussteigen wollen. Die Alternativen waren zu kompliziert (z.B. Flug mit der RAM über Casablanca, Abflug in Conakry kurz vor 4 Uhr morgens, also nicht ideal für Familien mit Kindern).


    Obwohl das Visum 100 amerikanische Dollar kostet, haben wir es nicht bereut, nach Sierra Leone (SL) zu fahren. Schon der Besuch in der leonischen Botschaft in Conakry lädt (den Europäer) zum Schmunzeln ein. Das ist echtes Afrika.


    Also sind wir mit unserem Auto nach Freetown gefahren. Aufgrund der weit in den afrikanischen Kontinent eingefrästen Meeresarme und der zahlreichen fehlenden Brücken verlängert sich der Conakry-Freetown-Trip von 124km Luftlinie auf 298 km. Die Fahrt wird auch verlängert durch die peniblen Polizeiformalitäten auf der guineischen und leonischen Seite der Grenze. Wir waren schon kurz davor, die Reise abzubrechen. Der vollgefressene leonische Polizist wollte uns nicht mit unserem Auto nach SL reinlassen, da wir kein „Laisser passer“ (Fahrerlaubnis für SL, die von der leonischen Botschaft ausgestellt wird) vorlegen konnten.


    Wir hatten dieses beantragt, wurden aber von dem Herrn Konsul freundlich informiert, dass ein „Laisser Passer“ nicht mehr notwendig sei. Nun gut, der Spass hat uns ca.30 Euro gekostet, 2 Stunden Warten, Diskutieren und Verhandeln, dann Hände schütteln und viel „welcome to sierra leone“, und dann ging‘s weiter.


    Die Strasse ist gut bis Freetown. Dort, in einem der Zentren, fuhren wir auf der falschen Seite, als sich die Strasse gabelte und gerieten in eine Einbahnstrasse, die genau durch einen Markt führt. Die 2 km abendliche Marktstrasse haben nochmals 1 Stunde gekostet.


    Wir haben es dann bis zum Family Kingdom Hotel geschafft, bekamen das Family Zimmer, eher ein Saal, gute 15 m lang und 7m breit, etwas grell durch 12 Neonlampen ausgeleuchtet, mit 3 mächtigen AirCons auf gefühlte 10°C abgekühlt und mit 4 kingsize Betten ausgestattet. Es gibt 2 Fernseher, einer mit einem 1,5 METER Bildschirm, davor steht ein kleiner. Das Zimmer ist sauber, die Badezimmer (1 für Männer und das andere für Frauen, so steht es zumindest auf den Türen) ebenfalls. Es gibt 25 kleine Fläschchen mit verschieden gefärbten Shampoos und Seifen. Das ist also ein Zimmer für eine afrikanische oder arabische Familie, die mit mehreren Frauen und vielen Kids anreist (der Boss hier ist Libanese).

    Well, heute geht’s raus, wir wollen die sagenhaften Strände von Sierre Leone erkunden.
    Ich melde mich später wieder.
    horas

  • Hallo Horas,
    wenn Du unterwegs bist, dann gibt es immer etwas zu erzählen und für uns zum Schmunzeln. ;)
    Ich freue mich auf weitere Episoden.
    Viel Vergnügen!
    Viele Grüße
    Petra

  • Hallo Horas,
    toll, dass Du Dich wieder von einer Reise meldest. Hatte schon fast Entzugserscheinungen, denn ich bin immer ganz begeistert von Deinen Reiseerlebnissen und vor allem wie Du darüber berichtest, stets interessant, amüsant und trotz vieler Widrigkeiten immer irgendwie unaufgeregt und gelassen. So „afrikanisch“ kann es gar nicht sein, dass Du zu erschüttern bist. Außerdem merkt man aus Deinen Zeilen auch immer, wie wohl Du Dich in Deiner doch für uns so abgelegenen Ecke der Welt fühlst.
    Freu mich auf mehr

  • Klasse Horas, Du erlebst ja wirklich noch mal Abenteuer... Zumindest die Geschichte mit dem Führerschein ist doch filmreif.... Ewig verhandelt, gut "geschauspielert" vom Grenzbeamten, sich dann das Bakschisch eingesteckt und gerufen "Herzlich Willkommen" ... Cool.
    Klar, dass Du das an der Grenze bestimmt nicht so lustig fandest kann ich mir schon vorstellen. Jetzt im Nachhinein, klingt es aber Klasse.
    Sag mal, war Dir das schon vorher klar, dass das "Problem" so gelöst wird und der Grenzbeamte sich seinen "Service" dann schlußendlich bezahlen lässt? Bestimmt, oder?


    Ansonsten sind es wie immer tolle Bilder und Eindrücke, wenn Du auf Reisen bist. Deine Family ist ja Afrika erprobt, richtig?


    Wie macht Ihr das eigentlich, wenn Ihr doch mal einen Arzt braucht? Habt Ihr da Möglichkeiten? Einen Doktor in der Nähe, oder seid Ihr dann auf Beziehungen angewiesen?

    v.Grüße Axel aka blaufotograph

  • Hallo Blaufotograf,


    Sag das ja nicht meiner Frau, dass unser Ausflug euch wie Abenteuer vorkommt! Sie würde die Welt nicht mehr verstehen. Das ist Normalität, everyday life, 1 Woche Strandurlaub mit den Kindern, nicht mehr. Für sie ist das wie Chaweng, Koh Schamui, vom Adventure-Gefühl her. Abenteuer ist für meine Frau z.B. Dschungel-Trekking in Malaysia, Wildwasser-rafting in Colorado, para-sailing auf Langkawi u.ä..


    Bzgl. Stadtbild, Hotelqualität, Preise (eine mittelmäßige Pizza in einem open-air Resto kostet hier immerhin 15 euro) in Freetown ist meine Frau allerdings enttäuscht. Sie dachte, die Anglos sind weiter entwickelt als wir (ähnlich wie das Touri-Zentrum in Gambia). Aber sie vergisst, dass SL vor einigen Jahren noch voll in einem brutalen Krieg war, und der hat das Land weit zurück geworfen.


    Was Arzt, medizinischer Behandlungsbedarf betrifft, sage ich nur: in Afrika sollte man es vermeiden, schwer krank oder verletzt zu werden. Sonst sieht man schnell sehr alt aus. Man darf aber auch nicht sein Leben hier mit permanenter Angst, Unwohlsein, übersteigerter Vorsicht zum Alptraum werden lassen. Dann ist man nämlich auf dem falschen Kontinent.


    Ich hatte mal vor vielen Jahren einen Prof der Chemie zu Besuch und wir sind beide durch die nigrische Wüste gefahren. Er meinte nach diesem Ausflug nur: ach horas, du überlebst hier nur, weil du von nix eine Ahnung hast und total naiv durch die Weit gehst. Ich nehme an, er hat Recht gehabt :D .


    Ich bedanke mich bei euch allen für die lobenden und ermunternden Kommentare. Wenn die Kinder mir die Zeit lassen, komme ich in den nächsten Tagen mit mehr live-Reportagen und Amateurfotos wieder zurück. Leider gibt es auch immer längere Unterbrechungen beim Internetprovider.


    horas

  • So, da habe ich wieder ein paar Fotos für euch. Dieses Mal muss die Stadt Freetown dran glauben. Da ich nichts verschönen will, habe ich so fotografiert, dass man ein bisschen die fremdartig wirkende Ansicht dieser schnell wachsenden Stadt sieht.


    Von der landschaftlichen Lage könnte es die Perle am Atlantik sein. Leider wird wild darauf los gebaut, es gibt keine sichtbare Müllabfuhr, keinen Erosionsschutz, wenig Strom etc. etc. .


    Aber es entstehen auch neue Strassen. So könnte in wenigen Jahren die noch intakte Gegend, nordöstlich von Freetown, um die River nb 1 and 2 herum für den Tourismus erschlossen werden. Die Chinesen bauen gerade einen großen Komplex an dieser malerischen Küste. Mal schauen, was daraus wird. Moderne Housing-Areas, die wirklich nett aussehen, wachsen auch schon aus dem nichts. Wenn die Pizzapreise dann noch halbiert werden, könnte SL ein interessantes Ziel für Beach-, Tam-Tam-, Dschungel-hungrige Westerners werden.


    horas

  • Hallo horas,
    wenn ich mir die Bilder von Freetown so anschaue, dann erinnern sie mich an Monrovia, aber da mag ich mich auch täuschen.
    Euer Zimmer ist ja spitze!
    Und gehst Du so naiv durch die Welt? Das mag ich nicht glauben. ;)
    Danke für die Bilder und Geschichten und weiterhin gute Erholung und viel Spaß!
    Viele Grüße
    Petra

  • Quote from horas

    ... und noch ein paar Bildchen.
    Das letzte Foto habe ich in unserem Zimmer hier im Family Kingdom Hotel aufgenommen. Echt süß!
    horas


    Hallo Horas danke für Deine ganzen Infos. Vielleicht hat der Prof. ja Recht, aber eher noch wirst Du in der Lage sein eine vernünftige Risikobewertung vorzunehmen.


    Das Zimmer ist aber ein richtiger Tanzsaal, inkl. Chefsessel zum Fernsehen...

    v.Grüße Axel aka blaufotograph

  • So, ich komme zum Abschluß meines Berichts über unseren authentischen Urlaub in Sierra Leone.


    Ich lag allerdings die meiste Zeit dekadent in einer Lagune oder planschte mit den Kids im Wasser, und versuchte vergeblich, einen der vielen Fische zu grabschen. Die bekamen wir dann doch abends, schön gegrillt, mit einem eiskalten Star Bier in einer der vielen Strandbars serviert.


    Da bin ich auch schon bei den wenigen wirklichen Highlights in SL angelangt:
    • Strand, Lagunen, wirklich vom Feinsten,
    • „Star“ Bier, was Gutes zum vernünftigen Preis,
    • gegrillter Fisch, dessen Qualität natürlich vom Können des Kochs abhängt
    • die Menschen sind freundlich und hilfsbereit und sprechen fast alle englisches Kreolisch (u sai dong go? We dong go for woata! Wohin geht ihr? Wir gehen Wasser holen), was die Kontaktaufnahme vereinfacht. Man begrüßt sich, wenn man in eine lokale Kneipe kommt und verabschiedet sich auch beim Rausgehen.


    Touristen gibt es ganz wenige hier, und die, die man trifft, wollen authentisches Afrika erleben, was wiederum ein teures Vergnügen ist in SL und überhaupt in Westafrika. Man trifft dagegen allerhand Vertreter von staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, technischen Beratern, Expats aus dem Bergbaumilieu, moderate und fanatische Missionare und Leidsuchende und Investoren, meistens aus China und Indien. Von dieser Art Menschen tummelten sich einige in unserem Family Kingdom Hotel. Sehr nett fand ich 2 Nepalesen, die als IT-Profis bei der leonischen Telekom ihr Brot verdienen.


    Den Kindern hat der kurze Aufenthalt in SL ungemein Spaß gemacht, denn es gab neben der schönen Küste, fast überall Chips, Burger, Mayo und Ketchup und allerhand Softdrinks.


    Die Rückreise nach Conakry war wieder mal an der Grenze nicht touristenfreundlich. 5 Kontrollposten :shock: (Strassenpolizei, Immigrationsbehörde, Zoll, Gendarmerie, Militärpolizei) auf jeder Seite, garniert mit „give me money“ –Empfehlungen werden dann zu einer ermüdenden Prozedur. Irgendwann hat man dann keine Lust mehr auf diese Art von Authentizität und denkt bei sich "Wie gerne würde ich dann wohl behütet, beschützt und abgekoppelt von der Realität im klimatisierten Speisesaal auf einem weich gepolsterten Sesselchen meinen Hintern (zu) platzieren, meine Nouvelle Cuisine Häppchen zu mir (zu) nehmen und im TV den Irrawaddy an mir vorüber ziehen (zu) lassen“ (Zitat Ende). Vielleicht machen wir auch einfach mal wie normale Menschen Urlaub auf Mallorca oder in NÖ :roll: und erfreuen uns am grenzenlosen Reisen, an Sangia-drinking Contests und Brotzeit :P .


    horas


    Bild 1: Blick von Aberdeen zur Stadt
    Bild 2: idem
    Bild 3: leonische Köchin
    Bild 4: leonische Strassenverkäuferin

  • Danke Horas
    für Deinen herzerfrischenden Bericht. Ich konnte mir an manchen Stellen ein Grinsen nicht verkneifen. :D
    SL ist für mich bisher ein total unbekanntes Land. Jetzt habe ich wenigstens ein paar Bilder vor den Augen.
    Danke für das Mitreisen.


    =)

  • Auch von mir ein großes Danke schön Horas. Aber letzten Endes habt Ihr es genossen, egal ob dekandent oder nicht...


    Dann wünsche ich Dir wieder viel Spaß bei der Arbeit! ;)
    Viele Grüße
    Petra