Mystik und Realität, Geschichten aus Afrika

  • "Horas, es wäre sicher eine Bereicherung für dieses Forum, wenn Du uns etwas von der Mystik in Afrika erzählen würdest."


    Da Ebola vor der Haustür steht, sind die meine beruflichen Aktivitäten fast vollständig zum Erliegen gekommen. Ich habe deshalb etwas mehr Zeit, auch um euch ein paar Geschichten zu erzählen, die den fließenden Übergang von Realität zur Mystik oder die Grenzen der Mystik in Afrika beleuchten.


    In den ersten Jahren in Afrika, war ich zunächst sehr enttäuscht, dass nichts Unerklärliches passierte, auch zum Leidwesen der Afrikaner, die mich von der Existenz des Übernatürlichen überzeugen wollten. Ich behaupte hier fest, dass alle Afrikaner an das Übernatürliche glauben, egal welcher Konfession sie angehören und unabhängig von ihrem Bildungsniveau.


    Meine Suche nach dem Unerklärlichen fing 1984 im Niger an, wo mir irgendwann in einer banalen Show gezeigt werden sollte, wie ein Magier Baumblätter zu Geldscheine transformiere. Es war der jüngere Bruder des Sultan Amadou von Zinder und Kano, der das Spektakel organisieren wollte. Leider kam es nicht dazu, da der Magier mehrmals aus unterschiedlichen Gründen absagte, bis der kleine Bruder des Sultans seine Überzeugungsanstrengungen aufgab.


    Über die Jahre erfuhr ich unendlich viele Geschichten, was so alles an Unerklärlichem passiert; ich selbst, konnte aber nie etwas dieser Art beobachten.
    Dann kam der große Moment, wo ich selbst zur Verkörperung des Unerklärlichen, des Unheimlichen werden sollte. Ich wurde zum Player auf der Bühne der Magie :shock: und zum lebenden Beweis, dass der weiße Mann mit Geistern auf du und du steht. Das war in Podor, einer kleinen Stadt im Norden des Senegal, direkt am Senegal-Fluss gelegen.


    Podor ist einer der heißesten Plätze, wo ich gelebt habe. Neun Monate im Jahr steigt das Thermometer tagsüber auf 45 bis 47°C im Schatten. Meine Rettung war die Nähe des Flusses, dessen schmuddeliges Ufer circa 200m von meinem Haus entfernt war. Erschöpft von der Hitze fragte ich eines Tages die Jungs aus meiner Nachbarschaft, die jeden Abend bei mir herumhingen, ob wir nicht ein bisschen Schwimmen gehen sollten. Nach kurzem Zögern willigten sie ein und wir marschierten zum Flussufer. Auf unserem Weg merkte ich schon, dass irgendetwas im Busch lag. Als wir vor dem gut 200m breiten Fluss standen, sagte einer der Jungs zu mir, ich sollte doch bitte nicht ins Wasser gehen. Nanu, was hatte das denn zu bedeuten, erwiderte ich. Ach, der Fluss akzeptiere keine Fremden, wurde mir zögerlich erwidert. Jeder Einwohner der Stadt habe in Abhängigkeit seines Wohnviertels einen bestimmten Strandabschnitt, wo er sich waschen darf. Und ich, ein völlig Fremder, der keine Familie in Podor habe, dürfe gar nicht in den Fluss.


    Meine Frage, ob das ganze mit Schlangen, Krokodilen oder Kaimane zu tun habe, wurde verneint. Es seien die „génies“ des Flusses, die so entschieden haben. Und diese würden mich auch in die Tiefe ziehen, wenn ich das Gesetz nicht beachtete. Noch nie sei ein Fremder lebend aus dem Fluss gekommen, flüsterten sie mir zu.


    Na ja, dann wollen wir mal die „génies“ herausfordern, sagte ich, zog mich bis auf die Badehose aus und sprang ins Wasser. Die zahlreichen Frauen, die sich und ihre mitgebrachte Wäsche neben uns im Flachwasser wuschen, hörten mit ihrer Arbeit auf, zogen sich ans Ufer zurück und beobachteten das kommende Spektakel. Ich tauchte ab und schwamm weit raus in den Fluss. Meine Jungs standen auch am Ufer und warteten darauf, dass mich die „génies“ in die Tiefe ziehen würden. Mir fiel da nichts Besseres ein, als den toten Mann zu spielen, d.h., ich legte mich auf den Rücken und trieb langsam flussabwärts. Als ich mich nach 10 Minuten wieder bewegte und ans Ufer zurück schwamm, wichen die vielen Menschen, die mittlerweile gekommen waren, um meinen unweigerlichen Tot mit zu verfolgen, vor mir zurück. Mein Freund SK sagte mir später, dass eine Alte immer wieder ausrief, dass sie schon immer wusste, dass die Weisen mit den génies auf Du und Du stünden. Ein Mann, der auf dem Wasser liege und schlafe, sei doch der beste Beweis dafür.
    Aber es gibt tatsächlich auch das Unerklärliche, davon aber später.
    VG
    horas

  • Und nun eine Geschichte aus der Gegenwart, und zwar von vorgestern:


    Vor ca. 10 Tagen wurden ein iPad und ein iPhone, Mitbringsel aus unserem vergangenen Vietnamurlaub, aus unserem Schlafzimmer gestohlen. Wir sichern die beiden Geräte dort, damit sich die 6 Kinder, die bei uns leben, nicht permanent mit elektronischen Spielen beschäftigen und dabei sogar das Essen und Trinken vergessen.


    Bezüglich des Verschwindens der Geräte konnte niemand aus unserer Umgebung, der offiziell oder inoffiziell Zugang zu unserem Schlafzimmer hat, etwas sagen. Der verdächtige Personenkreis umfasst circa 10 bis 15 Personen.


    Meine Frau, die die Dinger bezahlt hat und entsprechend wütend war (ich war insgeheim zufrieden, da mir die Begeisterung der Jugend für diese Spielchen unheimlich wurde), informierte alle, dass für Dienstagmorgen ein Fetischeur mit seiner Schlange komme und den Dieb enttarnen werde.
    Das Spektakel mit der Schlange habe ich schon einmal vor 2 Jahren beobachten können. Es erzeugt schon Gänsehaut, und ob die Schlange wirklich weiß, wer der Dieb ist, bleibt auch dahin gestellt. – Ich mag eigentlich Schlangen nicht, es sei denn, sie werden mir als leckere Speise und nach vietnamesischer auf einem Teller serviert.-


    Die Vorstellung läuft wie folgt ab: alle verdächtigen Personen setzen sich im Kreis um den Fetischeur. Dieser sitzt mit seinem Sack, in der eine recht große Schlange lungert, in der Mitte des Kreises. Nach allerhand Gemurmel, lauten Sprüchen, in denen auch Koranverse eingebunden werden und drohenden Blicken, lässt er die Schlange aus dem Sack.
    Fortsetzung folgt demnächst (ich muß zur Schule, die Kinder abholen)
    VG
    horas

  • Hallo horas,
    da ich mich im Moment in einem Gebiet befinde, wo man kaum (und wenn dann nur schlecht) einen Zugang zum Internet hat, habe ich erst eben Deine Beiträge lesen können.


    Das ist ja alles sehr spannend. Hofft Deine Frau, dass sich der Dieb vorher melden wird, bevor die Prozedur beginnt?


    Viele Grüße vom Darß
    Petra

  • Es passierte also Folgendes:


    Die Schlange kam aus dem Sack und kroch los :confused: . Man sagt hier in Guinea, dass Schlangen nie Frauen beißen. Aber das ist noch untertrieben. Sie schauen sie noch nicht einmal an. Die Schlange schlängelte sich eine Zeit lang zwischen den bewegungslos sitzenden Menschen hindurch (ich stand in auf der Wendeltreppe in ausreichender Sicherheit) harrte hie und da ein bisschen aus, schaute sich die Visagen einiger Kandidaten an und versuchte schließlich in das Hosenbein eines Mannes hineinzukriechen. Dieser sprang schreiend auf und rannte davon :shock: . In dem Moment wurden auch die anderen Anwesenden von einer Panik gepackt und alle versuchten ins Freie zu gelangen. Der Fetischeur stand gemächlich auf und folgte der Schlange, die sich in einer dunklen Ecke des Bürosaales zu verstecken versuchte. Dort packte er sie, und steckte sie wieder in den Sack. Ein erläuterndes Gespräch unter 4 Augen mit meiner Frau und die Übergabe des Honorars :) schlossen die Kernarbeit der Suche nach dem Dieb ab.


    Und jetzt, nach dem Verschwinden des iPad und iPhones vor ein paar Tagen (s. meine Ausführungen von heute Morgen) sollte eine erneute Schlangenschau am Dienstagnachmittag inszeniert werden. Am Morgen des selbigen Tages - wir waren gerade mit den Kindern am Frühstückstisch - kam einer der Nachtwächter mit einer Plastiktüte und übergab diese meiner Frau :roll: . Darin befanden sich die beiden Geräte und ein Briefchen. Das ganze wurde in der Nacht von 2 unbekannten Männern in einem Auto abgegeben.
    In dem Briefchen stand geschrieben, dass er (der Dieb) die beiden i-Geräte genommen habe, um seinem kranken Bruder im Dorf das Leben zu retten. Er bat auch um Vergebung :-O .
    So wirken Zauberei und die Angst vor Zauberei.
    horas

  • Ach so, hatte ich ganz vergessen: in dem früheren Fall hatten praktisch alle Anwesenden lange Finger (eine Frau war wohl sauber), nur der eine, den die Schlange am meisten mochte, der bezahlt bis jetzt monatlich ab :( , um in 50 Jahren oder so seine Schuld beglichen zu haben :D .
    VG
    horas

  • Ganz tolle Geschichten!!!
    Horas: Warum schreibst du keine Bücher? Oder tust du das schon?
    Wenn du so lange schon in Afrika lebst hast du sicher einiges zu berichten.
    Ich liebe solche Geschichten und Erzählungen.


    Zur Zeit lese ich die Reihe von Dr. Siri einem Pathologen aus Laos, der auch gut mit den Geistern kann, geschrieben von Colin
    Cotterill.

    Schöne Grüße von Annette

  • Das freut mich enorm, dass es einige gibt, die meine Geschichten lesen und das auch noch mit Begeisterung! Vielen Dank für das Lob!


    Ne, ich schreibe keine Bücher, weder über Afrika noch wissenschaftliche. Ja, es gäbe viel zu Schreiben, aber da fehlte mir bisher immer die Zeit dazu, auch war ich in Deutsch auf der Schule nicht besonders gut, hatte mein Pauker mir immer gesagt. Aber wenn die Kinder etwas größer sind und ich noch lebe, wäre das mal eine Überlegung wert. Wer weiß, vielleicht werde ich noch berühmt (und wohlhabend durch Schreiben :D )!


    VG
    horas

  • Du kannst ja wenn jetzt weniger Arbeit ist schon mal anfangen und deine Kinder könnens dann ins Reine schreiben.
    Man sollte nix verschieben, denn pötzlich kommt was daher und dann gehts nicht mehr.
    Erzählst du uns noch ein bißchen was? Bitte bitte! :D

  • Deutsch nicht so gut? Vielleicht wollte der Lehrer nur seinen Stil akzeptieren oder hapert es mit der Rechtschreibung? Alles kein Problem. Aufschreiben und dann mit Leuten, die schreiben können, korrigieren. Aber auch deine Eigenheiten drin lassen.
    Einfach ab und zu hinsetzen und kurz aufschreiben. Ausschmücken kannst du die Geschichten später.
    Ich lese auch gerne solche Stories. Mir passiert auf Bali auch so einiges und habe mir vorgenommen, Notizen zu machen.