Ich höre immer wieder, dass die Nachrichten in D und A täglich neue und schreckliche Informationen zur Ebola-Epidemie verbreiten. Auch hier bei uns in Conakry, Guinea, ist Ebola ein wichtiges Thema, das regelmäßig in den Radio- und TV-Nachrichten erscheint. Aber diese Nachrichten werden in einer Art und Weise verkündet, die eher die Hoffnung stützen, dass das ganze bald vorbei sein wird. Man versucht bisher mit Erfolg, Panik zu vermeiden.
Ich möchte zu dem Ausmaß und den Folgen der Epidemie, speziell in Guinea, einiges hinzufügen:
Es gibt nach offiziellen Statistiken seit Ausbruch der Krankheit etwas mehr als 800 Ebola-Tote in diesem Land; das ist weniger als in den viel kleineren Nachbarländern Sierra Leone und Liberia. Und das ist natürlich auch weit weniger, als die Anzahl der Menschen, die im gleichen Zeitraum an Malaria und anderen Seuchen gestorben ist.
Das liegt wahrscheinlich u.a. daran, dass bei unseren Nachbarn sanitäre Strukturen nicht sehr verbreitet sind (in Liberia soll es nur ca. 40 ausgebildete Ärzte geben) und die Ebola-Kranken nicht aufgenommen und behandelt werden können. Das heißt, sie bleiben in ihren Familien und stecken die Angehörigen an. Guinea hat in allen ländlichen Regionen Krankenhäuser und in den Kleinstädten medizinische Zentren. Leider sind diese mittlerweile sowohl in der Hauptstadt und als auch im Grenzbereich zu den betroffenen Nachbarländern durch die Migration der Kranken an die Limits ihrer Aufnahmekapazitäten gestoßen und vielfach schon überbelegt.
Das Fortschreiten der Krankheit wird außerdem durch den traditionellen Verhaltenskodex beschleunigt. In der afrikanischen Gesellschaft ist es bisher unvorstellbar, einen Kranken von seiner Familie zu trennen. Die Krankenzimmer in den Krankenhäusern sind Tag und Nacht überfüllt, weil Familienangehörige auch in diesen campieren. Und jetzt sollen die kranken Menschen in Isolation um ihr Überleben kämpfen? Das ist für viele Afrikaner unvorstellbar und inakzeptabel.
In diesem für uns Europäer schwer verständlichen Kontext kommt es dann zu schwerwiegendem Fehlverhalten. Kranke werden vor Vertretern sanitärer Organisationen versteckt, an Ebola Verstorbene werden mit Gewalt aus ihren sterilen Säcken befreit und von Familienmitgliedern, die natürlich nicht geschützt sind, beerdigt, in Krankenhäusern werden Isolierstationen und andere Einrichtungen von zornigen Betroffenen zerstört usw..
Wenn auch die Hoffnung besteht, dass über kurz oder lang ein Impfstoff gefunden wird, wird das Risiko immer größer, über einen Infizierten sich das Virus einzufangen.
Noch kann man täglich von Conakry aus nach Europa fliegen, ohne am Zielflughafen mit medizinischen Kontrollen oder gar Quarantäne konfrontiert zu werden (meine Schwägerin ist am Samstag mit AF nach Paris geflogen und hat dies bestätigt.).
Es gibt mittlerweile am Flughafen in Conakry 2 Kontrollen, bei denen die Körpertemperatur gemessen wird: beim Betreten des Flughafens und vor dem Besteigen des Flugzeugs. Mehr kann man auch nicht machen, um kurzfristig nach Ebola zu suchen. Man gibt außerdem seine Kontaktdaten am Zielort der Reise an.
Dass die Zahl an Ebola infizierter Fluggäste bisher unter einer Promille liegt, kann man daraus erschließen, dass in den Schengen Staaten bisher kein Ebola-Fall aufgetreten ist.
Zur Erinnerung: AF fliegt täglich mit schätzungsweise 200 Passagieren von Conakry nach Paris, Brussel Airlines fliegt 3 mal wöchentlich nach Zwischenstopp in Monrovia und Freetown nach Brüssel, die RAM fliegt täglich von Conakry über Casablanca nach Europa und Nordamerika.
Und zu guter Letzt: wir (meine Frau, 2 Kinder + ich) verlassen bis auf unbestimmte Zeit Guinea. Wir reisen nach Deutschland und lassen Vieles in Guinea zurück .
Viele Grüße aus Conakry
horas