Quote from HaPeRiegerDisplay MoreHallo Angelika,
die Reise ist ja noch ganz frisch und die Eindrücke warten noch im Rohzustand auf ihre Verknüpfung und Verarbeitung. Bei mir kann das schon mal ein paar Wochen dauern, bis ich wirklich verstanden habe, was ich erlebt habe. Vielleicht ein Tribut an das Alter ?
Es gibt da so viel eigentlich nicht zu berichten. Der Bahnhof Beijing West ist - wie alles in China - gigagtisch groß. Es gibt ca. 10 Wartehallen, in die jeweils ca. 2500 Menschen passen. Und es sind immer alle Wartehallen voll. Dazwischen, drunter und draußen vor der Tür tummeln sich noch einmal etwa doppelt so viel Menschen. Der Bahnhof alleine ist also schon eine kleine Großstadt. An zentraler Stelle befindet sich eine Information, besetzt mit einem (!) Mitarbeiter, der in meinem Fall nicht englisch sprechen konnte. Alle anderen (etwa 3 Dutzend) Informationsstände waren nicht besetzt.Jede Wartehalle ist ausgelegt für genau zwei Züge, in die jeweils um die 1000 Personen passen. Auf diese Weise werden die Massen schon einmal vor-kanalisiert. Zunächst war ich etwas verwirrt, weil man an diesem Bahnhof keinerlei Gleise und keinerlei Züge sieht. Zu diesen kommt man erst ganz zum Schluss, wenn man alle Kontrollen hinter sich hat. Viele Passagiere kommen nicht nur mit Koffern auf den Bahnhof, sondern auch mit Plastikeimer. Diese werden dann - auch - dazu benutzt, dass man sich im Zug doch noch irgend wo hinsetzen kann, wenn man nur eine Stehplatz-Fahrkarte gekauft hat.
Sehr üblich ist es in China, dass man sich vor und während der Reise mit einer Art Fertig-Nudelsuppe verpflegt. Diese werden überall angeboten für 3 bis 8 Yuan in allen Supermärkten und allen Bahnhöfen. Entsprechend gibt es dann in den Wartehallen immer auch einen Ort, an dem kostenlos (beinahe kochend-) heißes Wasser aus einer Wasserleitung sprudelt. Die etwa 1 Liter fassenden Nudelbehälter beinhalten neben den Nudeln auch alle Gewürze separat abgepackt und verschiedenen Einlagen (in der Regel fleischhaltig) sowie eine Klappgabel. Man kippt nun alle Zutaten in den Behälter, füllt ihn zur Hälfte mit heißem Wasser, verschließt ihn wieder mit der Gabel am Rand senkrecht durch den Aludeckel gepiekst und lässt alles ein paar Minuten ziehen. Wir haben lange überlegt, ob wir dieser Wasserquelle vertrauen wollen und haben es schließlich nach Abwägung aller Umstände getan. Ja was soll ich sagen: Die Suppe war einwandfrei (auch ohne Fleischeinlage) und hatte keine negativen Folgen.
Zu den Zügen kommt man in der Wartehalle durch eine Schleuse, die erst beim "boarding" geöffnet wird. Hier wird noch einmal das Ticket kontrolliert. Dass man also versehentlich in den falschen Zug steigt, ist mit diesem System unmöglich. Die Softsleeper sind untergebracht in einzelnen Abteilen mit jeweils vier Betten. Da wir vier Personen waren, hat es gerade gepasst. Die Betten sind größer und bequemer als alles, was ich von der deutschen Bahn, sowie aus Indien und Thailand kenne. Wir hatten das erste Abteil des ersten Wagens und damit die Ehre, alle Geräusche der Lok (insbesondere das Signalhorn alle 10 Sekunden) mitzubekommen. Die Toilette nebenan ("eastern style" ) war nach der halben Fahrt aus Hygienegründen kaum mehr zu benutzen und stank furchtbar. Meine Begleiter und ich haben geschlafen wie die Murmeltiere. Am Morgen gab es wahlweise Kaffee oder Tee (pur oder gesüßt), was aber eigentlich alles gleich geschmeckt hat. Angekommen sind wir in Xian nach rund 10 oder 11 Stunden mit etwa einer Stunde Verspätung und sind mit dem Taxi ins Hotel gefahren. Erst einen Tag später entdeckte ich zufällig, dass Xian inzwischen über eine U-Bahn verfügt, die sowohl am Bahnhof als auch direkt neben unserem Hotel hält.
Die Idee mit dem Zug war, dass wir relativ günstig eine weite Strecke über Nacht zurück legen (über 1000 km) ohne dabei einen Tag zu verschwenden und dabei ausgeruht ankommen und als Zuckerl noch eine Hotelübernachtung sparen. In Summe ist diese Rechnung perfekt aufgegangen und ich kann den Softsleeper in China absolut empfehlen ... sofern man grundsätzlich in Zügen schlafen kann. Man muss davon ausgehen, dass speziell Softsleeper zumindest ein paar Tage vor der Reise immer komplett ausgebucht sind. Eine Buchung vorab scheint unerlässlich zu sein.
Ciao
HaPe
Den Bahnhof in Xining habe ich genauso erlebt; unser Fahrer hatte uns seeehhrrr frühzeitig abgesetzt und durfte nicht mit in die Wartehalle. Von einem "Boarding" hatten wir nichts gehört, Personal war keines da und außer uns keine Europäer. Nach Ewigkeiten ging dann eine schmale Tür auf und alle rannten los, viele Treppen rauf und runter, anscheinend plötzlicher Gleiswechsel, vielleicht wegen der großen Verspätung, also wieder runter und rauf, und das bei ca. 2.800 Höhenmeter mit 25 Kilo Gepäck.
Dann waren die Türen "unseres" Waggons verschlossen und die nächsten und übernächsten auch. Wir haben es gerade noch geschafft in den Zug zu kommen.
Auf zum mühsamen Weg (Gänge waren besetzt mit auf noch leeren Eimern sitzenden Chinesen) zu unserem Softsleeper habe ich schon gesehen, dass alle Toiletten verriegelt waren: Ein junger englisch sprechender Chinese sagte mir, dass eine Reinigung erst in Lhasa, unserem Zielbahnhof nach 27 Stunden erfolgt und sobald eastern/western mehr als randvoll sind, wird einfach zugemacht. Der Speisewagen war auch schon komplett leer verzehrt, Getränke gab es keine und das Samowar - Abtropfbecken wurde zweckentfremdet. Auf heißes Wasser haben wir auch verzichtet