Auf Reisen bist Du nie alleine ...

  • Hallo in die Runde,


    Reisen ist super. Nachdem das aber inzwischen sehr viele Menschen bemerkt haben, tut sich da ein gewisses Problem auf: Der Massentourismus. Ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, aber uns passiert es in den letzten Jahren immer häufiger, dass uns die Reiselust vor Ort dadurch etwas verhagelt wird, dass es beinahe keinen prominenten Platz auf diesem Globus mehr gibt, an dem man nicht von Gleichgesinnten umzingelt ... geradezu erdrückt wird. Ich meine da gar nicht mal die globalen Hotspots wie Wat Pho in Bangkok, Taj Mahal in Agra oder die Verbotene Stadt in Peking. Es geht ja schon beim Königssee und dem Miniaturwunderland los. Selbst da verbringt man schon bis zu 50% der wertvollen Urlaubszeit in irgend welchen Warteschlangen, zusammen mit nicht minder genervten Leidensgenossen.


    Man traut sich gar nicht wirklich darüber zu beschweren, denn immerhin ist man selbst ja nicht nur Opfer, sondern genau so Täter in der ganzen Situation ... aber es hilft nichts. Irgendwie werden wir etwas Müde beim Gedanken an die nächste 100 m lange Warteschlange. Als ich neulich inner familiär herum fragte, wie denn die näheren Reisewünsche aussehen sollten, war die einhellige Aussage: "Egal ... Hauptsache es sind nicht gar so viele Leute da!"


    Das ist tatsächlich eine neue Situation, die wir in der nächsten Zeit bei den Reiseplanungen berücksichtigen werden. Wie geht Ihr damit um? Sind Euch die Menschenmassen an den Hotspots egal? Oder meidet Ihr gar jedwede Sehenswürdigkeiten?


    Ciao
    HaPe

  • Schönes Thema! Ich will die Auswahl meiner Reiseziele nicht vom Besucherandrang abhängig machen. Wenn ich etwas sehen will, dann unabhängig davon, ob der Ort überlaufen oder einsam ist. Nur weil viele Leute dort sind, heißt das für mich nicht, dass ein Ort sehenswert ist, aber auch nicht, dass ich ihn deshalb meide. Wenn ich weiß, dass der Andrang größer ist, dann versuche ich, antizyklisch zu reisen. Am besten besucht man die "Hot Spots", wenn die Bustouristen beim Frühstück oder Abendessen sitzen. :P


    Um den Wat Phra That Doi Suthep in Chiang Mai zu besuchen, bin ich um 5 Uhr aufgestanden, mein Roller stand ganz einsam auf dem riesigen Busparkplatz und zum Sonnenaufgang war ich mit den Mönchen alleine im Tempel.


    Am Mount Bromo in Java waren zum Sonnenaufgang vielleicht 10 Menschen, die anderen 500 waren am "Sunrise Point" und drängten sich um die besten Plätze, um allesamt das gleiche bescheuerte Sonnenaufgangsfoto zu machen, das zigtausende Male zuvor schon gemacht wurde. Am "Sunrise Point" war ich dann abends völlig alleine und hab in aller Stille den Sonnenuntergang bewundert.


    Als sich im Morgengrauen Legionen von Touristen vor dem kleinen See vor Angkor Wat versammelten, um auf den Sonnenaufgang zu warten, bin ich in den Tempel gegangen und war dort fast alleine. Versäumt hab ich nichts, denn der Himmel war stark bewölkt. Als später die Morgensonne durch die Wolken kam, hab ich herrliche Fotos gemacht, während die Herde im Tempel war. In solchen Momenten muss ich mich dann zusammenreissen, um nicht all zu verachtend über "die Touristen" zu lästern.


    Und hierzulande nehme ich mir prinzipiell einen Urlaubstag und gehe unter der Woche in Thermen, Vergnügungsparks, Hauptattraktionen oder Outlet Center. Ich würde auch niemals mit dem Auto am Freitag Nachmittag oder Samstag nach Italien in den Urlaub fahren.

  • Hi ND,


    das heißt also: Für Dich ist (!) das eine Thema und Du hast (!) Dein Reiseverhalten bereits entsprechend angepasst. Interessant


    Antizyklisch geht natürlich nur, wenn (a) Zyklen erkennbar sind, wenn (b) in der Zeit mit wenigen Touristen nicht die Gehsteige hochgeklappt sind und wenn man (c) nicht anderweitig an die Zyklen gebunden ist (aka keine schulpflichtige/s Kind/er hat).


    Ciao
    HaPe

  • Ja, das ist eine gute und berechtigte Frage. Nachdem ein Grossteil vom Rest der Welt das Reisen entdeckt hat, wird es manchmal schon eng.


    Da wir in der glücklichen Lage sind, auf Schulferien, Weihnachten oder Betriebsurlaub keine Rücksicht nehmen zu müssen, suchen wir uns andere Reisezeiten aus.
    Vor Ort schauen wir, dass wir antizyklisch unterwegs sind. So haben wir in Chiang Mai den Wat Doi Suthep in der Zeit von 12 bis 14 Uhr besucht, als die Touristengruppen beim Mittagessen waren.


    Gott sei Dank haben wir einige der globalen Hotspots schon vor vielen Jahren gesehen, als noch nicht soviel los war, wie zum Beispiel das Taj Mahal 1994, den Königspalast in Bangkok 1996, die Alhambra 1997 oder Angkor Wat 2005.


    Manchmal ist es auch gut gelöst wie in Dubai der Burj Khalifa, den man schon ein paar Tage vorher für einen festen Zeitraum übers Internet buchen und bezahlen kann. So entstehen keine Wartezeiten.


    Nur einmal erinnere ich mich, dass die Warteschlange uns zu lang war und das war vor der Westminster Abbey in London. Da haben wir sie halt nur von aussen angesehen.


    Was ich doof finde, dass man im Winter in den Alpen viele Ski Hotels nur von Samstag bis Samstag buchen kann. So kommt es manchmal zu einem Stau von München bis zu den Alpen.
    Das könnte man sicher anders lösen.

  • Wenn es sich einrichten läßt, sehe ich zu, daß es nicht gerade die Hochsaison wird. Es gibt ein paar Kandidaten rund um's Mittelmeer, die würde ich nur besuchen wenn keine Haupt- und Kreuzfahrtsaison ist.


    Wenn ich aber einen Hot Spot unbedingt sehen möchte, sind mir die Menschenmassen dann auch egal. Irgendwie hab ich immer mein Plätzchen gefunden. Es war auch manchmal sehr überraschend, wie leer manche Sehenswürdigkeiten waren. Vor 2 Jahren in Jordanien hatte ich überall meine Ruhe. Ich denke, jeder weiß auch warum. Wenn andere abgeschreckt sind, sollte man die Chance wahrnehmen :thumbsup:
    Andererseits war ich oft auch überrascht, wie überlaufen manche Hot Spots waren, wo man eigentlich nie mit gerechnet hatte. Usbekistan war so ein Kandidat. Allerdings hauptsächlich Bustouristen, da konnte man schon gewisse Zyklen erkennen :P
    Ich versuche auf Reisen auch immer einen Ruhepunkt für mich zu finden. Das kann eine Gegend sein, die im Reiseführer vielleicht mal gerade eine Fußnote wert ist, oder garnicht drin steht.
    Es gibt aber auch Kandidaten, die werde ich mir nicht anschauen, weil sie generell in Foren oder Prospekten dermaßen präsent sind, so daß da keine Neugierde bei mir geweckt wird, sondern eher Abschreckung.


    Wer die Massen vermeiden möchte, dem bleibt wohl nur der Fokus auf weniger bekanntes oder außerhalb der Saison.
    Oder man ändert seine Prioritäten. Ich bin dieses Jahr wieder zur Hauptsaison auf Rügen. Dort habe ich das Wandern für mich entdeckt. Es tut mir gut und ich hab meine Ruhe.

  • Nur einmal erinnere ich mich, dass die Warteschlange uns zu lang war und das war vor der Westminster Abbey in London. Da haben wir sie halt nur von aussen angesehen.

    Westminster Abbey hab ich viele Jahre lang nur von außen gesehen. Aber auch dort gibt es die Möglichkeit, Tickets vorab zu kaufen und die Warteschlangen auszulassen. Am Eiffelturm hab ich ganz vorne in der Schlange jemanden gefragt, wie lange er schon ansteht. Die Antwort war "ca. 30 Minuten". Hätte er gesagt "2 Stunden", dann wäre ich eben nicht raufgefahren. Die längsten Warteschlangen hatte ich bisher in Istanbul vor den großen Moscheen und dem Topkapi-Palast. Keine Ahnung, ob das immer so ist, es war ein saukalter Tag im April und unter der Woche.


    Das Fotografieren lasse ich mir nicht verleiden, ich schwenke dann oft um und fotografiere die Menschen:



    Sunrise at Angkor Wat



    Forbidden City (Beijing)

  • Eine Frage wäre auch, ob man seinen Urlaub immer nach irgendwelchen Hot Spots aussuchen muß. Reicht es nicht auch, wenn man eine kurze Zeit das Hamsterrad verlassen darf und sich einfach auf eine Gegend einläßt, wo die Uhren so ganz anders ticken? Einfach einen völlig fremden Alltag kennenlernen, neue und altbekannte Gewohnheiten bei den Menschen entdecken und einfach nur staunen.
    Sehenswürdigkeiten hat man mit einem Besuch "abgearbeitet", aber da gibt es doch viel mehr zu entdecken.
    Einfach "unterwegs zu sein" hat doch auch etwas ;)

  • Eine Frage wäre auch, ob man seinen Urlaub immer nach irgendwelchen Hot Spots aussuchen muß. ...
    Einfach "unterwegs zu sein" hat doch auch etwas

    Unbedingt! Ereignislose, untouristische Orte finde ich großartig!


    Die Frage hab ich (für mich) ja schon oben beantwortet. Ob etwas eine Sehenswürdigkeit ist oder ein "must see" ist für mich kein Kriterium. Ich finde kaum etwas dümmer wie die Frage: "Was muss man in XY gesehen haben?". Es ist aber auch kein Ausschlusskriterium, wenn eine Sehenswürdigkeit überlaufen ist, d.h. manches sehe ich mir TROTZDEM an.

  • Hallo,


    na ja, man muss ja nicht von einem Extrem ins andere fallen. Auf dem Rückweg vom Bolsena-See hatte "irgendwer" aus unserer kleinen Gruppe beim Frühstück die Idee, man könnte doch noch einen Abstecher nach Pisa machen. Mal ehrlich: Wer denkt sich was Böses dabei. Wenn man schon mal in der Gegend ist und den Turm habe ich tatsächlich noch nie vorher gesehen. Gesagt getan. Aber was wir dort sahen, spottete jeder Beschreibung. Alleine hunderte von besonders "kreativen" Touristen, die sich in irgend welchen seltsamen Posen vor dem Turm ablichten ließen. In Pisa entstehen in jeder Minute währende der Saison geschätzt eintausend "kuck-mal-ich-halte-den-Turm-damit-er-nicht-umfällt" Bilder. Das ist doch nicht normal, oder? Wir wollten nur eines: Schnell wieder weg.


    Sehenswürdigkeiten besuchen ist an sich ja nichts verwerfliches ... zumindest ist es genauso legitim wie die Sehenswürdigkeiten weiträumig zu umgehen. Alleine ... der Besuch macht einfach keinen Spaß mehr, wenn - egal ob Vatikanisches Museum oder Chinesische Mauer - dort vor allem immer Menschenmassen vorgefunden werden.


    Ciao
    HaPe

  • der Besuch macht einfach keinen Spaß mehr, wenn - egal ob Vatikanisches Museum oder Chinesische Mauer - dort vor allem immer Menschenmassen vorgefunden werden.

    Naja, dann hast du die Frage für dich ja schon beantwortet. Wenn es keinen Spass mehr macht, dann laß gewisse Dinge doch einfach weg, oder such nach Alternativen. Zumindest bei der Mauer wär was anderes möglich gewesen.


    Es hat sich natürlich einiges geändert in den letzten Jahren. Smartphone, Selfiestange und soziale Netzwerke sind da sicherlich nicht ganz unschuldig dran ;) Reiseforen gehören auch dazu ;)


    Mal abgesehen von Pisa, hast du denn trotzdem gute Erinnerungen an diese Reise? Wenn ja, dann ist doch alles in Ordnung. :thumbup:

  • Hi,


    wenn Du mal Lust auf 20.000 Menschen auf einen Haufen hast, aber gerade kein Fußballstadion zur Hand ist: Geh´ zum "Schiefen Turm". Da werden Sie geholfen.


    Ich kann das mit den "einsamen Orten" schon nachvollziehen. Als wir das Dieng-Plateau in Zentral-Java besuchten machten wird das genau anders als alle anderen und übernachteten auf dem Plateau in einer lausig zugigen Unterkunft. Die letzten Busse fuhren am Nachmittag ab und kamen erst kurz vor Mittag des nächsten Tages wieder. Dazwischen waren wir alleine mit den Einwohnern von Dieng Village und ihrem Alltag. Und es war super. Aber würdet Ihr wirklich den Borobudur Tempel auslassen, der in 20 km Entfernung wartet, wohl wissentlich, dass Ihr in diese Gegend wahrscheinlich nie mehr kommen werdet? Ich kann das nicht.


    Ciao
    HaPe

  • Nein, natürlich nicht. Aber du hattest doch mit dem Dieng Plateau auch deinen Ruhepunkt gefunden und dich dabei wohl gefühlt. Das sollte dann doch reichen und die lausig, zugige Unterkunft war dadurch bestimmt gut auszuhalten.
    Ich meine einfach, die Mischung macht es, einiges muß man in Kauf nehmen, dafür wird man andererorts wieder belohnt.
    Bagan fand ich toll, wenn man mich aber über Myanmar fragt, kann ich nur sagen, steig in den Zug oder auf die Fähre und fahr einfach drauflos.

  • Hi,


    also zum Borobudur gab es keine Alternativen. Den gibt es auf der Welt nur einmal. Genau den wollte ich seit 20 Jahren wenigstens einmal im Leben sehen und gottseidank waren wir dort ziemlich alleine. Aber das ist nicht der Punkt.


    Warst Du schon mal in der Basilika San Francesco in Assisi? Ich war da mehrmals. Das erste Mal vor über 30 Jahren, das letzte Mal vor zwei Jahren. Damals ein ruhiger, mystischer, hoch-spiritueller Ort. Heute ein lauter Jahrmarkt mit Fotografierverbot, Verkaufsständen im Kirchenschiff und Lautsprecher-Touri-Gruppen in jeder zweiten Bankreihe. Da muss ich nicht mehr hin.


    Es sind nicht nur die Menschenmassen, sondern auch die damit einher gehende Kommerzialisierung der Örtlichkeiten und die - sicher sogar notwendige - Kanalisierung der Besucherströme. China hat das ja geradezu perfektioniert, wie Du sicher weißt. Die "Mauer" ist tausende von Kilometer lang, aber auf einem 300 Meter langen Mauerstück werden 5000 Besucher gepfercht.


    Ciao
    HaPe

  • Aber würdet Ihr wirklich den Borobudur Tempel auslassen, der in 20 km Entfernung wartet, wohl wissentlich, dass Ihr in diese Gegend wahrscheinlich nie mehr kommen werdet?

    Borobudur hab ich zum Sonnenaufgang gesehen, da waren ca. 50 Menschen in der gesamten Anlage. Und am nächsten Tag nochmals, da war Macha Bucha ("Buddha's Birthday") mit einem riesigen Volksfest im Ort, 100en Mönchen aus der gesamten buddhistischen Welt, tausenden Schaulustigen, dem staatlichen Fernsehen und einer Rede des Staatspräsidenten. Beides toll.


    Solange 97% der Touristen zu bequem sind, früh aufzustehen, hab ich kein Problem.

  • Die "Mauer" ist tausende von Kilometer lang, aber auf einem 300 Meter langen Mauerstück werden 5000 Besucher gepfercht.

    Es gibt noch (!) jede Menge andere Abschnitte für einen entspannten Mauerbesuch.


    Aber die Chinesen sind ein gutes Beispiel, sozusagen der Prototyp des Herdentieres. Eine Landschaft ist nur interessant, wenn es ein Kassenhäuschen und einen Busparkplatz gibt. Fünf Kilometer weiter sieht's genau so aus und es interessiert keine Sau. :P

  • Urlaub wird halt heute komerzialisiert, da muß man sich keinen Illusionen hingeben. Natürlich ist es oft sehr bedenklich, wie sich manche Orte im Laufe der Zeit verändern, aber das kann man nicht stoppen.
    Gerade China ist da ein gutes Beispiel, allerdings fand ich es jetzt nicht so abschreckend, weil ich Chinesen einfach witzig finde. Einerseits können sich viele dort von den Massen gestört fühlen, andererseits profitiert man als Langnase auch von der Infrastruktur, weil man vor Ort kaum Probleme mit der Organisation hat. Das sollte man in China auch mal bedenken.
    Mit spirituellen Dingen bin ich eh vorsichtig, weil ich es damit nicht so habe und vieles auch dort nur aufgesetzt wirkt. Zumindest sollte man sich davon verabschieden so etwas im Potala Palast oder Angkor vorzufinden.
    Gerade in China existieren viele "spirituelle" Plätze nur noch deshalb, weil sie sich vermarkten lassen. Das muß einem einfach vorher klar sein.
    Natürlich muß man gewisse Besucherströme irgendwann organisieren, sonst wird alles kaputt getrampelt. Ich kann mir gut vorstellen, daß dies irgendwann auch in Angkor oder Petra durchgesetzt wird, weil es anders einfach nicht mehr möglich ist. Als ich vor vielen Jahren in Angkor war, durfte man noch zwischen den Steinen herumkrabbeln. Heute hat man in vielen Tempeln Holzwege aufgebaut, damit die Besucher in geregelten Bahnen ihre Besichtigungen durchführen. Was das für's Fotografieren bedeutet, kannst du dir sicherlich vorstellen.