Foto aus der Wüste Gobi
So weit das Auge reichte, es herrschte nur weite, flache Schotter- und Sandebene, einzig "begrünt" durch die Strommasten und Eisenbahnschienen, die dem ganzen ein wenig mehr Aussehen gaben.
Ich hangelte mich also von Wüstendorf zu Wüstendorf im Abstand von 70- 80 km (dazwischen nichts als Leere), einzig besucht durch maximal 4 Autos am Tag und den so dämlich winkenden Touristen in der Trans- Mongolischen Eisenbahn.
Die Piste konnte nur mit durchschnittlich 10 km/h besiegt werden. Dem Namen Wüste wurde die Strecke teilweise mehr als gerecht. Ich fiel nicht nur einmal brüllend zu Boden. Die Kunst des Fluchens erlernt man dabei erschreckend schnell. In diesem überdimensionalen Sandkasten war oftmals nur SCHIEBEN der einzige Ausweg.
Doch die warme Herzlichkeit in den sich im Nirgendwo befindenden Wüstendörfern war mir ein mentaler Treibstoff. Sie gaben mir Shelter, Wasser, Mut, neuen Aufwind und vor allem Wodka mit auf den Weg.
Ich war ein Highlight, ja gar ein Event, für die Kinder in diesen so trostlosen Ansiedlungen, wo die Menschen selbst träger essen und schlafen. Alles verläuft langsamer, ruhiger. Sie gamnmeln, hocken vor dem Fernseher und lassen den Tag an sich vorüberziehen. Durch die harten Bedingungen hier draußen ist eine Subsistenzwirtschaft, wie es so viele Mongolen betreiben, kaum möglich. Daraus folgt eine hohe Arbeitslosigkeit und Niedergeschlagenheit.
10.07. Pures Wüstenerlebnis und heftiger Motivationseinbruch:
Eine neue Info erreichte mich gegen 14 Uhr. Timo sitzt im heftigsten Wüstensturm, Sicht miserabel und die Motivation ist ziemlich eingebrochen. Er kommt stündlich ca. 6 km vorwärts und ca. alle 12 km trifft er auf Nomaden, die ihn motivieren und äußerst nett zu ihm sind. Auch die heutige Nacht ist bei einer Nomadenfamilie gesichert.
Sichtverhältnisse: um ihn herum nichts und vor ihm endloser Schotter.
12.07. Anruf aus der Gobi:
"Kopier doch bitte die erste Seite aus dem Buch "Durchgetreten"( Markus Möller
und Ronald Prokein), damit jeder weiß, wie es mir hier geht! Ich kann es im Moment
nicht besser beschreiben, denn es ist genau so und nicht anders!"
Meine Texte kann ich erst in China ins Netz setzen - leider kein "Internetcafé in der Gobi",
wer doch mal was!
Gruß aus der Wüste!
Also, hier der Text :
"Wie groß nur ist dieser verdammte Planet? Nimmt das denn garkein Ende? Ich presse die Lippen zusamnen, damit diese schwarzen dreckigenFliegen aufmeinem Gesicht nicht in den Mund hineinkriechen. Sie versuchen es durch die Nase.
Drückende Hitze lastet auf der Wüste. Meine rechte Hand rutscht vom Lenker. Krampfhaft wische ich sie am Hosenbein trocken. Schütteltes mich eigentlich seit fünf, zehn oder fünfzig Kilometern so durch? Ich weiß es nicht. Eine Blutblase platzt. Ich schreie auf und spucke zwei Fliegen aus.Mein Kopf sackt auf die Brust. Die Beine, sie treten noch. Großer Gott, ich sehe vier!
Der leere Wasserkanister in der Vordertasche klappert vor sich hin, der Sattel ächzt. Der Sand knirscht, die Fliegen summen. Ich hasse diese Geräusche und hebe mein Gesicht. Ich hasse diese Gegend, in der ich mich seit Tagen wie in einem Bild an der Wand fühle! Ich reiße den Kopf hoch. Ich hasse den ständig blauen Himmel. Und
dann, verdammt nochmal, hasse ich dieses ewige Rütteln und Schütteln, hoch und runter, auf und ab!!! Ein Schrei entringt sich meiner Kehle, die so trocken ist wie diese elende Wüste, grell und lang. Mein Blut pocht im Kopf. Ich springe vom vollbepackten
Fahrrad. Es fällt um. Es interessiert mich nicht. Ich weiß nur eins: Dieses braune, gefaltete, gemeine Ding, der sogenannte Weg nach Peking, ist an allem schuld! Ich trete und beschimpfe ihn. Mein Körper vibriert wie bei Schüttelfrost. Ich gehe in dieKnie, schleppe mich auf allen vieren zum Fahrrad, krame in der Rahmentasche
nach meinem Messer. Wie wild steche ich auf den Sand ein. Meine Hände zittern, sind schweißgebadet. Die Piste soll leiden, genau wie ich. Ich merke nicht einmal, daß ich mich selbst an der Klinge schneide. Meine Augen suchen die Gegend ab. Irgendwo in der Ferne sehe ich Ronald. Meine Hände hacken langsamer werdend, weiter.
Mein Gott! Sind wir wirklich so einsam?"
Kurz vor Ziel sollte die Gobi mich noch einmal das Fürchten lehren: Rechtzeitig in einem Haus untergekommen, fing einer dieser besagten Wüstenstürme an zu wüten und katapultierte einen Stuhl so dermaßen hoch und weit, dass er das Fenster des Nachbarn durchschlug (s. Galerie "Gobi"). Ein Schulterzucken war das Höchste der Gefühle, was dem Gobiopfer zu entlocken war.
Alles in allem, eine sehr anstrengende, aber auch gewaltig intensive, erste Wüstentour.