Nina entdeckt Israel (und trifft Simeon)

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    Eins hab ich noch vergessen,

    In Israel gibt es an ziemlich vielen Stellen Nagelsperren. Oft auch solche, die Verhindern sollen, dass man die Straße gegen die Fahrrichtung befahren kann, also mit der Fahrtrichtung klappen sie runter, wenn man drüber fährt, aber gegen die Fahrtrichtung sind deine Reifen futsch. Für die Israelis, ist das kein Thema, die sind das gewohnt. Dementsprechend lassen die voraussichtlich auch genug Platz bei Rückstau.

    Aber ich (als auch nicht so erfahrene Autofahrerin) stand wie oft mit den Vorderreifen schon über der Sperre mit den Hinterreifen noch auf der anderen Seite am besten noch auf einer abschüssigen Straße und habe jedes Mal beim Anfahren Blut und Wasser geschwitzt wie seit der Fahrschule nicht mehr.

  • Vielleicht ganz gut, dass ich das mit dem Steinewerfen nicht wusste und auch nicht das mit den Straßensperren...


    Alle anderen Klippen konnten wir mit Navi und guter Planung wohl ganz gut umschiffen.


    Beim Fahren im Ausland ist mein persönlicher Horror immer alles, was mit Mautstellen zu tun hat und alles, was mit Parken zu tun hat aus lauter Angst, unwissend irgendwo zu stranden ohne zu wissen, wie man den geforderten Obulus entrichten und das Auto auslösen kann.


    Vom Fahren her war eigentlich Kuala Lumpur (meine erste Millionenstadt auf meiner ersten Selbstfahrerreise im Linksverkehr) bisher die einzige Stadt, in der ich Blut und Wasser geschwitzt habe.


    Und in spanischen und portugiesischen Dörfern mit engen Gassen zwischen Hauswänden habe ich so manches Mal geflucht, annähernd auch in Nazareth, als wir dort in einer so relativ engen Straße in einem Megastau steckten und nicht vor und nicht zurück kamen, das aber eher aus der Angst heraus, da noch für Stunden zu stranden.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Man kann das natürlich vermeiden in dem man nicht in ein Ultra Orthodoxes Viertel fährt (oder am Shabbat generell kein Auto fährt) aber ja, ich finde auch das in Jerusalem viele Viertel sich sehr ähnlich sehen (Simeon sagt jetzt wahrscheinlich gleich die sehen doch ganz unterschiedlich aus :-O). Wenn man sich dann eh schon nicht auskennt kann dass schnell verwirrend sein und schon ist man im Ultra Orthodoxen Viertel und hat zwei eingeworfene Fensterscheiben.


    Gut Maut gibt es in Israel glaub nur 2 oder 3 stellen wo man die bezahlen muss etwa die "Fast Lane" bei Tel Aviv.


    Parken ist wie gesagt seit ein paar Jahren so dass man wo früher Parkuhren standen nur noch per App bezahlen kann und für die braucht man eine israelische Sim. Strafzettel kann man aber bei jeder Post Stelle in Israel bezahlen das ist relativ unkompliziert.


    Stau bin ich eigentlich immer relativ entspannt, glaube dass liegt einfach daran dass ich durch Jahrelanges fahren mit der Deutschen Bahn eine stark erhöhte Leidensfähigkeit habe was so etwas angeht.

  • Ich kann mich erinnern dass ein lieber Hilfsbereiter Israeli dich zu einer Werkstatt gebracht hat wo ein netter Herr dir die scheiben für relativ kleines Geld ersetzt hat. :saint:


    Der Carmel Tunnels kostet auch Maut, aber dafür muss man halt nicht durch Haifa durch.

  • Du hast "unheimlich gutaussehend" vergessen ;)


    Und Ja, lustige Anekdote auch. Da du mich ja zu eine palästinensischen Werkstadt gefahren hast der sofort gefragt hat "Steinwurf" ich mit hochrotem Kopf wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Dann hat er gefragt ob er Plastik oder Glasscheiben einsetzen soll. Ich hab verwirrt zu dir uns zu ihm geschaut. Dann hat er gemeint "Die Siedler nehmen immer Plastik scheiben die gehen bei Steinen nicht so schnell Kaputt. Ich hab erst gedacht ich hab mich verhört, frag nochmal nach "Die Siedler kommen zu euch um ihre Autos Reparieren zu lassen?" und er sagt "Ja, ganz viele Siedler fahren zu palästinensischen Werkstätten wir sind viel günstiger als die israelischen Werkstätte." Bin ich die ganze Heimfahrt nicht drauf klar gekommen.

  • Hallo Ninka,


    vielen Dank für den Bericht, den ich schon vor ein paar Tagen gelesen habe.


    In Israel (u. a. auch „auf den Golanhöhen“, in einem Kibbuz) war ich vor mehr als 10 Jahren in einer Reisegruppe mit einem super Reiseleiter. Es war eine unglaublich eindrückliche Reise, an der ich noch nach Rückreise lange Zeit verarbeiten musste. Alles ist so komplex und wiederum auch wieder für mich widersprüchlich, gleichzeitig verwunderlich, eigentlich weiß ich gar nicht, wie ich das alles bezeichnen soll. Normalerweise bin ich eher als Individualtouristin unterwegs, bin aber sehr froh, einen so guten Reiseführer gehabt und so viele Informationen erhalten zu haben, die ich sonst niemals erhalten hätte. Ich kann eigentlich nur empfehlen (entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten) eine Israelreise mit einem sehr guten Reiseleiter zu machen.


    An etwas ganz Unspektakuläres erinnere ich mich immer wieder: ein wunderbares Picknick unter Bäumen im Stadtwald von Jerusalem.


    Wir sind ebenfalls durch ein ultraorthodoxes Viertel gefahren und wir wurden auch vorgewarnt, dass manchmal Steine fliegen können … das war aber nicht das einzige, was mich ein wenig „verstört“ hat, ebenso die anderen Infos, die wir dazu im Vorfeld erhalten haben.


    Man konnte sich übrigens auch schon damals den Einreisestempel separat auf einem Blatt geben lassen. Ich habe es nicht machen lassen, war danach mit diesem Pass noch im Oman und Jordanien. Bei Jordanien wusste ich, dass es kein Problem darstellt, beim Oman hatte ich mich vorher informiert, aber auch dort stellte es kein Problem dar.


    Viele Grüße

    Sabine

  • Hebron Teil 3

    Seit meinem zweiten Besuch sind ein paar Wochen vergangen. Schon direkt nach meiner Rückkehr hab ich Simeon bekniet, ob er nicht jemand kennt der mich in H1 auf der palästinensischen Seite rumführen kann. Simeon sagt das er zwar ein paar Leute kennt die in Hebron arbeiten aber er denkt er nicht dass die Zeit oder Lust haben sich als Fremdenführer zu betätigen.
    Zwischenzeitlich dachte ich das wird nichts mehr, erst durch konsequentes quengeln und drohen zur Not ganz alleine nach Hebron zu fahren lenkt er schließlich ein und erklärt, dass er mit einem bekannten gesprochen hat der mich rumführen würde.
    Es ist nicht so leicht einen Termin zu finde. Ich habe schon einiges gesehen, will aber noch mehr sehen und Simeon besteht darauf mich nach Hebron zu fahren und so kann mal er nicht mal ich nicht. Schließlich finde ich einen Tag, an dem ich kann und auch Simeon freihat.
    Aber da ist Yom Kippur und da kommt man mit dem Auto nicht weit erklärt er mir. Stattdessen machen wir an Yom Kippur eine Radtour ins Grüne (aber dazu schreibe ich vielleicht ein anderes Mal).

    Schließlich finden sich ein Termin, Simeon will nach Hebron um sich mit Leuten von Breaking the Silence und anderen Gruppen zu treffen, er bleibt aber über Nacht und das bedeutet ich muss auch über Nacht bleiben, Simeon erklärt aber sein Bekannter kann das organisieren. Simeon erklärt mir aber auch, dass die Lage sehr angespannt ist. Und in Hebron zu sein aktuell nicht ganz ungefährlich ist. Er betont das mehrmals und unmissverständlich, aber es ist mir egal, ich habe mir das in den Kopf gesetzt, ich will da hin.
    Vor lauter Freude kann ich meine Klappe nicht halten und Mark und Isabel wollen auf jeden Fall auch wieder mit. Simeon wirkt wenig begeistert als ich ihm erzähle, dass die beiden auch mit wollen, sagt aber nichts dazu, außer dass er das erst abklären muss. Am Tag darauf er zählt er uns, dass wir alle drei mitkönnen, er betont nochmals, dass das nicht ungefährlich ist, aber wir sind alle unbeirrt.

    Wir fahren also mit Simeon nach Hebron in einem Auto von BtS.
    In Hebron macht er uns mit Marcel bekannt. Marcel ist Spanier und ein Aktivist, der sich aktiv für die Sache der Palästinenser einsetzt. Er wirkt wie jemand der die ganze Nacht durchgefeiert hat (Die Verknüpfung dazu werde ich kurze Zeit später machen). Simeon gibt ihm eine riesige Sporttasche und Mark hat sofort Angst in etwas Illegales verwickelt worden zu sein, er flüstert zu mir was ich glaube was in der Tasche ist, traut sich aber nicht die beiden zu fragen. Seine Nervosität steckt Isabel an und ich bin davon leicht genervt. Weshalb ich frage was in der Tasche ist, wovon Mark nun wenig begeistert ist. Marcel zeigt uns den Inhalt der Tasche, darin sind Taschenlappen, Batterien, Fertiggerichte und vor allem Energydrinks. Wir alle müssen herzlich lachen und die Nervosität ist erstmal weg.
    Wir stellen einander kurz vor, Marcel erzählt uns von seiner Arbeit hier, er und andere bewachen Nachts Häuser von palästinensischen Familien, die von der Räumung durch Siedler bedroht sind. Finanziert wird dies vor allem durch Spenden. Auch Marcel erklärt uns in Simeons Beisein noch einmal, das die Lage aktuell sehr angespannt ist. Er erzählt uns auch den Grund. Da in letzter Zeit Siedlungen geräumt worden, sind die Siedler zurzeit besonders angriffslustig und aggressiv. So gab es nicht nur Übergriffe, sondern es wurden auch mehrere Häuser von palästinensischen Familien besetzt, die aus ihren Häusern vertrieben wurden. Die IDF (israelische Armee) hat vor einer Woche einige der von Siedlern besetzten Häuser geräumt. Der Widerstand der Siedler war so stark das über ein dutzend israelischer Soldaten verletzt wurden. Simeon erklärt an der Stelle, dass in der Regel bei solchen Aktionen immer extrem betont wird das die Soldaten gegen die Siedler sich auf jeden so deeskalierend wie möglich sein soll. Es wird immer betont, dass man alles versuchen soll, um die Siedler nicht zu verletzen. Auf die Frage warum das so ist zucken Simeon und Marcel mit den Schultern und sagen vermutlich Politik, Marcel betont, dass die meisten Siedler amerikanische Staatsbürger sein, und die USA will man nicht verärgern.

    Nun trennen sich die Wege von uns und Simeon und Marcel nimmt uns in seinem Auto mit. Erstmal geht es zum Schlafplatz von Marcel und seinen Kollegen. Fast alle die wir dort antreffen schlafen. Die Energydrinks werden in den Kühlschrank gepackt, alles andere wird in die Regale geräumt. An der Wand hängt ein Stadtplan von H2 auf dem von den Siedlern bereits besetzte Häuser Rot und von Räumung/Besetzung bedrohte Häuser mit Grün markiert sind.
    Marcel erklärt uns noch einiges zu den Hintergründen, die zum Teil sehr verwirren und unübersichtlich sind.
    Nur um es kurz zu skizzieren.
    Manche Häuser werden von Siedlern besetzt, diese dringen Nachts in die Häuser ein und überrumpeln die Familien im Schlaf und zwingen sie zum Gewaltsam ihre Häuser zu verlassen. Zum Teil warten sie auch während die Familien nicht im Haus sind.

    Diese besetzten Häuser werden zum Teil von der IDF wieder geräumt, damit die palästinensischen Familien wieder dorthin zurückkönnen.

    Aber auch die israelische Regierung enteignet zum Teil palästinensische Familien, teilweise unter fadenscheinigen Gründen wie etwa, dass das Haus abgerissen werden muss, weil keine Baugenehmigung vorliegt und es somit illegal errichtet worden sei. Das sind Häuser, die zum Teil mehrere 100 Jahre alt sind. Finde dafür mal eine Baugenehmigung. Dazu kommt noch, dass das für die Familien einen langwierigen und teuren Prozess bedeutet, den sich viele gar nicht leisten können.

    Marcel erklärt uns, dass er uns jetzt Tagsüber in H1 rumführen wird, uns dann dort zu unserer Bleibe bringt und er dann aber nach H2 zurückmuss, um ein Haus zu bewachen. Ich widerspreche, dass soeben erfahrene hat meinen Hang zum Aktivismus geweckt. Und ich will nicht in H1 übernachten, ich will Helfen. Marcel ist nicht ganz glücklich über diese Wendung, Mark und Isabell glaube ich auch nicht, aber sie trauen sich nicht etwas zu sagen. Da ich so unnachgiebig bin, gibt Marcel schließlich nach. Er packt eine Tasche und wir fahren, entgegen dem ursprünglichen Plan erstmal zu der Palästinenser Familie, bei der wir später die Nacht verbringen werden. Wir machen uns bekannt, legen unsere Sachen ab, trinken Tee.
    Etwas verspätet brechen wir nun nach H1 auf. Marcel scheint jedenfalls bestens an das Autofahren in Israel und den Palästinenser Gebieten gewohnt zu sein. Er rast durch die Straßen, als müsste er all die Zeit, die uns durch die Planänderung verloren, ging, wieder aufholen. Marcel fährt uns durch Straßen und Gebiete von H1 die wir noch nicht gesehen haben. Die Straßen sind sehr viel belebter als während der Palästinenser Tour.

    Ich ärgere mich, dass ich hinten auf der Fahrerseite Sitze, ich versuche ein paar Fotos durch die Windschutzscheibe zu machen in dem ich meinen Arm mit der Kamera von hinten nach vorne Strecke, aber die meisten sind verwackelt. Ich habe auch etwas Angst das ich bei Marcels rasanten Fahrstil ihm die Sicht nehme und wir einen Unfall bauen.
    Hebron ist hier doch deutlich anders als das Hebron, dass der palästinensische Führer uns gezeigt hat. Damals wurde der Eindruck erwähnt, ganz Hebron sei eine Geisterstadt wie in der Al-Shuhada Straße. Hier sehen wir Menschen auf den Straßen und sehr viel verkehr, wir sehen auch ein paar relativ moderne Autos auf der Straße. Wir parken das Auto und gehen zu Fuß weiter, die Hauptstraße ist sehr belebt und es gibt auch einige Geschäfte. Als ich Marcel erzähle, dass letztes Mal die Stadt ziemlich leer wirkte, frage Marcel ob wir an einem Freitag in Hebron waren. Waren wir, Freitag ist der muslimische Ruhetag. Ich komme mir unheimlich dämlich vor, dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin.
    Mit diesem Wissen, dass ich nun habe muss ich sagen, dass mich die sehr einseitige Darstellung die unser palästinensischer Führer uns gegeben hat, doch sehr stört (wie mich auch die einseitige Darstellung des Siedlers gestört hat) vor allem stört es mich, da es nichts an der Situation der Palästinenser in H2 und an dem Unrecht, das hier jeden Tag geschieht, ändert.

    Irgendwann beginnt Marcel ständig Nervös auf seine Uhr zu gucken bis er uns sagt er müsse jetzt zurück, wir würden Hebron aber gerne noch etwas weiter erkunden. Nachdem ich Marcel erkläre, dass ich mit Simeon in Ost Jerusalem bereits in einem der arabischen Minibusse gefahren bin. Und ich mir das durchaus zutraue, zeichnet er uns schließlich auf wo wir hin müssen, damit wir dort zu Fuß den Checkpoint überqueren können und es dann nicht mehr weit zum Haus der Familie haben. Wir machen noch ein geheimes Klopfzeichen aus, dass Marcel dann auch weiß, dass wir es sind und damit ist alles klar, für mich und Isabel. Mark scheint wenig begeistert und erwähnt zweimal das ihm gesagt wurde, man soll die Checkpoints nicht zu Fuß überqueren, aber er will auch nicht mit Marcel zurückfahren und mich und Isabel alleine in H1 lassen.

  • Wir erkunden die Stadt noch etwas zu Fuß und finden ein paar schöne Ecken, steigen schließlich bei Gelegenheit in einen der Minibusse. Die Minibusse sind ziemlich praktisch, man braucht keine Haltestelle, man kann sie einfach anhalten, wenn man sie sieht und dann auch dem Fahrer sagen man möchte aussteigen. Nur den Minibus anhalten, wie Simeon es in Ost Jerusalem vorgemacht hat (einfach in den Weg stellen) hätte mich doch etwas Überwindung gekostet, zum Glück war gerade ein Palästinenser da, der auch mit dem Minibus fahren wollte. Ich zeige dem Fahrer auf der Karte wo wir hin wollen und er fährt uns ohne Probleme dort hin. Wir überqueren den Checkpoint bereits im Dunkeln und sind 30 Minuten später am Haus der Familie.

    Wir verbringen noch einen netten Abend mit einigen interessanten Gesprächen. Schließlich geht die Familie ins Bett und ich stelle fest, das mein Adrenalinspiegel ziemlich ansteigt. Gegen 1 Uhr Nachts etwa bekommen wir mit wie eine Gruppe von Siedlern versucht eins der Nachbarhäuser zu besetzen, sie aber von Marcels Kollegen abgewiesen werden. Etwa 30 Minuten später klopft jemand gewaltsam an unsere Tür. Isabel und Mark sind ziemlich beunruhigt, und ich ehrlich gesagt auch, hab fürchte nur das, wenn ich jetzt zeige, dass ich auch wahnsinnige Angst habe, dass die beiden noch mehr verunsichert. Deshalb versuche ich mich zusammenzureißen. Marcel erwähnt das Simeon erzählt habe das ich aus Berlin sei und er fragt, ob ich da schon an Demos und Hausbesetzungen teilgenommen habe. Hausbesetzungen noch nicht, aber ich erzähle auf was für Demos in Berlin und Stuttgart ich bereits war. Das Erzählen hilft mir glücklicherweise mich etwas zu beruhigen und so wirke ich nach außen hin viel souveräner als ich es innerlich bin.



    Es bleibt aber nach der Klopf Aktion ruhig. Der Morgen kommt und damit auch die Erleichterung. Wir fahren zum Schlafplatz zurück wo wir Simeon wieder treffen, er ist mit zwei weitere Leuten von BtS dort und sie haben Frühstück gebracht. Simeon sieht mich und fragt sofort, ob ich schlecht geschlafen habe, "gar nicht" sage ich und er versteht sofort. Er muss lachen, später erklärt er, dass er das schon vermutet hatte, dass ich da dabei sein will. Marcel ist etwas eingeschnappt das Simeon ihn nicht "vor mir gewarnt hat". Aber die Stimmung ist insgesamt fröhlich an diesem Morgen. Alle schaffen es sich an den kleinen dingen im Leben zu erfreuen, und auch ich muss mal wieder feststellen Red Bull schmeckt nach einer viel zu kurzen Nacht leider doch wirklich gut.

    Nach dem Frühstück finden wir etwas Zeit zum Schlafen und am frühen Nachmittag geht es dann zurück nach Tel Aviv.

    Auf dem Rückweg, fahren wir durch eine der Siedlungen und als wir an einer Ampel stehen ziehen wir die Aufmerksamkeit von einem Siedler, der an der Kreuzung steht auf uns. Er beginnt sofort los mit dem Finger auf uns zu zeigen und aufs lauteste zu zetern und zu schimpfen. Ich frage ihn auf Englisch was denn sein Problem ist, worauf er nur noch lauter zu schimpfen anfängt, er verstehe, dass das BtS Logo auf dem Auto die Quelle seines Zorns ist. Vielleicht war es der Schlafmangel, vielleicht auch mein Unverständnis darüber, dass ein Mensch gegenüber anderen Menschen die er nicht mal kennt so viel Verachtung und Zorn zum Ausdruck bringen kann, vielleicht auch der Stress und die Anspannung in Hebron allgemein. Aber während wir da an der Ampel stehen und der Siedler schimpft und zetert ereilt mich ein Moment der Schwäche und ich zeige dem Siedler den Mittelfinger. Nun rastet dieser völlig aus. Rennt im Kreis herum und ich frage mich was das jetzt soll bis ich verstehe das er nach Steinen sucht. Ein paar Meter weiter sind Pflastersteine an einer Baustelle gestapelt und auf diesen Stapel rennt er nun zu, greift einen Stein, läuft wieder zu uns zurück, die Ampel wird grün worauf ich sofort hinweise. Simeon fragt mich was den los sei und ich antworte etwas verlegen "och öh nichts" als ich ihm Tags darauf meine Tat gestehe muss er lachen und ich bin erleichtert.


  • Hallo S@bine,

    Und danke erstmal!
    Simeon hat nach seinem Wehrdienst ein paar Monate in einem Kibbuz gelebt. Ich würde, dass auch unheimlich gerne mal machen. Aber es hat sich bisher nicht ergeben.

    Mir ging es da ganz ähnlich wie dir, zum Teil geht mir das heute noch so. Ich bin damals, 2012, auf jedenfalls mit gemischten Gefühlen nach Israel und mit gemischten Gefühlen wieder nach Hause.
    Ich würde auch Leuten, die nach Israel reisen, wollen auf jedenfalls empfehlen eine Führung zu machen. Zumindest in den großen Städten wie Jerusalem. Ich hatte halt das große Glück, dass ich Simeon kennengelernt habe, der mich viel rumgeführt hat und mir unter anderem auch dieses Erlebnis in Hebron ermöglicht.

    Ich werde auf jeden Fall auch noch was zu Me'a She'arim schreiben. Dort bin ich 2012 mit einer Kollegin gewesen, und 2016 nochmal mit Simeon an Purim (und an Purim in ein Ultraorthodoxes viertel zu gehen würde ich jedem empfehlen).
    Dazu werde ich auf jeden Fall nochmal etwas schreiben.