24.5.: Nach Axum
Heute soll es etwas später losgehen. Google Maps ist der Meinung, es sei nicht so sehr weit nach Axum, sodass ich mir ausrechnen kann, dass ich dort noch ein bisschen Zeit haben werde.
Vor dem Frühstück bleibt mir noch eine Stunde, in der ich ganz allein und ohne Begleitung ein bisschen um die Lodge herum spazieren gehe. Oh, das tut gut, in meinem Tempo ein bisschen herumzutrödeln, die Affen, die in Höhlen an den Abhängen hausen, schlafen offenbar leider noch.
Ein gutes Frühstück, und anschließend steht mein Scout draußen. Ich habe wohl am Vorabend gesagt, dass ich noch ein bisschen herumlaufen will, und da möchte er mich begleiten. Leider habe ich den Spaziergang ja schon hinter mir. Sorry, wusste ich nicht, dass du da bist. Aber - ganz ehrlich - ich war gerne allein unterwegs und habe mich auch nicht unsicher oder gar todesmutig gefühlt.
Am Ausgang des Parks steht wieder grüßend Mullers Vater, unverkennbar. Wir passieren den Ausgang, fahren wieder durch archaische Szenerien weiter, zunächst sehr mühsam über Pisten, sicher 2 Stunden lang. Im Grunde könnte ich alle paar Meter anhalten und fotografieren, aber ich habe irgendwie Scheu davor, aus dem Auto zu springen und einfach so Menschenbilder zu machen und beschließe einfach zu genießen.
Endlich ist Asphalt erreicht und Eshetu strahlt mich an: “Back to civilization!” Genau!
Nach 3 Stunden Fahrt hält er an: “Want drive?” Echt? Ich darf oder soll fahren? Gerne! Keine Ahnung, ob ich es einfach so darf, aber ich mache es.
An das etwas schwerfällige Reagieren des Autos beim Beschleunigen habe ich mich schnell gewöhnt. Die Straße schwingt sich kurvenreich nach oben und ebenso wieder nach unten. Ich hupe in Dörfern um Menschen zu warnen, umfahre gekonnt Kühe und Ziegen, und sobald Eshetu ein bisschen angespannt wirkt, verringere ich die Geschwindigkeit. Er kann es sicher am besten einschätzen. Das Hupen scheint ähnlich wie in Indien Kommunikation und nicht wie in Deutschland Ausdruck von Aggression zu sein: Kurzes Antippen der Hupe, Passanten weichen unmerklich zur Seite aus und ich weiß, dass sie mich wahrgenommen haben und sich in acht nehmen.
So langsam nach fast 3 Stunden Fahrt reicht es mir. In diesem Moment deutet Eshetu auf die Häuser vor uns mit der Bemerkung: “Axum.” Ich schaffe es noch nebenbei Google Maps nach dem Yeha-Hotel zu fragen und mich dorthin zu navigieren, weil Eshetu sonst zu oft fragen müsste. Ich glaube, heute habe ich den Adelsschlag erhalten. Eshetu findet ich sei “best driver”. Wir geben uns “high five”.
Axum ist fast so alt wie das Christentum und das axumitische Reich ebenso. Schnell nach dem Einchecken mache ich mich wieder auf den Weg die heute heilige Stadt zu entdecken. Bis zur Dunkelheit habe ich noch knapp 3 Stunden. Die will ich nutzen um mal alleine unterwegs zu sein, in Ruhe Leute zu gucken ohne die Aufmerksamkeit, das Gehör und den Blick immer auf einen Erklärmenschen zu richten.
Wir sind gerade schon mit dem Auto an den Stelen vorbei gekommen. Nun gehe ich zu Fuß vorbei. Die Stelen sind eigentlich Grabmale unterschiedlicher Herkunft, die teilweise nach ihrem Exil in Italien wieder hierher zurück verlegt wurden. Die Stelen sind aber nicht mein wesentliches Interesse, zumal ich auch ohne direkt zwischen den Stelen zu stehen deren Geschichte nachlesen kann.
Viel, viel interessanter finde ich die Kathedrale und das daneben liegende Kloster, in dem die Bundeslade streng bewacht wird von einem Mönch, dessen Lebensaufgabe das bis zu seinem Tod ist. Die Bundeslade ist das Behältnis, in dem die Tafeln mit den 10 Geboten aufbewahrt wurden, wie sie Moses von Gott übergeben wurden. Seit “Indiana Jones” kennen sie viele. Die Bundeslade ist heilig, und in ganz Äthiopien gibt es keine Kirche, in der sich keine Kopie der Bundeslade befindet. Kein Mensch hat sie je gesehen außer dem sie bewachenden Mönch. Und ja, ganz Äthiopien ist fest davon überzeugt, dass die Bundeslade existiert und hier gelagert wird, und so habe ich natürlich auch keinerlei Zweifel.
Und wollt ihr noch hören, wer sonst noch hier gelebt hat? Niemand geringeres als die Königin von Saba, die hier den ersten König der äthiopischen Königsdynastie gebar, die mit Haile Selassi zu Ende ging. Und das kam so: Die Königin von Saba reiste von Axum nach Jerusalem um König Salomon zu besuchen. Dieser verfiel ihr sofort und verschaffte sich mit einer List eine Affaire mit ihr. Aus dieser ging König Menelik I hervor, den die Königin von Saba in Axum gebar. Menelik selbst hat die Bundeslade später aus Jerusalem nach Axum gebracht.
Und nun wollt ihr wissen, wie man den oder die Angebetete gefügig macht? Versprich ihm oder ihr, ihn oder sie nicht anzurühren, sofern er oder sie nichts anrührt, was deins ist. Gib ihm oder ihr versalzenes Essen und stelle dein Eigentum, ein Getränk, ins Schlafzimmer des oder der Angebeteten. Nachts wird er oder sie es vor Durst nicht mehr aushalten und das Getränk - dein Eigentum - trinken. Und schon hast du, was du willst. Ganz einfach, oder?
Wieder mal gibt es ein Museum zu betrachten, in dem in nicht sehr schönen Vitrinen dicht an dicht Kostbarkeiten aufbewahrt werden: Kostbare Gewänder, Kronen, Bücher… Ich profitiere hier am meisten von dem Tipp, dass die moderne Kathedrale gleich geöffnet werde, dass ich dort dann das wertvolle Buch mit den aufwändigen Zeichnungen betrachten könne. Der Mitarbeiter kommt extra mit und aktiviert den Mönch mit der Schlüsselgewalt. Und außer mir betreten viele Pilger die Kathedrale, die bisher reglos auf den Stufen davor gelegen oder mit der Stirn an die Außenmauer gelehnt ihre Gebete verrichtet haben.
Der Mann geht mit mir zu dem kostbaren in Tücher eingeschlagenen Buch, und ich bin mir der Ehre sehr bewusst, die mir hier gerade zuteil wird. Vorsichtig berühre ich die kostbaren Seiten und wundere mich gleichzeitig, dass das überhaupt möglich und gestattet ist.