Sowas wie Oman? Kurztrip Wüste --> Jordanien

  • Wettervorhersage: Regen und Bezahlt war doch schon oder?


    Wir starten unseren Tag relativ früh. Edward wollte uns sagen wo wir hin sollen um im Toten Meer zu baden. Das Wetter ist anderer Meinung. Wir verlassen das Hotel und nach der Verabschiedung fragt mich unser Gastgeber ob ich noch bezahlen will,… Ehrlich gesagt hatte ich das nicht auf dem Schirm und gedacht vorab gezahlt zu haben. „Kein Problem wir sollen bezahlen wenn wir wieder in Madaba sind“


    So fahren wir los, diesmal ohne Boxenstop, wer weiß wie viele Löcher unser Reifen noch hat.



    Unser Ziel ist eine Stelle am toten Meer, an welcher wir runner ans das Wasser möchten. Vorher halten wir an einer Art Campingplatz und machen ein paar Fotos. Als wir den Platz verlassen wollten mit dem Auto, wir waren die einzigen, kommt uns jemand mit Rucksack entgegen. Scheibe runter, er zeigt mir seinen Ausweis auf dem ich nichts erkenne und sagt er sei von der Polizei und möchte nach Aqaba ( >250km). Das bekräftigt er indem er seinen Rucksack öffnet und mit ein Stück Militär Uniform zeigt. Ich sage ihm dass wir in die Richtung fahren und ihn ein Stück mit nehmen können, dann aber einen längeren stop einlegen. Also fährt er mit.



    Beeindruckend wie dick die Salzschicht am Ufer ist. Gehen 14 Uhr beginnt es zu regnen, daher fahren wir nach ein paar Fotos weiter ins Wadi Weida in welches wir knapp eine Stunde hinein wandern.


  • Der Himmel wird dunkler und der Wind sehr stark. Wir kehren um weil wir nicht an diesem schönen Ort sein möchten wenn es zum Wolkenbruch kommt. Unser Rückweg wird erschwert durch den Wind der kontinuierlich Sand in unsere Gesichter peitscht. Am Einstieg des Wadi ist ein Wasserwerk oÄ. Als wir fast am Ausgang sind wieder kommt und der Werker entfernen und signalisiert dass wir den Wadi verlassen sollen. Die weitere Autofahrt ähnelt dem Rückweg im Wadi, mit dem unterschied die Windschutzscheibe den Sand daran hindert in unsere Augen zu fliegen.



    Nach rund 1,5h kommen, das letzte Stück am Grenzzaun zu Israel entlang, kommen wir in Feynan an.


    Ich bereite unsere Reisen gut vor, hier habe ich jedoch kurz an mir gezweifelt. Es gibt wenige Fotos von Vorort zu unserer Lodge, ich mache auf dem Rückweg noch ein paar, aber es war etwas „surreal“.

  • Eine kilometerlange stichstraße führt vom Highway ab. Sanddünen, plattes Land und karge Berge zieren die Umgebung. Die Luft ist ein Brei aus Sand durch den man nicht hindurch schauen kann und dann gelangt man an einen Ort der aussieht wie ein Schlachtfeld (mehr Fotos wie gesagt auf dem Rückweg).



    Wir fahren durch die Straßen und sehen hier und da einen Menschen durch die Gegend laufen, zwischen zerfallenen Häusern, völlig zerstörten Autos, Sandbebel und Trümmern wohin das Auge sieht.


    Die Lodge liegt am Rand des Dana Reserve, die Anfahrt über die letzten 8km Piste wird über lokale Beduinen organisiert wenn man nicht das passende Auto hat. Dazu gibt es in diesen zerfallenen Ort eine Reception. Schilder weisen uns den Weg in einen Innenhof mit abgewrackten Carports und einem Gebäude das die besten Tage hinter sich hat, die Türen und Fenster fehlen oder sind beschädigt und es sieht nicht danach auf dass jemand hier ist.


    Ich halte den Wagen direkt vor der Tür, lasse den Motor laufen und steige aus. Der Innenraum des Gebäudes ist leer, in einem der hinteren Zimmer ein Teppich mit Gaskocher zu erkennen. Plötzlich kommt aus einem der anderen Zimmer ein Junge der vielleicht 10 Jahre alt ist. Arabisch, verstehe ich leider nicht. Er telefoniert sofort, mit einem Nokiahandy wie ich es selbst hatte vor 20 Jahren, und erklärt mir „5 minutes“.


    Ich warte mit ihm im Hof und versuche ein paar Worte zu wechseln. Die Tür unseres Autos steht weiterhin offen und der Motor läuft auch. Sicher ist sicher. Ich merke wie misstrauisch ich in solchen Situationen werde… und möchte nicht dass mein gegenüber das erkennt. Ich schäme mich eigentlich für diesen Gedanken, aber als ein Auto, eine weiße Limousine, auf den Hof fährt das aussieht als wäre es bereits in 5 dritte Welt Ländern abgewrackt worden, frage ich mich kurz welche Terroristen der Junge mit seinen Nokia gerade angerufen hat. Das Auto steuert auf unsere Beifahrerseite zu um dort zu halten und ich bewege mich im selben Moment zu meiner geöffneten Fahrertür.


    Ein Bedouin steigt aus und begrüßt mich von weitem schon mit bestem Englisch, heißt mich herzlich willkommen in Jordanien und der Feynan Ecolodge, entschuldigt sich das wir warten mussten. Er hatte etwas zu erledigen und sein Sohn hatte so lange die reception gemanaged.


    Unser Auto war geeignet um selbst zur lodge zu fahren und er erklärt uns den Weg (aus dem Hof links, und gerade aus bis zur Lodge 8km / 30min, and don’t turn).

  • Bevor wir die asphaltierte Straße auf die Piste verlassen zieht sich die zerstörte Ortschaft noch ein paar Kreuzungen.


    Wir kommen am Hotel an, es ist kein Auto auf dem Hof und auf dem Weg dorthin waren in dem Hügeln immer wieder kleine Bedouinenzelte. Ich beschließe die Wertsachen im Rucksack mitzunehmen und erst mal die Lage zu sondieren. Das Hotel ist 2005 eröffnet worden. Alles wirkt improvisiert, verlassen, stromlos. An der dunklen Theke reicht man uns süßen Tee, teilt uns die Zeiten fürs Essen mit, wann der Sunsethike beginnt, und fragt nach unseren Pässen, ein normaler CheckIn eben.


    Der SunsetHike geht in 30 Minuten los, machen wir mit beschließen wir. Ist zwar immer noch Sandsturm aber naja, es sieht nicht so aus als würde sonst noch was gehen hier.


    Mit unserem Guide Stiefeln wir also los, durch die Bedouinenstadt an einer Schule vorbei auf nächsten Hügel. Wir werden öfter gefragt wohin wir wollen.



    Oben angekommen sieht man natürlich nichts…doch es fällt leichter zu atmen und der einsetzende regen wäschte die Luft sauber.



    Jalla jalla, geht es zurück zur Lodge. Der Regen ist so stark dass wir schnell durchgeweicht sind und es nur bis zur Schule schaffen. Unter einem Carport warten wir ab bis ein Lehrer zu uns kommt und fragt ob er uns das letzte Stück fahren soll.

  • Dankend nehmen wir an. Fahrpreis: “Ein Geschenk, welcome to Jordan”



    Begrüßt werden wir von einem von Kerzen erleuchteten Hotel, das mittlerweile 6 andere Gäste empfangen hat.



    Wir essen von Abendbuffet und grübeln anschließend im Kaminzimmer wie nass wir wohl ohne Fahrer gewesen wären, schließlich hört man den Regen immer noch prasseln. Der Manager erzählt uns dass es doch nur 15 Minuten geregnet hätte, was wir draußen hören sei die Sturzflut, und fragt ob wir sie sehen möchten.


    Mit Taschenlampen gehen wir vor die Tür. Kein Wind, kein Regen, kein Sandsturm, … 20 Meter neben dem Hotel Gebäude ein reißender Strom der beängstigend schnell ist und aus welchem man Steine hört.



    Steine die mitgerissen wurden von den Wassermassen. Wenn man es hört, weiß man dass es große Steine sind die da wie Flummi-Bälle “den Bach runter gehen”.


    Morgen, wenn das Wetter besser sein sollte, gehen wir ins Wadi Dana.



    Gute Nacht.

  • Morgens ist von reissenden Strom nichts als ein Rinnsal übrig das nicht erahnen lasst was hier gestern Abend vor sich ging.



    Der zweite Tag in der Feynan Ecolodge beginnt mit einer Änderung des Plans,… eigentlich war Wadi Dana angesagt aber der Guide des Hotels meint dass die nächste Flut in wenigen Stunden kommt da es im Gebirge bereits wieder regnet. Und so wird es eine Wanderung durch das umliegende Bergland mit einem Stop bei Tee. Alle Gäste des Hotels sind mit dabei (9 Personen).


    Alles in allem eine schöne 3h Wanderung.



    Auf dem Rückweg kommen wir noch an einer weiteren Perle von Automobil vorbei und sehen in der Ferne den örtlichen Traktor anrücken um die Straße wiederherzustellen die nachts weg gespült wurde.


  • Powernap bevor es zur Beduinen-Experience geht, … Kaffee kochen bei einer lokalen Familie. Wir sind keine Fans von so etwas, aber die Möglichkeiten durch den steigenden Wasserstand begrenzt.


    Mittlerweile ist das Hotel ausgebucht, eine deutsche und eine amerikanische Reisegruppe ist angekarrt worden. Und so marschieren wir mit gefühlt 30 Leuten dir instandgesetzte Straße entlang bevor wir am Sunset Point des Vorabends (zur Erinnerung, hier hat der Sandsturm den Regen begrüßt) vorbei kommen und einem Beduinen dabei zusehen wie er Kaffee röstet und kocht.



    Ich widme mich während dieser Aufführung, bei der die Guides der beiden Reisegruppen sich über die Traditionen der Beduinen nicht ganz einig sind, der Ziegenfütterung.



    Wir sind etwas traurig dass wir in dieser Gegend genau die Regentage erwischt haben, erleben aber einen tollen Sonnenuntergang bevor wir nach dem Abendessen den Tag bei einem Tee im Kaminzimmer ausklingen lassen.




    Um 21 Uhr gehen wir schlafen,… platt vom Tag und wohlwissend dass die Reisegruppen weg sein werden wenn wir um 8 Uhr zum Frühstück gehen (es gab lautstarke Beschwerden über das frühe Frühstück um 7:00 von einigen Teilnehmern).


  • Next week we are empty. Nach dem Schlüssel abgeben unterhalte ich mich mit dem Manager der Feynan Ecolodge etwas länger. Er sagt das noch eine größere Gruppe kommt die die ganze Lodge für eine Woche gebucht hat, und anschließend niemand mehr erwartet wird. Stornierungen aufgrund “der Situation” im Nachbarland. Mir fällt auf, dass generell niemand Israel als solches anzuerkennen scheint, denn jeder spricht von Palästina.


    Es geht ein wenig hin und her, Palästina, Gaza, Juden, Touristen, Moslems,…


    Mir steht hinter dem Tresen, tausende Kilometer entfernt von zuhause, jemand gegenüber der in etwa so alt ist wie ich und der die selbe Ansicht hat wie ich. Die Welt wird immer gestörter, dabei geht es gar nicht um Kultur oder Religion. Man sollte sich einfach mit Respekt begegnen und sich nicht gegenseitig abschlachten… Der am Vorabend noch sehr taffe und Geschichten erzählende Typ steht nun hinter dem Tresen, hat einen Klos im Hals, ist den Tränen nahe. Er entschuldigt sich, dass er “mich aufgehalten hat mit unserem Gespräch”.


    Ich weiß nicht was ich darauf antworten soll.


    Wenige Minuten später sitze ich in unserem SIXT SUV und wir verlassen den Hof mit 23 penibel gepackten Kilogramm Aufgabegepäck. Vorbei an Menschen die so viel Zeit an einem Tag zu scheinen haben, wie wir sie uns daheim für eine Woche wünschen. Einen Kaffee zuzubereiten dauert hier schon länger als ich daheim aus dem Bett ins Büro benötige. Vorbei an Wohnungen aus Wellblech und Plastikplanen in denen nichts, aber doch alles ist.


    Die Straße ist in Stand gesetzt. Das Flussbett weitestgehend ausgetrocknet. Gott sei dank, der Aufpreis für ein 4WD SUV war mir diesmal zu hoch.



    Das Terrordorf vor der Lodge sieht, wenn nicht gerade ein Sandsturm wütet, gar nicht so bedrohlich aus. Einfach normaler Nahost-Flair.



    An der Rezeption, bzw. auf der Straße halten wir um ein Foto zu machen:


    Gerade in dem Moment kommt der angestellte, welcher uns 2 Tage zuvor hier empfangen hat, rausgelaufen. Im Schlepptau sein “Kollege”. Wir unterhalten uns durch das heruntergelassene Fenster kurz. Er ist wirklich freundlich.


    “Don’t go with that car to Wadi Musa short way… you need 4WD”. Ich frage mich ob ihn meine Armut, als Europäer diesen Schrott gemietet zu haben, ankotzt. “Go all the way down to Aqaba, then google maps wadi musa”.

  • Ich bedanke mich für den Tipp und wir fahren weiter. Short way. Restreichweite 250Km. Strecke vor uns ca. 90km.


    Vorbei an Sanddünen fahren wir lange Zeit geradeaus.



    Als es durchs Gebirge geht schwindet die Restreichweite auf 70km,… vor uns liegen noch 50km. Das ganze spitzt sich zu, so dass mir die Lust auf Fotostops vergeht. Umkehren ist auch keine Option mehr. Mit wirklich einem kleinsten Rest kommen wir in Wadi Musa an und tanken zuerst voll, dann checken wir ein.



    Tankstellen, zumindest außerhalb der wirklich großen Städte, sind dünn gesät.


    Little Petra Canyon Trail ist unser nächstes Ziel. Da niemand Lust auf nasse Füße hat wird es jedoch ein Ausflug in die Berge. Leider ist der Canyon noch von den zwei vorhergehenden Tagen geflutet.



    Insgesamt legen wir 8km und 300 Höhenmeter zurück bevor wir wieder in little Petra ankommen.



    Aussicht, gigantisch.


  • Zurück in Little Petra gönnen wir uns eine Pause und Kaffee.



    Alle Verkäufer dieser Welt sollten einen Workshop in Jordanien machen. “No thanks” wird hier mit “have a good day” beantwortet.


    Little Petra am Anfang und Ende unserer Wanderung:



    Auf dem Rückweg zum Hotel halten wir noch an einer Anhöhe um das Tal und die Stadt zu betrachten.



    Eine Familie sitzt auf Klappstühlen auf einem Felsen und macht ein Picknick,… als der Vater uns zurück zum Auto laufen sieht schnappt er seine kleine Tochter und läuft mit einem Granatapfel in der anderen Hand zu uns. Er kennt scheinbar nur ein englisches Wort, “welcome”. Mit diesem schafft er es aber irgendwie ganze Sätze zu formen und er erklärt mir, dass das Geschenk für meine Frau ist und ich als Mann Pech habe und nichts bekomme. “Welcome”. Wir lachen gemeinsam und verabschieden uns. Jemand am anderen Ende der Welt, mit dem ich außer dem Wort “Welcome” keinen gemeinsamen Wortschatz habe, hat den selben Humor wie ich.


    Ich frage mich woran ich bei uns in Deutschland jemanden als “nicht einheimisch” identifizieren könnte. Was er wohl denken würde, wenn ich zu ihm renne, am nächsten Stand eine Bratwurst kaufe und sie ihm mit dem Wort “Welcome” schenke.


    Gespannt bin ich auf Petra, den Ort welcher der Grund für viele ist überhaupt erst nach Jordanien zu kommen.

  • :o :shock: was ein ride !!!


    Ich konnte mich bei den letzten Beiträgen nicht zu einem "gefällt mir" durchringen, da braucht's eher ein Chapeau, ein boah, ein unglaublich - aber fantastisch.

    Und Respekt - nicht nur, dass Ihr das so durchzieht, sondern auch bezüglich Deiner Zweifel und Selbstreflektionen gegenüber den Menschen. Respekt, daß Du vertraust, die Sorgen bezüglich der Situation vor Ort so ungefiltert erfährst und den Mut, über den eigenen, gut situierten Schatten zu springen und sich einzulassen auf das, was ist.

    Und Respekt gegenüber den Menschen, die Dir vertrauen, dass Du schon noch bezahlen wirst ;)


    Habt weiter eine gute Reise,

    VG

    Gusti

    redfloyd.........................................................................................Gusti
    redfloyd.gifGusti.gif


    Heaven is where the police British, the cooks Thai, the mechanics German, the lovers Italian and it is all organised by the Swiss.
    Hell is where the cooks are British, the mechanics Thai, the lovers Swiss, the police German and it is all organised by the Italians.

  • Gusti, dem schlließe ich mich uneingeschränkt an, ich hätte es nur nicht im Ansatz so schön formulieren können =)


    Danke fürs Mitreisen und Teilhaben lassen an dieser Reise und deinen sehr ehrlichen Eindrücken und Gedanken.

    Die "kleinen" Dinge sind oft die, die den Urlaub nochmal besonders prägen - sei es gut oder nicht so gut.

    Ich bin mir sicher, dass es genau diese "kleinen" Erlebniss sind, die euch besonders nachhallen werden und auch im Herzen bleiben.

    Es ist schön zu lesen, dass es soviel Herzlichkeit gibt, wo nur paar km weiter sich die Menschen gegenseitig abschlachten.

    Was ein Irrsinn - nichts gelernt aus der Vergangenheit.


    Weiterhin eine tolle Reise mit weiterhin vielen kleinen - aber am Ende doch großen - Erlebnissen :love:


    Lieben Gruß

    Claudi

  • Oft sind die menschlichen Begegnungen mindestens so eindrücklich wie die Sehenswürdigkeiten.

    Da hast du vollkommen recht. Auf Reisen ist man am richtigen Ort, wenn man selbst zur größten Attraktion wird. Das ist für uns ein Indikator, dass noch nicht viele (vergleichsweise) Reisende an diesem Ort vorbei gekommen sind. Alles andere ist Urlaub und den verbringen wir gerne auch zwischendurch mal am Strand 8)


    Danke euch für euer Feedback. Jetzt gibt’s, mit etwas Magenproblemen, erstmal Frühstück bei toller Aussicht auf Wadi Musa: