Overtourism

  • Das sehe ich komplett anders. Wenn ich mir meine Bilder von Reisen anschaue, kommen wieder Erinnerungen hoch, die ich sicher nicht hätte, wenn ich dieses Foto nicht an dieser Stelle und in diesem Moment gemacht hätte. Vielleicht geht es Dir da anders, aber bei mir ist es so.

    Doch, das kenne ich. Ich habe mir jetzt anlässlich meines Indienkurztrips nach Ladakh letzten Monat meine Bilder von 2017 wieder angesehen und war erstaunt, wo ich da überall gewesen bin und was ich alles gesehen habe.


    Was mich halt stört, ist die implizite Annahme, dass Selfies halt Selfies sind und alle andere Knipserei hingegen tolerierbar. Ich bin fürwahr keine Künstlerin und Bilder gelingen mir so einigermaßen mit einem Ausschuss von 1:50, weil das Motiv so toll ist, nicht aber, weil ich so toll bin, wenn ich mein Handy auf irgendwas drauf halte und dann das Beste meiner 58 Versuche des gleichen Motivs in den Reisebericht stelle.

    Selfieverbot: Weil man damit solche Situation, wie Flicka sie beschrieben hat, vermeiden könnte an Orten, die an „Overtourism“ leiden und man damit möglicherweise (was sich dann in der Praxis herausstellen müsste, ob es so ist) doch die Touris abhalten könnte, die nur deswegen an einen Ort reisen, der ohnehin schon unter einer zu großen Touristenmenge leidet.

    Ich kann verstehen, dass man Bilder von sich will, auch wenn ich nicht verstehe, warum man Menschen auf Instagram und in seinem WhatsApp-Status damit langweilen muss, dass man sich minutenlang filmt mit aufgerissenen Augen und gespitzten Lippen, während das Handy einen halben Meter über einem an der Selfiestange schwebt und man sich die ganze Zeit um die eigene Achse dreht, aber niemand den wunderbaren Strand im Hintergrund sieht, weil 80% des Bildschirms mit dem eigenen Konterfei ausgefüllt sind.


    Man dürfte also stundenlang herumstümpern, aber nicht das Objektiv auf sich selbst richten? Ich glaube nicht, dass das jemanden abhält. Dann macht man das Selfie eben vor der Tür und dokumentiert so, dass man auch da gewesen ist.


    "Profi-Instafratzen" treten, glaube ich, inzwischen ohnehin gern zu zweit auf, breiten ihr Equipment aus, malen sich gegenseitig noch bisschen Glitter ins Gesicht und tauschen die pastellfarbenen Strohhüte.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Zum Thema Overtourismus kann ich noch erzählen wie wir es im Hawaii-Forum feststellen:

    Um die Menschenmassen etwas auszubremsen wurden an viele Stellen auf Hawaii bezahlten Permits eingeführt, die man in der Regel erst 30 Tage vor dem Besuch auf jeweils eigenen Webseiten besorgen muss (also möglichst viel Aufwand und wenig Puffer zur Planung drumherum). Die Permits an sich sind nicht sehr teuer, aber taggenau und meistens für einen limitierten Zeitfenster.

    Man hat damit erreicht, dass tatsächlich die Massen aus bestimmten Orten herausgehalten werden, somit ist einen Besuch noch genießbar, nur ist die Planung viel umständlicher, und dem Gelegenheits-Besucher sicherlich das Leben schwer macht, denn man kann nicht spontan dahin, wenn das Wetter gut mit einem meint.

    Ob es den "Insta-Fratzen" davon hält dahin zu kommen, kann ich nicht sagen, aber ich gehe davon aus, dass zumindest ein Teil davon, dass entweder aus Budget- oder Zeitgründen sich nicht leisten kann einen Permit zu ergattern, ist dann raus.


    Aber ehrlich gesagt, obwohl das Selfie-Phänomen schon eine Weile da ist, fand ich noch am schlimmsten die asiatischen Reisegruppen. Meine Erfahrung bis jetzt zeigten, dass wenn sie ankommen, erst nach dem alle angehörigen der Gruppe mindestens über ein paar Bilder mit unterschiedlichen Konstellationen an Mitreisenden verfügt, wird niemanden sonst die Chance geräumt, ein eigenes Bild zu machen. Und wehe man versucht sich da vorzudrängeln, da wird man so böse angeschaut, als ob die Gruppe einen lynchen wird (und wird noch als "unhöfflich" gerufen)...

    Und bevor man mich als rassisitisch beschimpft, ich habe viele asiatische Freunde und habe keine Probleme mit denen, die Schuld schiebe ich eher auf deren Reiseveranstalter, die wahrscheinlich nur sehr kurze Zeit für Photos schießen ermöglicht und somit zu diesem Gedrängnis führt...

  • erst nach dem alle angehörigen der Gruppe mindestens über ein paar Bilder mit unterschiedlichen Konstellationen an Mitreisenden verfügt,

    Ein kulturelles Phänomen (?), das wir wohl alle schon irgendwo beobachtet haben. Aber die kommen auch von ganz weit her und Fernreisen, wie sie für uns mittlerweile ganz normal sind, sind für Chinesen noch etwas ganz besonderes. Da hat das, was ich gerne etwas abschätzig "Beweisfoto" nenne, einen ganz anderen Stellenwert. Zusammen mit dem ausgeprägten Herdentrieb der Chinesen, ist das für unsereiner natürlich fürchterlich lästig.


    Wenn ich mir allerdings die Fotos von den Urlauben meiner Eltern in den 1960ern ansehe, stelle ich fest, dass da auch sehr oft meine Mutter und/oder ich drauf sind. So nach dem Motto "Mutti, stellt dich mal da hin, damit ich die Kirche fotografieren kann!"

  • Manche geben sogar zehntausende Dollar aus und nehmen erhebliche Strapazen auf sich, um auf 8.848 Meter in einer Warteschlange endlich ein Selfie knipsen zu können. Dann noch schnell eine Prise aus der Sauerstoffflasche und schon geht's wieder talwärts.

  • Ein kulturelles Phänomen (?), das wir wohl alle schon irgendwo beobachtet haben. Aber die kommen auch von ganz weit her und Fernreisen, wie sie für uns mittlerweile ganz normal sind, sind für Chinesen noch etwas ganz besonderes. Da hat das, was ich gerne etwas abschätzig "Beweisfoto" nenne, einen ganz anderen Stellenwert. Zusammen mit dem ausgeprägten Herdentrieb der Chinesen, ist das für unsereiner natürlich fürchterlich lästig.

    Aber, in wie fern ist dieses Verhalten besser als der "Insta-Fratzen"? Nur weil's ein kulturelles Phänomen ist? Man könnte die Insta-Poser genauso als kulturelles Phänomen bezeichnen, noch schlimmer, ein globales Phänomen...


    Ich finde beides unentschuldbar, denn es geht um (mangelnde) Höfflichkeit und, egal von wem, schwer zu tolerieren, gerade wenn es "en masse" vorkommt.

  • Ich finde beides unentschuldbar, denn es geht um (mangelnde) Höfflichkeit und, egal von wem, schwer zu tolerieren, gerade wenn es "en masse" vorkommt.

    Eh, ich hab nur versucht, es zu verstehen und über die Hintergründe zu mutmaßen. Chinesen und Höflichkeit passt nach meiner bescheidenen Erfahrung nicht zusammen. Was auch ein bisschen daran liegt, dass sie sich als kulturell überlegen ansehen. Respekt und Höflichkeit findet, wenn überhaupt, unter Chinesen Anwendung. Mich hingegen versuchen sie, gegen jede Vernunft und Logik, in Warteschlangen zu überholen oder am Frühstücksbuffet eines Hotels beiseite zu schieben. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn jemand, der 50 Kilo hat, versucht mich zu bewegen.


    Für mich auch irgendwie schwierig, diese kulturelle Überlegenheit zu akzeptieren, wenn man ihnen erklären muss, dass man nicht in den Hotelpool spuckt, in dem andere schwimmen. Ich frag mich dann, wann diese Feingeistigkeit eines Kon Fu Tse oder Lao Tse verloren gegangen ist.

  • Chinesen und Höflichkeit passt nach meiner bescheidenen Erfahrung nicht zusammen. Was auch ein bisschen daran liegt, dass sie sich als kulturell überlegen ansehen

    Sie haben bestimmt eine sehr alte Kultur, ob sie dadurch überlegen ist? Zumindest aus den Erzählungen heraus, eher einfach veraltet bzw altmodisch.


    Mich hingegen versuchen sie, gegen jede Vernunft und Logik, in Warteschlangen zu überholen oder am Frühstücksbuffet eines Hotels beiseite zu schieben. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn jemand, der 50 Kilo hat, versucht mich zu bewegen.

    Zum Glück habe ich die Erfahrung noch nicht gemacht, hätte mich schon ziemlich genervt, vor allem, wenn es nicht bei einen Mal bliebe. Da hätte es mindestens eine ordentliche Schelte gegeben...


    Für mich auch irgendwie schwierig, diese kulturelle Überlegenheit zu akzeptieren, wenn man ihnen erklären muss, dass man nicht in den Swimmingpool spuckt, in dem andere schwimmen

    Bitte, was?!??!? Das es einem was aus dem Mund während des Schwimmens ausläuft ist normal, aber gezielt im Swimmingpool spucken? Hätte ich bestimmt bei der Leitung des Hotels bemängelt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich derjenige bin, der einfach nie wieder zurückkommt (da habe ich schon einige Geschäfte auf meiner Blackliste :o ).


    Ich frag mich dann, wo diese Feingeistigkeit eines Kon Fu Tse oder Lao Tse geblieben ist

    Ich habe den Eindruck, dass seit geraumer Zeit, nur staatlich zugelassene Persönlichkeiten aus der Ecke kommen, und somit aus Prinzip nicht feingeistig. :-/

  • Oh, klasse, pflegen wir Weltreisenden doch ein wenig unsere Stereotype und Vorurteile...

    ...

    ...

    ... Aber ich mache gerne mit :thumbsup:

    Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn jemand, der 50 Kilo hat, versucht mich zu bewegen.

    Das liegt daran, dass Chinesen gerne in Gruppen aufschlagen und sich da offenbar am wohlsten fühlen. Die Dame oder der Herr aus dem Reich der Mitte hatte wohl nur kurz vergessen, dass am Frühstücksbuffet nicht der ganze Rest von 30 weiteren Landsleuten hinter ihm bzw. ihr steht.


    Ich erinnere mich an meinem Besuch in Taiwan in der Taroko-Schlucht. Ich gehe unbefangen meines Weges auf einem relativ schmalen Pfad und von vorne kommt tatsächlich eine Art Hundertschaft. Der Rudelführer aka Reiseleiter hatte wirklich eine Art Megaphon mit Verstärker um den Hals und beschallte seine Schützlinge, die mehr oder weniger im Gleichschritt die ganze Breite des Weges einnahm. Ich habe mich instinktiv an die Felswand gedrückt, um nicht überrollt zu werden. Ich hatte nicht mit einem einzigen Blickkontakt, geschweige denn ein Lächeln getauscht.

    "Your soul was born in India!"

    (Vinod zu mir in Gujarat im März 2023)

  • Oh, klasse, pflegen wir Weltreisenden doch ein wenig unsere Stereotype und Vorurteile...

    Ich kann nur schildern, was ich bis jetzt beobachtet habe. Wenn Chinesen zuvorkommend und ruhig sind, dann handelt es sich meistens um...


    ...Japaner! 8o


    Aber ich komme mit Chinesen gut klar. Bleibt einem ja kaum was übrig, in meinen bevorzugten Reiseländern werden sie immer mehr.

  • Ich glaube ich hatte es schon anderweitig in einem Beitrag beschrieben, aber im absoluten Sicherheitskontrollen-Chaos im Moskauer Flughafen konnte ich den Grundcharakter der drei asiatischen Nachbarn, China (Süd)Korea und Japan, wunderbar beobachten.


    Vor der Sicherheitskontrolle hatten sich sämtliche Reihen aufgelöst, der wartende Mob bestand aus einer Masse.


    Um den drohenden Verlust des Anschlusses zu vermeiden, sammelte bei den Chinesen eine "Opferanode" soviel Reisepässe mit den Boardkarten ein, wie er diese mit beiden Händen noch halten konnte, Das Packen hoch über den Kopf haltend, versuchte er sich zur Kontrolle durchzutanken. Die nun passlosen Landsmänner und -frauen mussten zwangsläufig an den Eisbrecher dran zu bleiben. Dieser Vorstoß wurde durch die Defensive-line anderer Touristen getackled, welche genauso durch das Nadelöhr mussten und kein Einsehen hatten. Das erzeugte heftige, lautstarke Auseinandersetzungen.


    Die Koreaner konnten der chinesischen Offensive nur halbherzig das Wasser reichen. Hier versuchte ein "Mutiger" mit drei oder vier Pässen in der Hand und mit Winken der derart bestückten auf die missliche Lage und sich und seiner Nächsten aufmerksam zu machen, um sich unter ständigen Entschuldigungen vorsichtig vorzuarbeiten.


    Die Japaner ließen dagegen keine Gefühlsregung zu. Mit ihrem Reisepass vor der Brust ergaben sie sich stoisch jeder für sich dem Schicksal.

  • Eine interessante, fast amüsante Beobachtung, wenn man bedenkt, dass du mitten im Trübbel warst... :o


    Wäre ich dort und hätte ich die Zeit, würde ich abwarten um zu sehen welche Gruppe mehr Erfolg erreichen würde... :-/ Dann einen White Paper um "Soziologisches, kulturbasiertes Verhalten und deren Folgen" :-O :-O

  • Was Höflichkeit und Zurückhaltung betrifft

    Ich bin nicht sicher ob ich die Briten mit den Japaner in irgendwelches der Punkte vergleichen würde.


    Zuhause sind zwar die Briten meistens sehr nett, aber in Urlaub können sie schon fordernd und manchmal sogar agressiv sein (besuch mal eins der Hotels/Gebiete wo sie gerne Urlaub machen). Also, ich glaube nicht das Höflichkeit eine Grundhaltung ist, sondern eher weil sie sich Zuhause eine Image gegenüber anderen halten wollen.

  • Zuhause sind zwar die Briten meistens sehr nett, aber in Urlaub können sie schon fordernd und manchmal sogar agressiv sein (besuch mal eins der Hotels/Gebiete wo sie gerne Urlaub machen).

    Ich weiß nicht, ob die Briten auf Mallorca repräsentativ für ihr Land sind. Ist ein volltrunkener Kegelklub mit Sangria-Eimern, der am Ballermann "'schland, 'schland" gröhlt, repräsentativ für Deutschland?

  • Ich weiß nicht, ob die Briten auf Mallorca repräsentativ für ihr Land sind. Ist ein volltrunkener Kegelklub mit Sangria-Eimern, der am Ballermann "'schland, 'schland" gröhlt, repräsentativ für Deutschland?

    Das ist eine interessante Frage, sind aber dann die Chinesen, die Fernreisen machen repräsentativ für deren Land?


    Aber, vielleicht liegt die Problematik an den Gruppen-Verhalten... Wäre ein Chinese allein über anderen herabschätzend? Sind Deutsche oder Englische Alleinreisende höflicher bzw. weniger aufdringlich?

  • Aber zurück zum Thema:


    Ich denke, das Einzige was helfen kann ist die Einführung von Permits (also Mengenkontrolle) für festdefinierten Besuchszeiträume. Diese müssen dann was kosten, und zwar abhängig von der nötigen Mengenreduzierung (also umso stärker der Andrang desto mehr müssen die Permits kosten).


    Zwar wird für den Individualtouri (wie die meisten von uns) dann eine Planungstortur werden, aber vor Ort würde das Genießen der Attraktion vermutlich angenehmer und entspannter...

  • Bei Machu Picchu ist es ja schon seit längerem so, dass man sich eine "Eintrittskarte" kaufen muss, für die es eine bestimmte Einlasszeit gibt, Man müsste also nur die Menge der Tickets reduzieren, die ausgegeben werden.


    Man sollte uns an die "Macht" lassen, dann würde alles klappen!